Biathlon-EM im Bayerischen Wald: Schießtraining im Selbstversuch

Biathlon EM
Biathlon-Feeling pur: Daniela Feldmeier übt das Schießen auf dem Schießstand. (Foto: Marika Hartl)

Zum zweiten Mal fanden vom 24. bis 31. Januar 2022 im Bayerischen Wald die Biathlon-Europameisterschaften statt. Das mediale Interesse war groß, die Region präsentierte sich dabei als attraktive Wintersportdestination. Unsere Autorin Daniela Feldmeier durfte vorab Stadionluft schnuppern und ihr „Schießgestell“ unter Beweis stellen.

„Fehler. Fehler. Fehler. Treffer oben links! Fehler.“ Josef Schneider wirft mir die Wörter an den Kopf, während er durch das Spektiv (ein Beobachtungsfernrohr, welches zum Beispiel bei der Zielscheibenbeobachtung im Biathlon oder bei der Vogelbeobachtung eingesetzt wird) die 50 Meter entfernte Zielscheibe fokussiert. Seine Ansagen kommen schnell – schneller, als ich einen Schuss abgeben und mein rechtes Auge vom Diopter (hintere Visiereinrichtung auf einer Waffe zum Anpeilen von Zielen mit dem bloßen Auge) lösen kann. Josef Schneider arbeitet mit einer Präzision, wie sie nur ein Profisportler oder Trainer haben kann. Er ist beides – ehemaliger Skilangläufer und heute Biathlontrainer. In seiner Funktion als Stützpunktleiter hat Josef Schneider mich zum Biathlon Schnupperkurs in das Skistadion Hohenzollern eingeladen. Diese Einladung führt dazu, dass ich nun bäuchlings vor ihm auf einer Matte am Boden liege und mit einem 3,5 Kilogramm schweren Kleinkalibergewehr Schuss um Schuss abgebe. Mein Kopf feuerrot, meine Atmung stockend – aber mein Ehrgeiz ist geweckt…

Laut Josef Schneider ist die Modernisierung des Stadions für das große Ereignis fast abgeschlossen. „Sogar der Schnee ist schon da“, sagt er. Ich schaue ihn verwundert an. Er grinst und deutet mit einer Hand auf den Wald hinter dem Schießstand. „Wir haben im letzten Winter Schnee vorproduziert. Der liegt jetzt im Schnee-Silo unter einer dicken Schicht Hackschnitzel und ist mit einer Plane abgedeckt.“ Sobald hier konstant kalte Temperaturen herrschen, wird er im Stadion und auf den Loipen verteilt und die Schneekanonen produzieren noch mehr. „Um das Thema Schneesicherheit kommen wir im Wintersport auch bei unserer sogenannten grünen EM einfach nicht herum“, erklärt mir Herbert Unnasch, Präsident des Organisationskomitees Bayerischer Wald und Ausrichter der EM. Um dem Siegel in vielen Bereichen gerecht zu werden, setzt das Komitee unter anderem auf regionale Produkte, die Förderung des ÖPNV und einen grünen Strom.
Bei meinem Besuch im Herbst stehen für mich aber Trockenübungen auf dem Plan. Biathleten sind das gewohnt, mindestens sechs Monate im Jahr trainieren sie ohne Schnee. Ich beobachte zwei junge Sportler, die auf Skirollern an uns vorbeiskaten. Ihre Bewegungen sind die selben wie auf Langlaufski: linker Fuß, rechter Stock, rechter Fuß, linker Stock.

Am Schießstand

 

Aber ich bin nicht nur zum Zuschauen hergekommen. Um mich aufzuwärmen, trabe ich ein paar lockere Runden auf der 150 Meter langen Strafrunde. Kurze Zeit später finde ich mich auch schon bäuchlings auf dem Boden wieder. Ich liege diagonal zum Gewehrkolben. Meine Beine sind leicht geöffnet, die Fußspitzen zeigen nach außen. Das Gewehr ruht auf einem Holzbock – ich muss es also nicht aus eigener Kraft halten. Ich soll lediglich mit meinem rechten Auge durch den Diopter schauen, mit dem inneren Kreis des Ringkorntunnels die Zielscheibe anvisieren und mit meinem rechten Zeigefinger den Abzug betätigen. Fünf Schuss stecken im Magazin. Nach jedem Schuss gilt es nachzuladen. Schuss, repetieren, Schuss, repetieren.

Was so einfach klingt, erfordert eine immense Konzentration. Beim ersten Mal liegendschießend treffe ich überhaupt nichts. Und dabei schieße ich auch noch auf die größeren Stehendziele. „Im Biathlon unterscheidet man zwischen dem Stehend- und Liegendschießen. Stehend schießen die Athleten auf eine Zielscheibe mit einem Durchmesser von 11,5 Zentimeter, liegend sind es dann nur noch 4,5 Zentimeter“, erklärt Josef Schneider.

Lesen Sie auch: Die Quereinsteigerin: Biathletin Stefanie Scherer im Interview

Projektil erreicht bis zu 1.600 km/h

 

Die leeren Patronenhülsen fliegen mir während dem Nachladen um die Ohren. Ich darf mich immer weiter ausprobieren, mit und ohne Holzbock-Unterstützung schießen. Josef Schneider wiederholt sein Mantra bei nahezu jedem Schuss: „Einatmen, ausatmen, Luft anhalten – und Schuss!“ Ich drücke den Abzug, das Projektil schießt aus dem Gewehrlauf und erreicht in der 50 Meter langen Schusslinie eine Geschwindigkeit von bis zu 1.600 km/h. Und vorne macht es klick. Die schwarze Scheibe verschwindet, eine weiße legt sich darüber. Mein erster Treffer ins Schwarze! Nun habe ich Blut geleckt. Anders als bei den Profis kostet bei mir ein Schuss nicht sechs Euro, sondern etwa 0,05 Cent. „Natürlich machen wir bei der Munition hier Abstriche“, sagt Josef Schneider. „Dafür dürfen die Kursteilnehmer dann aber auch einige Magazine leer schießen. Sie sollen ein Gespür für den Sport bekommen.“

Liegend fünf Volltreffer

 

Nachdem ich liegend tatsächlich fünfmal hintereinander getroffen habe, erhöht mein Trainer die Schwierigkeit. Nun stelle ich mich breitbeinig auf die Matte, strecke meine Beine durch und gehe leicht ins Hohlkreuz. Den Gewehrkolben lege ich an meine rechte Achsel, Daumen, Zeige- und Mittelfinger meiner linken Hand stabilisieren den Gewehrlauf. Meine rechte Hand liegt am Abzug, mein rechtes Auge drücke ich wieder an den Diopter. Josef Schneider sagt, ich solle die Waffe beim Ausatmen von unten nach oben führen und sobald die schwarze Scheibe in meinem Ringkorntunnel erscheint, die Luft anhalten und schießen.

„Dein Schießgestell ist super, eigentlich müsstest du jedes Mal treffen“, höre ich die Stimme in meinem Rücken. Ich freue mich über das Lob, treffe dabei aber trotzdem nicht. Im Gegenteil – je länger ich schieße, desto weiter verfehle ich die Scheibe. Ich wackle immer mehr hin und her. Meine Kraft lässt nach. Laut Schneider müssen Biathleten im Training jeden Tag mindestens 15 Minuten in dieser Schussposition verharren. „Ein guter Schütze wird man nicht durchs Schießen, sondern durch eine stabile Rumpfmuskulatur.“ Am nächsten Tag erinnert mich meine Muskulatur bei jeder Bewegung daran, dass sie noch nicht sonderlich stabil ist.

Alles weitere Wissenswerte über Biathlon erfahren Sie in der Ausgabe 01/2022 von Bayerns Bestes.

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Matthias Jell

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