Seit 2021 zählt der Gunthersteig offiziell zu den bayerischen Pilgerwegen. Auf den Spuren des Mönchs St. Gunther führt er durch den Bayer- und Böhmerwald. In mehrfacher Hinsicht eine Grenzerfahrung
“Auf Dich vertrau’ ich und fürcht’ mich nicht.” – glockenklar klingt die Singstimme von Pilgerbegleiterin Helga Grömer durch den Wald. Der Regen trommelt auf das Blätterdach, der Schlamm unter unseren Füßen schmatzt. Vor uns erhebt sich ein etwa zehn Meter hoher Gesteinsblock. Schon seit über 1.000 Jahren thront er auf dem Ranzinger Berg. Nur das Kreuz auf seiner Spitze ist nachträglich hinzugekommen. Es erinnert an den Mönch Gunther.
"Pilgern bedeutet, an seine Grenzen zu gehen."
Helga Grömer
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Den Blick nach innen richten
Nach der Rast am Guntherstein lädt Grömer ein, die nächste Wegstrecke schweigend zu gehen. “Anders als beim Wandern liegt der Fokus auf einem selbst. Richtet euren Blick also nach innen”, leitet sie uns an. Im Gänsemarsch gehen wir los – den Forstweg entlang durch Pfützen, durch hohes Gras, vorbei an rauschenden Bächen. Ein Specht hämmert. Regen prasselt auf mein Cape. Während der ersten halben Stunde nehme ich nur diese Geräusche wahr. In meinen Oberschenkeln zieht es, meine Atmung wird immer schneller. Es fällt mir schwer, in mich hineinzuhören. Dann gehen mir Grömers Worte “Lärm verbraucht, Stille nährt” durch den Kopf. Nach und nach kann ich die Blockade in meinem Kopf überwinden und gleite in die Stille.
„Das unruhige Herz ist die Wurzel aller Pilgerschaft.“
Augustinus von Hippo
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Der Gunthersteig
Der Gunthersteig ist einer der prägendsten Besiedelungswege Bayerns und Böhmens. Bis zum Herbst 2021 wird die Route auf böhmischer Seite bis nach Blatná verlängert. Die 160 Kilometer lange Pilgerstrecke ist in neun Etappen eingeteilt und mit dem Symbol der schwarzen Hacke des Rodungsmönchs gekennzeichnet. Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten finden sich in der Broschüre "Gunthersteig", die unter www.arberland.de oder www.gunthersteig.com angefordert werden kann.
Das “gelobte Land”
Daraufhin ließ er sich zum Naturführer ausbilden, lernte Tschechisch und verbringt seither jede freie Minute in seinem “gelobten Land”. Damit macht er mich neugierig auf die heutige Grenzüberschreitung. Unser Weg soll uns bei Gsenget über die deutsch-tschechische Grenze weiter durch den Böhmerwald bis nach Prášily führen.
Im Böhmischen Grenzland
Mit diesem Gedanken im Kopf laufe ich auf das weiße Schild mit der schwarzen Aufschrift “Landesgrenze” zu. Eine Holzbrücke führt über einen kleinen Bach und schon sind wir im Böhmischen Grenzland. Klaus Kreuzer grüßt zwei Wanderer auf Tschechisch mit “dobrý den” (Anm. d. Redaktion: “Guten Tag”) Die Sprache hier verstehe ich nicht. Die Straßenschilder kann ich nicht lesen. Ich bin nun in der Fremde angekommen und begreife das Wort “Pilgern” in vollem Umfang. Es stammt ursprünglich vom lateinischen Wort “peregrinus” und bezeichnet eine Person, die aus Glaubensgründen in die Fremde zieht.

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