Deutschlands stärkste Jod-Schwefel-Quellen sprudeln in Bad Wiessee. Das Wasser ist schwarz und stinkt. Will man sich hineinlegen? Unbedingt. Ein Selbstversuch
Verflixt, mein Auto ist kaputt! Das ist mein erster Gedanke, als ich vor dem Jod-Schwefelbad in Bad Wiessee die Fahrertür öffne. Es stinkt nach ausgelaufenem Benzin. Ich umrunde den Wagen einmal prüfend, aber alles scheint in Ordnung.
Direkt neben dem Parkplatz tritt ein Mann aus einem holzverkleideten Gebäude: Alexander Eham, der technische Leiter des Jod-Schwefelbads. Das Gebäude ist die Adrianusquelle, erklärt Eham, eine der zwei Jod-Schwefelquellen des Ortes. Die Türen stehen offen und aus ihnen wallt mir das Benzinaroma entgegen. Es ist doch nicht mein Auto – das Wasser stinkt!
Am Morgen um 5.30 Uhr hat der technische Leiter die sogenannte Pferdekopfpumpe angeworfen. Nun holt sie aus über 300 Metern Tiefe das 300.000 Jahre alte Heilwasser hervor, damit es später die Badewannen füllen kann. In zwei 35.000 Liter-Tanks mischt sich das schwarze, streng riechende Wasser der Adrianusquelle mit dem eher gelblichen, paraffinhaltigen Wasser der Wilhelminaquelle. Damit die Kurgäste nicht ölverschmiert aus der Wanne steigen, ruht das Wasser einige Stunden in den Tanks – so setzen sich die Feststoffe unten ab und das Öl schwimmt oben auf, erklärt Eham. Das Badewasser wird aus der Tankmitte abgesaugt, wo es am klarsten ist. Es enthält pro Liter etwa 80 Milligramm Schwefel, 40 Milligramm Jod und zusätzlich Natrium. “Am klarsten” ist immer noch schwarz. Durch Löcher am Boden der 14 Wannen im Jod-Schwefelbad steigt die dunkle Flüssigkeit auf. Die Wannen sind eine Spezialkonstruktion und werden absichtlich von unten befüllt. So wird das Wasser nicht so aufgewirbelt, “damit der Schwefel sich nicht verflüchtigt”, sagt Badefrau Birgit Biechl. Schließlich ist das ein gasförmiger Stoff.

Bevor ich in das Wasser der stärksten Jod-Schwefelquellen Deutschlands steigen darf, muss ich sämtlichen Schmuck ablegen. “Silber wird schwarz,” warnt die Badetherapeutin, “selbst Ohrringe, die gar nicht im Wasser waren.” Nur Hochkarätiges darf dranbleiben: “Ab 585-Gold ist es kein Problem.” Den Ehering ziehe ich zur Sicherheit trotzdem ab. Es kostet etwas Überwindung, nackt in die Wanne zu steigen. Meine Nase glaubt, dass ich mich gerade als Kfz-Mechaniker unter ein Auto mit defektem Tank schiebe, um es zu reparieren.
Wie der Körper während der Behandlung reagiert
Im Anschluss an das Bad legt man sich nass auf eine Liege am Fenster, gut eingepackt in eine Decke. Badefrau Biechl steckt noch ein Handtuch um Schultern und Hals fest, damit auch keine Wärme entweicht. Spätestens jetzt bin ich heilfroh, dass ich nicht heißer gebadet habe, denn mir ist sehr warm. Biechl lacht. “Das ist schon ein bissl anstrengend, der Körper muss das ja auch verarbeiten.” 30 Minuten Ruhezeit hat er dafür. Die restlichen Wirkstoffe können beim Trocknen von der Haut aufgenommen werden. Bis der Körper alles verarbeitet habe, dauere es fünf Stunden, meint Biechl. So lange rät sie, nicht zu duschen oder zu schwimmen. Auch wenn das schwer fällt mit dem Tegernsee direkt nebenan: “Die Haut ist wie ein Schwamm, der die Wirkstoffe aufsaugt. Wenn Sie nach dem Baden in den See gehen, dann würde alles wieder rausgeschwemmt.”
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Jodsole für Augen und Atemwege
Aber das Heilwasser kann noch mehr. Entschwefelt wird es im Jod-Schwefelbad auch für die Gesundheit der Augen und Atemwege genutzt. Allerdings muss man beim “Augenbad” nicht mit dem Gesicht in Jodwasser tauchen. Auf einem Drehstuhl nimmt man Platz vor einem Sprühgerät, sodass die Augen genau vor zwei Gummiringen liegen, die über ein rosafarbenes Rohr mit dem Gerät verbunden sind. “Achtung, keinen Schreck kriegen”, sagt Badetherapeutin Marion Ammer. Sie drückt einen Knopf und Jodsole-Nebel dampft in beide weit offenen Augen.
“Aerosol-Sprühbad”
Diese »Aerosol-Sprühbad« genannte Therapie helfe bei “Problemen des äußeren Auges” wie Trockenheit, Lidrand- und Hornhautentzündungen, allergischen Augenreaktionen oder wiederkehrender Bindehautentzündung, sagt Augen- und Kurärztin Dr. Angela Glass. Die Bad Wiesseeer Ärztin nutzt die Aerosolbäder auch selbst. Als Kontaktlinsenträgerin schätzt sie die rückfeuchtende Wirkung des Nebels. Ihren Patienten empfiehlt sie zwei bis dreiwöchige Augenkuren mit einem Augenbad pro Tag – im Jod-Schwefelbad oder wenige Straßen weiter in ihrer Praxis. Nach der Kur könne man mit Glück längere Zeit Ruhe von den lästigen Augentropfen haben oder sie zumindest seltener brauchen, etwa “nur alle zwei Tage statt alle zwei Stunden”.
Heilwasser einatmen
Im gleichen Raum wie die Augen-Sprühgeräte steht im Jod-Schwefelbad auch eine Reihe Inhalatoren. Das Heilwasser kann nämlich nicht nur aufgesprüht, sondern auch eingeatmet werden. Ein Gerät namens “Foggy Jet” bläst das fein zerstäubte Jod-Schwefel-Wasser durch einen Keramikaufsatz mit zwei Löchern, über die man die Nasenlöcher hält. Tief einatmen. Für die Tropfen, die sich immer wieder an der Nasenspitze sammeln, steht eine Taschentuchbox bereit. Nach der Hälfte der 15 Minuten Inhalationszeit wird der Aufsatz gewechselt: diesmal ist es ein Mundstück. “Nehmen Sie es nicht ganz in den Mund”, rät Ammer. Ich schließe die Lippen leicht um die Keramik und sofort bläst der Nebel meine Wangen auf. So schnell kann ich gar nicht alles durch die Nase wieder ausatmen. Also besser die Lippen nur teilweise anlegen und etwas Luft entweichen lassen. Das kontrollierte Einatmen durch den Mund und Ausatmen durch die Nase braucht etwas Konzentration. Man spürt, wie die feuchte Luft in die Lungen strömt.
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Den vollständigen Beitrag sowie weitere Informationen rund um das Jod-Schwefelbad und Bad Wiessee gibt es in der Ausgabe 04/2022.

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