Warum einige Wildschweine in Bayern jetzt Halsbänder tragen

Wie nutzen Wildschweine im Winter bei hohen Schneedecken ihren Lebensraum? Das ist nur eine der Fragen, die derzeit im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Bewegungsökologie im Nationalpark untersucht wird. (Foto: Nationalpark Bayerischer Wald)

Warum tragen einige Wildschweine in Bayern plötzlich Halsbänder? Die Antwort darauf liefert ein Sprecher des Nationalparks Bayerischer Wald. Es handelt sich um ein Forschungsprojekt. Dabei können die Tiere mit GPS-Sendern auf Schritt und Tritt verfolgt werden.

Seit diesem Jahr beschäftigen sich Wissenschaftler im Nationalpark Bayerischer Wald intensiv mit der Bewegungsökologie von Wildschweinen. Dafür sind unter anderem auch mit GPSSendern ausgestattete Halsbänder im Einsatz – für diese Tierart erstmals in Bayern. Zehn Wildschweine liefern bereits Daten, 30 weitere sollen folgen. Auf diese Weise kann der Aktionsradius genau verfolgt werden.
„Hintergrund des Vorhabens ist die rasante Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest. So soll das Projekt wichtige Erkenntnisse zum Verhalten der Wildschweine liefern, die wiederum für die Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention beziehungsweise Bekämpfung der Tierseuche Verwendung finden können“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Marco Heurich. Das Projekt wird vom Bayerischen Umweltministerium finanziert und vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit fachlich begleitet.

Schweinepest eindämmen können

 

In den kommenden Jahren sollen im Nationalpark detaillierte Daten über Streifgebietsgrößen, zurückgelegte Tagesstrecken und saisonale Migrationen von Wildschweinen gesammelt werden. Informationen, die vor allem für die Berechnung von Sperrzonen im Falle eines Ausbruchs der Schweinepest benötigt werden. „Um das Virus bei einem Ausbruch eindämmen zu können, müssen wir wissen, wie groß die Aktionsräume der Wildschweine sind“, sagt Projektkoordinator Dr. Christian Fiderer.

„Jedoch gibt es aus Mittelgebirgsregionen wie der des Bayerischen Waldes bislang kaum Erkenntnisse zur Bewegungsökologie der Tiere. Vor allem über das Verhalten bei hohen Schneedecken in den Hochlagen wissen wir bislang kaum etwas.“ Das Problem dabei: Werden die Streifgebietsgrößen bei der Berechnung von potentiellen Sperrzonen unterschätzt oder werden lokale Migrationen übersehen, so können infizierte Wildschweine entkommen und für eine weitere Verbreitung der Seuche sorgen
Eine weitere Frage, der sich die Forscher am Nationalpark widmen, befasst sich mit dem Einfluss der Jagd auf das Bewegungsverhalten der Wildschweine. Da das Wildschwein außerhalb der Nationalparks einer intensiven Bejagung unterliegt, stellen die großen, jagdfreien Gebiete der beiden angrenzenden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava ein europaweit einmaliges Beobachtungsgebiet als Vergleich für diese Untersuchung dar. So soll anhand der Bewegungsdaten unter anderem analysiert werden, wie die Tiere auf die Bejagung im Umfeld reagieren.

Erste Ergebnisse liegen bereits vor

 

Erste Erkenntnisse aus den Untersuchungen liegen bereits vor. So legen die bisher mit Sendern bestückten Tiere teilweise weite Strecken zwischen den beiden Nationalparks und deren Umgebung zurück. In einem Fall wanderten Tiere an einem Tag 18 Kilometer in den Nationalpark Šumava und darüber hinaus.

Damit weitere Erkenntnisse gewonnen werden können, bittet der Nationalpark alle Jäger in der Region um Rücksichtnahme: Die Tiere, die im Projekt eine Schlüsselrolle tragen, sollten bei der Wildtierregulierung verschont werden. Diese Wildschweine tragen gelbe Halsbänder, die kaum zu übersehen sind. Für den Fall, dass dennoch einmal ein mit einem Sender ausgestattetes Tier erlegt werden sollte, bittet die Nationalparkverwaltung um Kontaktaufnahme via poststelle@npvbw.bayern.de oder unter der Telefonnummer 08552/9600-0.

Die afrikanische schweinepest

Die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, ist ein Virus, welches nur Wild- und Hausschweine befällt. Für andere Tierarten sowie Menschen ist es ungefährlich. Für Schweine jedoch endet eine Infektion mit dem hochansteckenden Virus in aller Regel tödlich. Bereits 2007 wurde die ASP aus Afrika nach Georgien eingeschleppt und verbreitete sich von dort rasant über Russland, Weißrussland und die Ukraine. Anfang 2014 erreichte die Seuche die Europäische Union und im September 2020 Deutschland. In Bayern sind bislang noch keine ASP-Fälle festgestellt worden. Die Übertragung der ASP erfolgt entweder direkt von Tier zu Tier oder indirekt zum Beispiel über tierische Erzeugnisse. Von besonderer Bedeutung sind ASP-kontaminierte Speisen aus Gebieten, in denen die ASP ausgebrochen ist. Denn insbesondere Speiseabfälle aus nicht gegarten Schweinefleischerzeugnissen, zum Beispiel Salami oder Schinken, stellen eine mögliche Infektionsquelle dar. Das ASP-Virus ist außerordentlich widerstandsfähig, es kann in gefrorenem, gepökeltem oder geräuchertem Fleisch sowie Fleisch- und Wurstwaren über Monate infektiös bleiben.
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Matthias Jell

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