In diesem Atelier nehmen Ideen durch Keramik Gestalt an

"Kreative Entscheidungen sind wie Straßenkreuzungen: Jede führt in eine andere Richtung", sagt Künstlerin Anna Eibl-Eibesfeldt. (Foto: Franziska Meinhardt)

Bekannt ist Anna Eibl-Eibesfeldt vor allem als Malerin. In Regensburg hat sie ihr Atelier. Zu Hause, in der Gemeinde Steinach im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen, fertigt sie ihre Keramiken.

Wobei der Begriff “fertigen” ein falsches Bild von dem erzeugt, was die Künstlerin in ihrer Werkstatt macht: Es sind jeweils Variationen einer Idee, aber es ist keine serielle Produktion. Vielmehr ist jedes Objekt, das sie herstellt, einzigartig.
“Ich habe zuerst eine Idee, was ich gerne hätte – aber sie umzusetzen geht nicht immer so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe”, beschreibt sie den kreativen Prozess. Die Ideen sammelt sie in Notizbüchern, bis ihre Zeit reif ist. Dann geht es an die Umsetzung. Die Ergebnisse fallen aber nicht immer aus wie geplant. “Und dann muss ich dafür Lösungen finden.” Die Herausforderungen kommen beim Machen. “Mir ist das Experiment wichtig”, sagt Anna Eibl-Eibesfeldt. “Da ist so etwas Spielerisches, so eine Leichtigkeit.”
Beim Porzellan probiert sie verschiedene Techniken oder Formen aus, die sie selbst hergestellt hat, oder Farben, die sich beim Brennen noch verändern. Oder sie experimentiert mit dem Material, das sie wieder aufbereitet hat. “Ich arbeite sehr intuitiv, und dann gibt es eine Phase der Reflektion und des Problemerkennens.” Schließlich findet sie eine Lösung – doch die setzt dann auch einen Schlusspunkt: “Wenn mir das Ergebnis gefällt, dann verliert das auch ein bisschen an Reiz, dann fange ich sofort an, die Parameter zu verändern oder ein neues Projekt zu suchen”, sagt sie.

Wir gehen in ihre Werkstatt im Souterrain, der “Geburtsstätte” ihrer Keramikarbeiten. Hell scheint das Sonnenlicht durch ein großes Fenster in den Raum. Kunstbücher füllen ein Regal, das eine Wand bedeckt. In der Mitte ein langer Holztisch, auf dem nun eine weitere Schale entstehen wird. Zuerst vermischt Anna Eibl-Eibesfeldt blaue Farbpigmente mit Wasser, dann rührt sie etwas flüssige Porzellanmasse ein.

Was man beim Arbeiten mit Porzellan beachten muss

Die Mischung gießt sie in eine Gipsform. Nach kurzer Trockenzeit wird die Form mit ungefärbter Porzellanmasse bis zum Rand aufgefüllt. Die Farbe verbindet sich nun mit der späteren Außenwand der Schale. Während wir warten, wischt Anna Eibl-Eibesfeldt die Arbeitsfläche des Tisches ab. “Beim Porzellan muss man zwischendurch immer wieder sauber machen”, sagt sie. “Der Staub ist schädlich, den sollte man nicht ständig einatmen. Früher sind die Leute daran gestorben.”
Die Porzellanmischung in der Gipsform hat sich nach zwei, drei Minuten vom Rand abgesetzt. “Wie bei einem Pudding”, sagt Anna Eibl-Eibesfeldt und lacht. Sie gießt die Masse aus der Form. Zurück bleibt eine dünne Schicht von etwa einem halben Zentimeter. “Wenn man eine dickere Schale will, muss man länger warten.” Mit der Öffnung nach unten, leicht schräg, trocknet die Schale in der Form, bis sie sich vom Rand löst. “Das dauert etwa einen Tag.”
Was ihr am Arbeiten mit Porzellan gefällt, ist das Handwerkliche. “Ich gehe da unvoreingenommener ran, weil ich es im Grunde autodidaktisch erlernt habe.” Nach dem Abitur absolvierte sie zwar ein siebenmonatiges Praktikum in einer Keramikwerkstatt in Hessen, wo sie die Grundlagen lernte. Seitdem entwickelt sie ihre Technik aber selbst weiter. “Ich lese auch viel”, sagt sie. Sie verwendet manchmal flüssige Gießmasse, manchmal Drehmasse für die Töpferscheibe oder Aufbaumasse.

Anna Eibl-Eibesfeldt öffnet für interessierte Besucher ihre Kunstwerkstatt in der Domkapitelstraße 16 in Steinach beim Aktionstag “Ateliers in Niederbayern” (6. Oktober zwischen 13 und 18 Uhr). Ab 28. November sind ihre Werke – darunter großformatige Malerei und einzelne Keramikserien – auch bei einer Ausstellung in Straubing (Schlachthof, Halle 2) zu sehen. Weitere Informationen über die Künstlerin auf der Website www.eibl-eibesfeldt.com. Die Porzellanarbeiten gibt es auch bei Arauco (www.arauco.de) in Nürnberg und über etsy bei Por-zellanFarbe.

Porzellan aus dem Smoothie-Mixer

Auf einem niedrigeren Tisch stehen ein Eimer und eine Plastikbox, beide gefüllt mit Porzellanstücken. Eigentlich Abfall – aber weggeworfen wird er bei Anna Eibl-Eibesfeldt nicht. “Ich möchte möglichst wenig Ressourcen verbrauchen”, erklärt sie. Nachhaltigkeit ist ihr ein wichtiges Anliegen, auch in ihrer Kunst.
Auch hier experimentiert sie mit dem Material, hat ausprobiert, was geht – und was nicht. Die Reste der flüssigen Porzellanmasse, die als getrocknete Stücke in der Plastikschale liegen, lassen sich wiederaufbereiten. Die Künstlerin gießt etwas Wasser in die Schale, und sofort ist ein lautes Knistern zu hören – wie trockenes Holz, das Feuer fängt. “Das trockene Porzellan saugt ganz gleichmäßig das Wasser ein”, sagt sie. “Das lässt man dann einen Tag einweichen, dann zerbröselt das und man kann es mixen”. Mixen? “Ja, ich habe dafür einen Smoothie-Mixer und auch so einen Rührer für die Bohrmaschine.”
Was nicht geht, hat sie ebenfalls festgestellt: Die getrockneten Reste der Gießmasse ließen sich nicht mit den Resten der Porzellan-Modelliermasse mischen und aufbereiten. Die Freude am Experiment, am eigenständigen Untersuchen und Entwickeln ist wohl kein Zufall: Anna Eibl-Eibesfeldt stammt aus einer Familie von Naturwissenschaftlern. Ihr Großvater war der berühmte Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt. Auch die Großmutter war Biologin, ihr Vater und ihre Schwester sind Mediziner. “Ich glaube, die Neugier und das Suchen und das Entwickeln eigener Ideen – das wurde mir schon in die Wiege gelegt”, sagt Anna Eibl-Eibesfeldt.

Doch die Kunst als Beruf war in ihrer Kindheit kein Thema. “In der 9. Klasse wollte ich Politikerin werden”, erinnert sie sich lachend. Um Einfluss zu haben, die Welt zu verbessern. Kunst zu machen, das war anfangs nur ein kreatives Hobby. Dann nahm es irgendwann mehr Raum ein in ihrem Leben. In der 12. Klasse nahm sie dann an einer dreiwöchigen Sommer-Akademie in Marburg teil. “Da habe ich mir gedacht, wenn es mir Spaß macht, jeden Tag von 9 bis 16 Uhr zu malen, dann mache ich das.” Die Eltern waren zunächst kritisch, aber unterstützten ihre Tochter.

Anna Eibl-Eibesfeldt entschied sich “zuerst aus Vernunftsgründen” dafür, nach dem Examen ein Referendariat zu machen. “Das hat mir gut gefallen – überraschend gut”, erzählt sie. Kunsterziehung an der Schule sei ein “tolles Fach”, das sie gerne unterrichtet: “Ich finde diese Freiheit wichtig und dass sich Schüler intensiver mit einem Thema beschäftigen können.”
Überhaupt – die Intensität, die die Kunst fordert: Das ist für Anna Eibl-Eibesfeldt der Grund, Kunst zu machen. Macht es sie glücklich? Sie überlegt. “Glücklich ist es eigentlich nicht ganz”, meint sie dann. “Da ist eher diese Konzentration – es ist auch manchmal anstrengend. Und dann denke ich, warum mache ich das? Ich könnte jetzt auch zum Baden gehen.” Sie lacht. “Manchmal fällt es mir schwer, aufzuhören, und dann bin ich richtig KO. Es ist nicht nur Glücklichsein.” Der innere Schaffensdrang hält sie bei der Stange. “Es ist aber auch etwas, das mich weiterbringt.”

Wir gehen aus der Werkstatt nach oben in einen weiteren Atelierraum. Hier befindet sich der Brennofen, in dem die getrockneten Keramikschalen gebrannt werden. Neben dem Ofen warten schon einige Schalen aufs Brennen. Sie scheinen alle weiß zu sein, doch beim näheren Hinsehen erkennt man blassblaue Muster. “Beim Brennen wird die Farbe dunkler”, sagt sie. Anfangs wusste sie das noch nicht. “Die ersten wurden sehr dunkel.” Auch das Treffen des gewünschten Farbtons ist Erfahrungssache.

Im einem einfachen Holzregal stehen fertig gebrannte Keramikwerke. Schalen, Vasen, Teller. Keine zwei Exemplare sind identisch. Darunter sind auch hohe Vasen mit zarten Querstreifen in Schwarz, Weiß und Blautönen, sie stechen aus der Vielfalt heraus. Die Marmorierung entsteht durch unzählige Tonschichten in verschiedenen Farben, die aufeinandergelegt und komprimiert werden. “Das ist Nerikomi, eine japanische Töpfertechnik”, erklärt Anna Eibl-Eibesfeldt. “Der verschieden-farbige Ton wird in Blöcken aufeinandergestapelt und immer wieder dünn geklopft.” Für die Vase hat sie etwa drei Tage gebraucht. Zeitaufwendig, aber das Ergebnis ist außergewöhnlich.
Auch die Oberflächen der Außenseiten ihrer Keramikarbeiten unterscheiden sich: Manche sind glasiert, manche matt. Manche haben außen eine Struktur, sehen aus wie bedruckt, auf einer erkenne ich ein Katzengesicht.
Wir nehmen aus dem Brennofen eine Schale mit und gehen hinaus auf die Terrasse, wo uns Kater Moritz wieder begegnet. Kurz schmiegt er sich an mein Bein. Doch ich habe keine Zeit für ihn: Anna Eibl-Eibesfeldt zeigt mir, wie sie die samtige Oberfläche der matten Keramikschalen herstellt. Sie hat bereits eine Schüssel mit Wasser bereitgestellt. Und eine Auswahl bunter Pads – für mich sehen sie wie Spülschwämme aus. “Nein, das sind Diamant-Schleifpads”, erklärt sie lachend. “Die Farben zeigen die Körnung, wie beim Schleifpapier.”
Sie taucht das schwarze Pad ins Wasser und führt es kreisend an der Außenwand der Schale herum. “Das ist das gröbste Pad, danach poliert man mit feineren.” Das Schleifen dauert etwa eine viertel Stunde. Die Schale fühlt sich außen nun samtig an. Jetzt kann sie innen glasiert und zum zweiten Mal gebrannt werden. Was kommt als Nächstes? Wer weiß. “Kreative Entscheidungen”, sagt Anna Eibl-Eibesfeldt, seien “wie Straßenkreuzungen”: “Jede führt in eine andere Richtung.” Wichtig für sie ist, immer wieder neue Wege zu gehen.
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