Wandern unter Kalkfelsen in der Weltenburger Enge

Eine Wanderung unter Kalkfelsen in der Weltenburger Enge. Foto: Gertraud Wittmann

Botanische Schätze, eiszeitliche Felsformationen, Meteoritenkrater, seltene Tiere – wer in der Weltenburger Enge mit Gebietsbetreuerin Franziska Jäger wandert, begreift die wahre Schönheit des unter Naturschutz stehenden Areals. Es besitzt Bayerns einziges Europäisches Diplom für geschützte Gebiete. Jäger kennt hier jede Eibe, sie weiß, wo Wanderfalken nisten und was diesen Lebensraum an der Donau ausmacht.

An der Infoplattform auf dem Damm bei Kelheim beginnt die Donauroute, Wanderweg 1 von elf beschilderten Routen, flussaufwärts mit Blick auf die Befreiungshalle. Ihr heller Rundbau leuchtet fern auf dem Michelsberg in der Sonne. In den Wäldern fallen dunkelgrüne Flecken auf: Hier wachsen Deutschlands höchste Eiben. Entlang der Donau ragen immer wieder markant verwitterte, bis zu 70 Meter hohe Felsformationen aus den Bäumen heraus. Diese Reste uralter Meeresriffe tragen phantasievolle Namen wie „steinerne Jungfrau“ und „feindliche Brüder“.

Alpen-Flair in Bayerns Mitte

 

Auf ihren Felsköpfen grünt Magerrasen. Mit dem Fernglas sieht der Wanderer dort blau blühenden Lattich, gelbe Aurikel oder rot geäderten Diptam: Pflanzen, die sonst in den Alpen oder am Mittelmeer zuhause sind, dem Wassermangel und den extremen Temperaturen trotzen. Hier zeigt sich Weltenburgs Dilemma: Ins bayerische Top-Geotop mit dem Donaudurchbruch kommen jährlich rund eine halbe Million Besucher. Seine Gebietsbetreuerin balanciert täglich auf dem schmalen Grat zwischen Naturschutz und Tourismus. Damit die Flora erhalten bleibt, hat sie zahlreiche Stellen für Besucher gesperrt. Und dennoch: „Die Wanderfalken brüten dieses Jahr leider nicht so ungestört“, sagt sie leise. Ob deshalb ein Junges verschwunden ist? Gestenreich erzählt sie der Wandergruppe wie die Falken im Flug ihre Jungen füttern und dass „ihre“ Uhus donauaufwärts zunächst Ratten, dann vermehrt Igel und schließlich Fisch und sogar Kormoran fressen. Sie spielt das Krächzen der Uhu-Jungen vor und beschreibt die Natternhemden, die die Schlingnattern am Ufer hinterlassen, wenn sie wieder einmal genug Zauneidechsen und Getier intus haben. Sie verschweigt, welche Wege in dem Mosaik aus Felsköpfen, Schluchtwäldern und Donauufer sie selbst geht, wenn sie Arten dokumentiert, und wo sie versteinerte Ammoniten im Fels sieht – „sonst gibt es sie morgen nicht mehr“.

Foto: Gertraud Wittmann
Rechts liegt ein Biergarten hinter einer Gartenmauer. Dort bauten 1454 Franziskanermönche ihre „Einsiedelei Klöster im Bruderloch“: Eine oben offene Mauer mit Rundfenstern und verblichenen Malereien formt die Felshöhle zur Kirche. Nach dem Klösterl sind die Felsen zu „Räuberhöhlen“ ausgewaschen. Direkt über dem Weg ragt der steinerne „Bienenkorb“ heraus. Seine weiße Quer linie markiert das Hochwasser von 1999. Dann geht es zu Jägers Lieblingsort, der Wipfelsfurt, weiter. „Morgens im Herbst, wenn auf der Donau und der großen Wiese gespenstischer Nebel liegt, ist dies ein verwunschener Ort“, sagt sie. Vielleicht liegt es an dieser mystischen Note, dass am Rand dieses Meteoritenkraters die höchsten Eschen Süddeutschlands wachsen.

Der Donaudurchbruch, der keiner ist

 

Bald danach ragen die Felsen unmittelbar aus dem Wasser auf und machen das Ufer unbegehbar. Entstanden ist der „Donaudurchbruch“ vor 150 000 Jahren durch einen Nebenfluss – „die Schutter war die Mutter“, sagt Jäger. Die Donau legte sich ins gemachte Bett. Der Wanderweg führt nach der Streuobstwiese bergauf durch lichten Buchenwald, in dem Schwarzspechte zickzack fliegen. Vorbei an Unkentümpeln, in denen in ruhigen Minuten Kaulquappen und Molche aus dem Wasser lugen, geht es zum Felsvorsprung mit Blick aufs Kloster Weltenburg. Nach dem Abstieg zum kiesknirschenden
Donauufer setzen die Wanderer auf Zillen, den typischen Flussfischerbooten, zum berühmten Kloster und seinem Biergarten über.

Die Weltenburger Enge kann man auch mit dem Kanu vom Wasser aus und mit dem Fahrrad erkunden. Zur Ausgabe 04/2019.

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Matthias Jell

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