Rare Tropfen aus der Oberpfalz

In der Oberpfalz an der Donau wird Baierwein angebaut.
In der Oberpfalz an der Donau wird Baierwein angebaut. (Foto: Chris Sternitzke)

Auf nur sechs Hektar bewirtschaften Winzer an der Donau das kleinste Weinbaugebiet Bayerns. Nur Essig könne man aus dem Wein machen, hieß es in den Fünfzigerjahren. Das hat sich gewandelt, Experten schätzen mittlerweile die Tropfen aus der Oberpfalz.

Wer an Wein aus Bayern denkt, denkt sofort an Mainfranken mit seiner Weinschleife. An Reben, die sich vom Mainufer aus an Holzstützen die Weinberge hinaufschlängeln. Ganz klar: Bayerischer Wein ist Wein aus Franken. Nicht ganz: In der Oberpfalz an der Donau, unweit von Regensburg, liegt das historische Weinbaugebiet Baierwein. Mit seinen sechs Hektar ist es der “David” unter den Weinbaugebieten, “Goliath” Mainfranken ist mehr als eintausendmal so groß. Dennoch haben die Oberpfälzer den Franken etwas voraus. Während in Franken die ersten Belege des Weinbaus auf das Jahr 777 zurückgehen, ist er an der bayerischen Donau bereits um das Jahr 700 erwähnt.

Baierwein aus der Oberpfalz
Otto Reichinger (l.) und Reinhard Eberl stoßen mit Silvaner an. (Foto: Chris Sternitzke)

Es ist Ende August. Reinhard Eberl, der Vorsitzende des Fördervereins Baierweinmuseum, sitzt zusammen mit Kellermeister Otto Reichinger unter den sattgrünen Weinstöcken der Weinlaube des Museums. Vor ihnen steht eine Flasche 2021er-Silvaner, der aus den Trauben des Weinbergs hinter dem Museum stammt. Das Baierweinmuseum am Ortsrand von Bach an der Donau ist ein altes Presshaus aus dem 14. Jahrhundert. Die Mitglieder des Vereins bewirtschaften gemeinschaftlich den  Weinberg, der der größte zusammenhängende in Bach und Kruckenberg ist.

“Der 21er-Jahrgang war ein sehr guter Wein. Das Wetter hat gepasst. Es ist ausreichend Regen gefallen und wir hatten einen schönen Herbst. Die Fruchtigkeit ist da. Die peppige Säure ist da”, sagt Kellermeister Reichinger, der die Vorgänge der Weingärung und den damit zusammenhängenden Weinausbau überwacht. “Wir halten die Weine weiter bewusst trocken. Wir wollen keine mainstreamigen Weine”, sagt Eberl. Wenn die beiden über Wein sprechen, dann sprudelt es nur so heraus aus ihnen. Experten wie Kultwinzer Klaus Keller, vom Gault Millau 2004 zum Winzer des Jahrzehnts ausgezeichnet, schätzen den Wein. Eine Widmung im Gästebuch des Museums bestätigt das.
Es gab auch andere Zeiten. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte der Baierwein einen verheerenden Ruf. Es hieß etwa, man könne daraus nur Essig machen oder Mörtel aufbereiten. “Früher sind die Trauben nicht reif geworden. Man hat sie mit dem Hammer zerhauen müssen”, scherzt Reichinger. “Die Weine schmeckten sauer, da sie wenig Zucker hatten und einen Säuregehalt von zehn bis 15 Gramm”, erklärt Eberl. Heute haben die Weine etwa sechs Gramm.

Wie der Baierwein gerettet wurde

 

Es war der Tiefpunkt des Baierweins. Eine Handvoll Winzer, die unentwegt weitermachten, bewahrten ihn vor dem Aus. Einen Aufschwung brachten Weinexperten aus Franken, die zu einem Umbau des Weinberges zugunsten frühreifer Sorten rieten. In den 1960ern eröffneten in Bach und Kruckenberg nach und nach Weinstuben, die die Regensburger anzogen. Mittlerweile gibt es wieder 32 Winzer mit Betriebsnummer und mindestens ebenso viele Hobbywinzer, wie Reichinger und Eberl. Die Winzer verteilen sich im Wesentlichen auf die Orte Tegernheim, Donaustauf, Bach an
der Donau, Kruckenberg, Tiefenthal und den Regensburger Stadtteil Winzer. Der Begriff Baierwein ist für das Gebiet gebräuchlich, offiziell heißt es aber Regensburger Landwein. Das kleine Gebiet wird Franken zugerechnet – Bürokratie der EU.

Fachmännisch hält Reichinger seine Nase in das mit Silvaner gefüllte Weinglas. “Ich rieche Apfel, Pampelmuse und Stachelbeere”, sagt der Kellermeister. Aromen erkennen, in erster Linie sei das Erfahrung und Training, sind sich Reichinger und Eberl einig. Ersterer ist Rentner und seit rund 40 Jahren Hobbywinzer, Eberl baut Wein seit 2009 an.

Zehn Jahre für einen guten Wein

 

Reichinger treibt es bei seiner Arbeit an, sein Wissen weiterzugeben – sei es an sein Kellerteam, mit dem er den Wein für das Museum macht, oder an andere Hobbywinzer. “Es ist schön zu sehen, dass es mittlerweile Winzer gibt, die hervorragenden Wein machen.” Er habe sich sein Wissen mühsam selbst angeeignet. Zehn Jahre habe es gedauert, bis ein vernünftiger Wein entstand. Auch Eberl machte anfangs den Wein zusammen mit dem erfahrenen Kellermeister. Er schätzt besonders die Gemeinschaft, die rund um den Museumsverein entsteht, wenn sie gemeinsam den Weinberg bewirtschaften. Gleichzeitig ist für ihn die Arbeit im Weinberg die beste Erholung. “Sobald ich nach einem langen Bürotag in den Weinberg gehe und hinauf zur Hütte, fällt die Arbeit langsam von mir ab. Wenn ich dann an den Blättern arbeite, dann bekomme ich den Kopf frei.” Vier Rebsorten bauen die Mitglieder des Baierweinmuseums zu Wein aus. Silvaner ist der Hauptwein, hinzu kommt Müller-Thurgau, aus dem sie meistens Federweißen herstellen. Besonders sind die historische Sorte Elbling und der Kerner. Generell überwiegen auch die Weißweine im Gebiet des Regensburger Landweins – Eberl schätzt das Verhältnis zwischen Weißem und Rotem auf 80 zu 20 Prozent.

Reichinger bevorzugt den Silvaner, den er auch in seinem Weinberg hauptsächlich anbaut. Der Kerner mit seinen Muskatnoten ist Eberls Favorit. Privat baut er aber Sauvignac an, eine Neuzüchtung aus Sauvignon und Riesling, die pilzresistent ist. Eine Eigenschaft, die für den zukunftsfähigen Weinberg immer wichtiger wird. Durch den Klimawandel stehen Bacchus und Müller-Thurgau auf der Kippe. Die Zukunft gehört den Sorten, die spät reifen – etwa Weißburgunder, Riesling und Sauvignon Blanc. Der Abend gehört aber dem Silvaner, denn es bleibt für Eberl und Reichinger an diesem Tag nicht bei einer Flasche. Immer wieder gesellen sich Mitglieder des Museumsvereins dazu.
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Christine Henze

Christine Henze

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