Die Quereinsteigerin: Biathlon-Europameisterin Stefanie Scherer im Interview

Biathletin Stefanie Scherer in der Loipe. (Foto: Ernst Wukits/Imago)

Bei den Biathlon-Europameisterschaften im letzten Jahr stand sie ganz oben auf dem Siegertreppchen: Stefanie Scherer. Im Interview mit Bayerns Bestes spricht sie über das Rundumpaket, das Sportler im Leistungsbereich heute mitbringen müssen.

Frau Scherer, welchen Moment Ihrer bisherigen sportlichen Karriere werden Sie nie vergessen?

Stefanie Scherer: Das war ein Anruf in der Wettkampfsaison 2020. Ich war in Minsk für die EM und den IBU-Cup. Nach den Wettkämpfen wäre die Saison für mich eigentlich zu Ende gewesen. Einer meiner Trainer rief mich an und sagte, die Saison sei noch nicht vorbei, für mich gehe es weiter zum Weltcup. EM und IBU-Cup liefen für mich schon sehr gut, in der EM holte ich zusammen mit meinem Teamkollegen Justus Strelow in der Single-Mixed-Staffel die Silbermedaille und im IBU-Cup habe ich das Einzelrennen der Damen gewonnen. Daraufhin hat der Trainer die Teamaufstellung für den Weltcup in Finnland nochmal verändert und ich habe es in den Kader geschafft.

Hatten Sie als Kind ein Faible für das Langlaufen oder den Schießsport? Kurzum: Wie kamen Sie zum Biathlon?

Scherer: Zusammen mit meiner älteren Schwester habe ich bei uns daheim im Skiclub Wall mit dem Langlaufen angefangen. Damals hatten wir nur ein Paar Ski und teilten uns den Ski. Zum Biathlon bin ich mit 16 Jahren dann eher zufällig gekommen. Ich durfte Biathlon-Trainer Bernhard Kröll in Mittenwald besuchen und war sofort von dem Sport begeistert. Ich hatte gerade meinen Realschulabschluss in der Tasche und habe mich sowieso gefragt: Wie geht es weiter? Letztlich habe ich mich für das Wintersportinternat Christophorusschule Berchtesgaden entschieden und dort einen Platz bei den Biathleten bekommen.

“Ich bin eine Quereinsteigerin”

Gilt man mit 16 Jahren als Späteinsteigerin?

Scherer: Nein, es gibt viele, die erst später zu ihrem Sport finden. Ich bin durch das Langlaufen eine Quereinsteigerin und bin froh, dass ich mich die ersten Jahre nur aufs Langlaufen konzentriert habe. Als ich ins Sportinternat kam, hatte ich zwar keine Erfahrung mit dem Luftgewehr, aber im Juniorenbereich steigt man ohnehin auf das Kleinkaliber um. Mit der Waffe konnte ich dann schnell Erfahrungen sammeln.

Wie sieht ein typischer Trainingstag bei Ihnen aus?

Scherer: Vormittags stehe ich klassisch auf der Matte, trainiere das Schießen, laufe oder rollere und nachmittags trainiert man die Ausdauer beim Radfahren, Bergsteigen oder Krafttraining. Im Herbst werden die Einheiten kürzer, da man hier seine Energie dann für die bevorstehenden Wettkämpfe braucht, die Ende November beginnen.

Das klingt nach einem straffen Pensum…

Scherer: Ja, das stimmt. Aber mit den Jahren wurde das für mich auch ganz normal. Andere gehen ins Büro und ich gehe eben zum Stützpunkttraining.

An wie vielen Wettkämpfen nehmen Sie pro Saison teil?

Scherer: Da habe ich tatsächlich noch nie nachgezählt, aber ich schätze ich komme auf 30 bis 40 Wettkämpfe pro Saison.

Stefanie Scherer kam vom Langlauf zum Biathlon. (Foto: Deutscher Skiverband)

2020 haben Sie in Minsk an Ihrer ersten EM teilgenommen und dann gleich Silber in der Single-Mixed-Staffel geholt. Unterscheidet sich eine EM von anderen Wettkämpfen?

Scherer: Grundsätzlich soll die Herangehensweise der Athleten an einen Wettkampf immer die gleiche sein. Bei der EM in Minsk habe ich mich total gefreut, dass ich unter den sechs Mädels im Team für die Single-Mixed-Staffel aufgestellt wurde. Die laufen pro Nation ja nur eine Frau und ein Mann. Bei der ersten EM gleich in der Staffel gesetzt zu sein, war für mich schon ein Privileg. Rückblickend war der Ablauf der EM aber genau der gleiche wie beim IBU-Cup, der ein Wochenende später stattgefunden hat. Nur das Starterfeld ist bei der EM größer und natürlich auch sehr stark.

Der Sport bestimmt das ganze Leben

Bereiten Sie sich auf so ein sportliches Großereignis mit einer bestimmten Ernährung oder besonderen Trainingseinheiten vor?

Scherer: Dazu muss ich sagen: Der Sport bestimmt nicht nur meinen Tagesablauf. Er ist ein 24/7 Job für mich. Ich bin als Sportlerin dafür verantwortlich, morgens pünktlich auf der Matte zu stehen und trainierbar zu sein. Das heißt: Ich bin ausgeschlafen, gesund und habe keine Schmerzen. Um das alles zu schaffen, muss ich viele weitere Dinge beachten, die nicht auf meinem Trainingsplan stehen. Die Regeneration mit genügend Schlaf gehört da genauso dazu wie der Besuch in der Sauna oder beim Physiotherapeuten. Blackroll (Anm. d. Red.: Eine Faszienrolle, die zur Lockerung bei Muskelverhärtungen benutzt wird) und Trainingsmatte sind meine ständigen Begleiter. Meine Ernährung ist mir dabei auch sehr wichtig. Ich ernähre mich seit zwei Jahren komplett vegetarisch und fühle mich mit der großteils pflanzlichen Ernährung fitter und leistungsfähiger.

In der letzten Saison fanden aufgrund der Corona-Pandemie zum ersten Mal in der Geschichte alle Wettkämpfe ohne Zuschauer statt. Hat das Ihre Leistung in irgendeiner Form beeinflusst?

Scherer: Ich bin es vom IBU-Cup gewöhnt, dass die Zuschauerzahl begrenzt ist. Grundsätzlich versuche ich auch immer die Zuschauer auszublenden. Trotzdem pusht es einen natürlich, wenn im Zielbereich Leute stehen, die einen anfeuern. Deshalb bin ich schon auch froh, dass in diesem Jahr wieder Zuschauer erlaubt sind. Aber beeinflusst hat das meine Leistung nicht. Immerhin konnten Justus Strelow und ich unsere Leistung aus Minsk noch steigern und sind 2021 in Duszniki-Zdrój Europameister in der Single-Mixed-Staffel geworden.

Die deutsche Biathletin Stefanie Scherer am Schießstand. (Foto: Ernst Wukits/Imago)

“Am Schießstand fühle ich mich sicherer”

Biathlon wird in sieben Disziplinen ausgetragen – es scheint, die Single-Mixed-Staffel ist eine ihrer besten.

Scherer: Das würde ich so nicht sagen. Ich habe auch keine direkte Lieblingsdisziplin. Den Massenstart finde ich aber immer spannend, da man nicht nur gegen die Uhr, sondern direkt gegen die Konkurrenz läuft und immer genau weiß, wo man steht.

Was liegt Ihnen mehr: Laufen oder Schießen?

Scherer: Das kommt immer auf meine jeweilige Form an, aber tatsächlich fühle ich mich am Schießstand meistens ein bisschen sicherer.

Wenn es nicht Biathlon geworden wäre: Welche Sportart reizt Sie noch?

Scherer: Wenn Biathlon gar nicht funktioniert hätte, wäre ich wahrscheinlich wieder zum Langlaufen zurückgekehrt. Ansonsten kann ich mich auch wahnsinnig für den Radsport begeistern.

Stefanie scherer

Verortet: Aufgewachsen in Wall im Landkreis Miesbach, wohnt die 25-Jährige aktuell in Ruhpolding und trainiert dort am Leistungsstützpunkt. Im Sommer hat sie ihre Ausbildung bei der Bayerischen Landespolizei abgeschlossen und gehört seither dem Kader der aktiven Leistungssportler an.

 

Karriere: Gold-Medaille in der Single-Mixed-Staffel 2021 in Duszniki-Zdroj (Polen), Silber-Medaille in der Single-Mixed-Staffel 2020 in Minsk (Belarus), Platz 4 in der IBU-Gesamtcup-Wertung 2020.

 

Hobbys: Radfahren, Skitouren gehen, Freunde und Familie treffen.

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Matthias Jell

Matthias Jell

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