Genuss aus der Glut: Lagerfeuerküche im Allgäu

Lagerfeuerküche im Allgäu
Outdoor-Guide Simon Heidrich weiß, wie man im Lagerfeuer kocht. (Foto: Jonas Rossa)

Die Lagerfeuerküche ist mehr als Stockbrot und Bratwurst am Spieß. Gemeinsam mit dem Outdoor-Guide Simon Heidrich von Endless Nature taucht unsere Autorin nahe Immenstadt im Allgäu in eine besondere Art des Kochens ein.

Heute muss ich mir das Essen erst verdienen. Das wird beim Blick auf den Berg vor mir schnell klar. Der Aufstieg ist für untrainierte Menschen wie mich eine Herausforderung, aber machbar. An meiner Seite geht Outdoor-Guide Simon Heidrich. In seinem Rucksack trägt er die Lebensmittel, die wir zubereiten werden. Ich kämpfe mit mir und schnaufe wie ein Walross neben dem sportlichen Mann. Die Sonne scheint. Um uns herum rauschen die Bäume. Das Geläut von Kuhglocken in der Ferne begleitet uns. 


Auf etwa 900 Metern erreichen wir nach gut zehn Minuten eine große Lichtung. In deren Mittelpunkt: eine Feuerstelle mit einem Kessel an einem Holzgestell. Drumherum stehen Holzbänke, daneben eine etwa 50 Jahre alte Holzhütte. Das Ambiente erinnert an alte Westernfilme, in denen Bud Spencer und Terence Hill Bohnen mit Speck über dem Feuer zubereiten. Bohnen mit Speck kommen heute nicht auf den Teller – bloß gut, denke ich mir. Stattdessen gibt es Hähnchenbrustfilet im Salzteig und panierten Bergkäse mit geschüttelter Kräuterbutter wie zu Urgroßmutters Zeiten.

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Simon Heidrich bietet das Kochen am Lagerfeuer seit fünf Jahren für Gruppen an. Auf die Idee kam er, weil er gerne in der Natur unterwegs ist und Spaß am Kochen im Feuer hat. Die Rezepte stammen aus seiner Feder, Inspiration findet der gebürtige Allgäuer unter anderem in Kochbüchern. „Ich probiere gerne aus“, sagt der 32 Jährige mit dem urigen Hut, der am liebsten mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln kocht. In der Hütte hat er alles, was er dafür braucht: Teller, Besteck und sogar einen natürlichen Kühlschrank – den kühlen Boden des Berghanges. Eine Petroleumlampe bringt Helligkeit in die dunkle Hütte.

Leben wie früher

„Fürs Kochen brauchen wir Wasser“, sagt er. Nicht aus dem Wasserhahn. Strom und Wasser gibt es hier nicht. Mit dem Kanister geht es durch den Wald, dem Plätschern eines Bachs entgegen. Aus der Quelle füllt er Wasser in den Kanister ab. Auf dem Rückweg pflücken wir gleich noch Frauenmantel, Löwenzahnblätter, Wegerich, Gänseblümchenblüten, Labkraut und Brennnessel für die Kräuterbutter. Dafür gießen wir Sahne in ein Glas und verschließen den Deckel. Jetzt sind die Armmuskeln gefragt, denn das Glas muss gut 15 Minuten lang kräftig geschüttelt werden, bis Butter entsteht. Effektiver als jedes Hanteltraining. Nachdem wir die Buttermilch abgegossen haben, füge ich die geschnittenen Kräuter, Salz und Pfeffer hinzu.

Währenddessen kümmert sich Heidrich ums Feuer. Fürs Kochen braucht es ein größeres Glutbett. Dafür entzündet er ein sogenanntes Pyramidenfeuer. Mit Feuerstahl, an dem sich ein Schaber befindet, und Birkenrinde. Zunächst raspelt er ein paar Späne der Rinde ab. Die ätherischen Öle entfalten sich. Mit der scharfen Kante des Schabers reibt er anschließend schnell am Feuerstahl. Kleine Funken fliegen auf die Rinde. Flammen bilden sich. Drumherum platziert er pyramidenförmig kleine, trockene Birkenäste. Zuerst nutzen wir die kleinen Äste, dann wird das Holz immer größer bis zum Scheit.

Fotogalerie von der Lagerfeuerküche:

Das Feuer muss jetzt genau beobachtet werden, denn Glut kühlt schnell aus, wenn man nicht genug Hitze erzeugt und Holz nachlegt. Zusätzlich bläst Heidrich immer wieder in ein Teleskopblasrohr aus Edelstahl und führt dem Feuer so schnell Sauerstoff hinzu. Plötzlich zischt es und Wasser entweicht aus einem der Scheite. „Das Holz war innen noch feucht“, sagt er. Wenn ein Feuer nicht brennt, kann es daran liegen.

Neben der Qualität des Holzes ist für das Feuer auch die Holzart entscheidend: „Hartholz wie Buche, Birke und Eiche erzeugt eine schöne Glut und brennt langsamer ab“, sagt Heidrich. Weiches Holz wie Kiefer und Fichte brennt schneller. Deshalb ergänzen sich Birke und Fichte. Eiche und Buche eignen sich jedoch nicht fürs Kochen am Lagerfeuer, da sie Bitterstoffe freisetzen. Vorsicht ist bei Eibe und Thuja geboten, weil sie giftig sind.

Immer wieder legt der Outdoor-Guide Fichte und Birke nach und ich kümmere mich um das salzige Gewand fürs Hähnchenbrustfilet. Dafür vermische ich Mehl mit reichlich Salz und Wasser und knete die Masse, bis ein Teig entsteht. Heidrich rollt ihn auf einem Holzbrett aus, legt das Filet und ein paar Zitronenscheiben hinein und bedeckt alles mit Teig. „Wegen des Salzteiges müssen wir nichts würzen.“ Zusätzlich schützt der Salzteig das Filet vor dem Verbrennen. Damit dieser in der Glut nicht zerbricht, macht er die Kanten des Teiges nass und drückt sie vorsichtig an. „Zu nass darf der Teig dabei nicht werden, sonst reißt er in der Glut“, sagt er.

Nach gut einer Stunde hat die Glut eine Temperatur um die 200 Grad Celsius erreicht, sie wird weiß und ein sogenanntes Schlüssellochfeuer ist entstanden. Damit hat man ein Koch- und ein Wärmefeuer: Während in einem Bereich, den Heidrich rund angelegt hat, das Feuer flammt, befindet sich die Glut im schmalen Bereich, dem sogenannten Schlitz des Schlüssellochfeuers. Den Teiglaib legen wir direkt in die Glut. Drumherum garen Zwiebel, Kartoffeln, Paprika und später auch der Spargel.

Im Feuer kochen

„Alles, was man zu Hause zubereiten kann, geht auch hier“, ist der leidenschaftliche Hobbykoch überzeugt. Dafür lässt sich das Lagerfeuer unterschiedlich nutzen: von der Zubereitung in der Pfanne auf der Glut, über einen Feuertopf – den sogenannten Dutch Oven – mit der Glut bis zum Fleisch am Seil. Das Kurioseste, was Heidrich am Lagerfeuer je zubereitet hat, sei ein Dönerspieß mit selbstgebautem Ventilator aus Dosen gewesen, sagt er schmunzelnd.

Er tüftelt gerne, das merkt man. Nach etwa zehn Minuten dreht er den Laib mit dem Hähnchenbrustfilet vorsichtig um und gräbt ihn weiter in der Glut ein, damit dieser mehr Hitze bekommt. Denn: Auch am Lagerfeuer spielt die Temperatur eine wichtige Rolle. Ob die Glut heiß genug ist, erkennt man an deren Farbe. Je weißer die Glut, desto höher ist die Temperatur. Der Abstand zur Flamme ist für die Zubereitung entscheidend: „Will man etwas länger garen, legt man es weiter weg von der Flamme. Brät man etwas scharf an, nutzt man die Flamme.“ Die Pfanne mit dem panierten Bergkäse stellt er auf die Glut und nach kurzer Zeit sogar direkt hinein. Der Käse brutzelt nach wenigen Minuten. Goldgelb nehmen wir ihn heraus.

Der Bergkäse brutzelt köstlich dahin. (Foto: Jonas Rossa)

Der Salzteig ist nach etwa 25 Minuten knusprig braun. Um herauszufinden, ob das Fleisch innen durchgegart ist, klopfen wir auf den Laib. Klingt hohl. „Fertig“, sagt Heidrich und schneidet den Laib in der Mitte auf. Er dampft und das butterzarte Hähnchenbrustfilet duftet. Auch das Gemüse ist weich. Die Haut der Paprika ziehen wir unter klarem Wasser ab und den Spargel waschen wir. 


Gesellig sitzen wir am Lagerfeuer und löffeln die Kartoffeln aus der Schale. Dazu passen das weitere Gemüse, Hähnchenbrustfilet und Kräuterbutter genauso wie der Bergkäse. Die unterschiedlichen Aromen kitzeln in der Nase und im Mund. Insbesondere die Kräuter der Butter und der kräftige Geschmack des Käses stechen heraus. Das hätte Bud Spencer und Terence Hill ganz sicher auch geschmeckt. 

Offene Feuer im Freien – auch im eigenen Garten – sind grundsätzlich erlaubt, wenn bestimmte Entfernungen zu Gebäuden, leicht entzündbaren Stoffen und Wäldern eingehalten werden. Allgemein gilt, dass für die Umgebung keine Brandgefahren entstehen dürfen. Das Feuer muss  immer beobachtet und insbesondere bei starkem Wind gelöscht werden. Beim Verlassen des Ortes müssen Feuer und Glut erloschen sein und die Brandrückstände ordnungsgemäß beseitigt werden. Die Gemeinden können im Einzelfall weitergehende Anordnungen treffen. Weitere Informationen: gesetze-bayern.de

Feuermachen im Selbstversuch: Redakteurin probiert sich am Feuerstahl...

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Matthias Jell

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