Die Schneeglöckchen tanken Kraft aus dem Boden, schieben zarte Blätter und Blüten aus ihren Zwiebeln – während unsere Autorin Ulrike Kühne sich wintermüde fühlt. Kann die Erde auch menschliche Energiespeicher auffüllen? Ein Selbstversuch im Moorbad.
Nicht mit Herzproblemen ins Moorbad
Noch fester darf der Bade-Torf nicht sein, „sonst entsteht zu viel Druck, auch auf die Gefäße“, sagt Physiotherapeut Tröger. Wer Herzprobleme hat, sollte besser nicht im Moor baden. Für solche Gäste bietet die Therme Teilbäder, Moor-Packungen, Moor-Kneten, Moor-Peeling und ein Moor-Tretbecken an.
Ganz allein in der Wanne voller Matsch bin ich wieder Kind. Mir fällt auf, dass ich nur mit dem Nacken die Wanne berühre. Der Rest des Körpers schwimmt im warmen Moor. Ob es mich auch ganz trägt? Ich beuge mich vor. Fast in Embryonalhaltung schwebe ich, gehalten von nichts als 15.000 Jahre alten Pflanzenresten und Wasser. Ich schließe die Augen. So muss es gewesen sein, in den neun Monaten zwischen meiner Zeugung und der Geburt. Ich bade in Mutter Erde und fühle mich völlig gelöst und frei.
In der Wanne steht die Zeit still
Die Wärme hat sanft den ganzen Körper erobert, ich könnte ewig hier liegen bleiben. „Das waren doch noch keine 20 Minuten“, schleudere ich der medizinischen Bademeisterin Christine Wörz empört entgegen, als sie die Tür öffnet. Sie lacht. Diese Reaktion kennt sie schon. Ein Badegast versteckte sich sogar im Moor, als sie ihn holen wollte. Als er prustend auftauchte, bekam sie einen „riesen Schreck“. „Stehen Sie bitte langsam auf“, sagt sie. Dann spritzt sie mich und die Wanne mit einem Duschkopf gründlich ab. Ruck zuck sind wir beide sauber. Weil diese Metall-Bottiche so gut zu reinigen und damit hygienisch sind, wird in der Therme nicht mehr in Holz-Zubern gebadet – außer im Sommer, wenn Fotos für Werbeprospekte geschossen werden.
Ob Holz oder Metall, mir ist das gerade herzlich egal. Ich fühle mich durchgewärmt und entspannt. Lange rinnt das Wasser in der Dusche meinen Körper hinab, denn Harald Tröger hat empfohlen: „Erst einfach alles gut ablaufen lassen, und wenn überhaupt, erst später mit Seife einreiben – sonst reibt man sich die Moorpartikel erst richtig in die Poren rein.“ Pflicht nach dem Moorbad ist: Ab in den Ruheraum, mindestens 20 Minuten ausruhen und ausschwitzen. Wie sehr ich geschwitzt und wie viele Minuten ich geruht habe, weiß ich nicht. Ich bin eingeschlafen.
Das Niedermoor in Bad Gögging: Eine geschützte Landschaft
Als ich aufwache, habe ich noch etwas Zeit bis zum abschließenden „Moor- Peeling.“ Ich schaue mir die Fotos an, die ich am Vormittag an der Moor-Abbaustelle gemacht habe. Moor-Meister Josef Kiermeier steht da mit seiner Schaufel vor der bis zu drei Meter hohen Torf-Schicht, die mich irritiert hat. Warum wächst das Torf in einem Niedermoor in die Höhe? Tut es nicht, habe ich erfahren. Das Thermalmoor wurde in LKW hierhergebracht und aufgeschichtet. Das originale Bad Gögginger Niedermoor im Landschaftsschutzgebiet Heiligenstädter Moos dagegen befindet sich auf Höhe des
Grundwasserspiegels. Unsere Stiefel sanken dort schmatzend ein zwischen Pfeifengras, Schilf und von Bibern angenagten Birken. Das Moor hingegen, das für die Therme abgebaut wird, befindet sich erst seit den 90er Jahren in Bad Gögging.

Dieses Moor ist umgezogen
Damals wurde der Rhein-Main-Donau- Kanal gebaut, mitten durch ein Moor im Ottmaringer Tal. Die wertvolle Moor-Erde wurde gerettet. „Eineinhalb Jahre lang haben sie Kipper für Kipper das Moor umgezogen“, erzählte der Moor-Meister. Das neu zugezogene Moor ruht 900 Meter von der Therme entfernt über der Höhe des regionalen Niedermoors. Die Wasserfrösche, Kiebitze und Hochmoorbläulinge im Landschaftsschutzgebiet werden somit nicht gestört, wenn die Therme Moor abbaut. Und selbst das zum Baden verwendete Moor wird in Auffangbecken wieder renaturiert. Das beruhigt mich, denn es bedeutet, dass ich mit meinem Bad in Mutter Erde der Natur nicht schade.
Erst Peeling, dann Schlammschlacht
Auf einer gefliesten Liege, von Infrarot bestrahlt, verreibe ich immer wieder das langsa trocknende Moor auf meiner Haut. Anfangs ist es breiig, später bilden sich Schlamm-Röllchen. Nach 25 Minuten bekomme ich einen Waschlappen und veranstalte eine Schlammschlacht unter der Dusche. Diesmal muss ich gut rubbeln, die schwarzen Flecken kleben auf der Haut. Die wird anschließend eingeölt – und ja, sie ist wirklich spürbar weicher und glatter als zuvor. Mein Mann wird sich freuen.
Letztendlich ist es mir aber gleichgültig, ob der Tag im Moor-Kurort mich schöner und jünger gemacht hat. Er hat die Verspannungen in meinem Rücken gelöst, die Kälte des Winters aus den
Knochen vertrieben und mir eine tiefe innere Ruhe geschenkt. So mache ich es diesen Februar wie die Schneeglöckchen: Ich blühe auf.