Gaukler bis Ritter: Wie Darsteller die Landshuter Hochzeit erleben

Eines der vielen Highlights bei der Landshuter Hochzeit sind die Nächtlichen Spiele. Hier bilden Gaukler eine vierstöckige Pyramide. (Foto: Verein "Die Förderer e.V.")

Die Landshuter Hochzeit ist ein mittelalterliches Dokumentarspiel, das zu den größten in Europa zählt. Oberflächlich betrachtet, steht bei einer Hochzeit natürlich das Brautpaar im Mittelpunkt. Doch bei der Landshuter Hochzeit sorgen rund 2.500 Darsteller alle vier Jahre dafür, dass dieses Spektakel internationale Bekanntheit erlangt hat. Fünf davon stellen wir vor.

“Himmel Landshut, Tausend Landshut” – diesen Ruf wird man ab dem 30. Juni wieder überall in der Stadt an der Isar hören. Dann wird wieder die Landshuter Hochzeit gefeiert und die Dreihelmenstadt verwandelt sich in einen Schauplatz des Mittelalters. Das Historienspektakel ist seit vielen Jahren nicht nur Zuschauermagnet für Menschen aus nah und fern, sondern seit 2018 auch Immaterielles Kulturerbe. An den vier Wochenenden bis zum 23. Juli liegt sich die ganze Stadt in den Armen und feiert eine Hochzeit, die auf das Jahr 1475 zurückgeht: die Eheschließung zwischen Georg dem Reichen und der polnischen Königstochter Hedwig Jagiellonica.

Korbinian Schweiger: “Einmal Gaukler, immer Gaukler”

Korbinian Schweiger ist einer der Gaukler der Landshuter Hochzeit 2023. (Foto: Franziska Meinhardt)
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Schon sein Vater war begeisterter Turner. Auch Korbinian Schweiger wurde dieses Talent in die Wiege gelegt. Bereits im Alter von vier Jahren begann er mit Turnen. Als er dann auch noch ein paar Jahre später erstmals die Gaukler der Landshuter Hochzeit live erlebte, war es um ihn geschehen und Korbinian wurde selbst Teil der Gruppe. Direkt bei seiner ersten Teilnahme im Jahr 2013 war er ursprünglich als das Kind vorgesehen, das in der Pyramide ganz oben steht – eine Ehre. Doch wegen eines Turnunfalls wurde daraus nichts. Trotzdem durfte Korbinian damals Teil der Gaukler bei der “LaHo” sein. Turnen war zwar tabu, aber mit den Musikern der Gaukler durfte er die Zuschauer animieren. “Im Nachhinein betrachtet, war das damals vielleicht sogar noch schöner, als wenn ich mitgeturnt hätte. Es war so herzlich und auch der Grund, warum ich so bei den Gauklern hängengeblieben bin”, sagt der 20-Jährige. Die Anforderungen an Gaukler sind hoch. Fitness, Körperspannung und Kraft sind wichtig. Natürlich sollte man auch schwindelfrei sein, wenn man in der Pyramide oder im Stern hochklettern muss oder beim sogenannten Fuchsprellen etwa vier Meter durch die Luft geschleudert wird. Ein Jahr dauert das Training dafür. Passieren kann trotz Absicherung immer etwas. “Es ist uns allen bewusst, dass wir einen sehr gefährlichen Job bei der Landshuter Hochzeit haben”, sagt Schweiger. Trotzdem käme für ihn nichts anderes in Frage: “Wir Gaukler sind wichtig für die Landshuter Hochzeit, weil wir Nervenkitzel und gute Laune bringen.”
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Die wichtigsten Turnfiguren der Gaukler

Pyramide: Ein von den Gauklern gebildeter Turm aus bis zu vier “Stockwerken” mit einer Gesamthöhe von etwa sieben Metern. Ganz oben steht ein Kind.

Stern: Ähnlich wie bei der Pyramide ein Turm, nur dass hier zwischendrin noch Gaukler im Liegestütz liegen und darauf ein weiterer Gaukler einen Handstand macht.

Korbinian Schweiger beim Fuchsprellen. (Foto: Stephan Elsberger/www.elsi-foto.de)

Fuchsprellen: Dabei bilden mehrere Gaukler zwei gegenüberstehende Reihen und fassen sich fest an den Armen. Ein weiterer Gaukler legt sich auf die Arme und wird immer höher geschleudert. In der Luft macht er Saltos und rudert mit Armen und Beinen.

Oliver Schropp: Kindheitstraum Ritter

Oliver Schropp tritt beim Ritterturnier der Landshuter Hochzeit 2023 wieder als Friedrich von Brandenburg an. (Foto: Verein "Die Förderer e.V.)

“Es war, wie nach langer Zeit endlich heimkommen”, beschreibt Oliver Schropp das Gefühl, als er vor 31 Jahren erstmals auf einem Pferd saß. Vom Reiter zum Ritter sollte es aber noch ein langer Weg sein. “Ritter zu sein, war schon immer ein Kindheitstraum von mir”, erinnert sich der heute 54-Jährige. 2007 sollte sein Traum endlich wahr werden, als er sich der Rittertruppe der Landshuter Hochzeit anschließen durfte. Zwei Jahre später hatte er seinen ersten Auftritt beim Ritterturnier der “LaHo” als Friedrich von Brandenburg. “Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich auf den Turnierplatz geritten bin. Als würde man durch eine Wand in eine andere Welt reiten”, sagt Schropp. Dafür braucht es allerdings viel Training. Reiter und Pferd müssen sich im Vorfeld zwei Jahre aufeinander einspielen, dazu kommt die nötige körperliche Fitness. Schropp: “Ich verliere bei jedem Ritterturnier etwa fünf Kilogramm Gewicht. Hauptsächlich Wasser, das ich ausschwitze.” Auch eine gute Rückenmuskulatur ist notwendig, um mit der etwa 35 Kilogramm schweren Rüstung möglichst fest im Sattel zu sitzen.

 

Anders als in Ritterfilmen aus Hollywood geht es beim Ritterturnier der “LaHo” ohnehin nicht darum, den Gegner spektakulär vom Sattel zu stoßen, sondern einen Treffer zu landen. Abgesprochen ist dabei nichts. Wie Schropp erklärt, ist sein Sichtfeld extrem eingeschränkt, wenn er die etwa 50 Meter lange Planke entlangreitet. Durch den schmalen Sehschlitz seines Helms, des sogenannten Schallers, sieht er nicht einmal sein Pferd. Die 4,20 Meter lange Lanze wird ihm von seinen Knappen in die Rüstung eingehängt und dann geht es mit rund 30 km/h ans andere Ende der Planke. Wichtig ist dabei, dass Reiter und Pferd einander vertrauen. “Das Pferd muss Spaß daran haben. Ich würde nie mit einem Pferd arbeiten, das Angst hat”, versichert Oliver Schropp, der es kaum noch erwarten kann, seinen Kindheitstraum bei der Landshuter Hochzeit endlich wieder leben zu dürfen: “Es ist, als würde man in ein Geschichtsbuch eintauchen und plötzlich werden die Figuren lebendig.”

Stefan Winkler: Henkerssohn und Spaßbringer

"Bei uns geht es immer um die maximale Gaudi", sagt Stefan Winkler über die "Joculatores". (Foto: Franziska Meinhardt)
Mit einer Körpergröße von 1,98 Meter ist Stefan Winkler eine imposante Erscheinung. Auf den ersten Blick würde man vermuten, dass er als Schwertkämpfer oder Ritter auftritt. Doch weit gefehlt: Er spielt sämtliche Blasinstrumente bei den “Joculatores”, das bedeutet im übertragenen Sinne “Spaßbringer”. Genau diesen Anspruch hat die fünfköpfige Gruppe auch: den Menschen maximale Freude bereiten. Die “Joculatores” vereinen Musik und Theater miteinander. So hat jeder in der Gruppe einen fiktiven Charakter mit einer eigenen Lebensgeschichte erschaffen. “Ich bin der Sohn eines französischen Henkers. Zum Leidwesen meines Vaters habe ich es aber nicht so mit dem Groben, sondern spiele lieber Flöte”, erklärt der 41-Jährige. Fünf verschiedene Flöten gehören zu seinem Repertoire, dazu zwei Schalmeien, zwei Dudelsäcke und eine Rauschpfeife. Die Gruppe geht merklich eigene Wege. Winkler: “Wir spielen nicht einfach nur Lieder nach, sondern nehmen uns einzelne Passagen und machen etwas völlig Eigenes daraus.” An seine erste Landshuter Hochzeit 2001 erinnert sich Stefan Winkler noch gut: “Ein aufregendes Gefühl. Man schwimmt da auf dieser Welle der Euphorie mit. Nur an die Strumpfhose musste ich mich gewöhnen.” Die “Joculatores” kann man während der “LaHo” immer Dienstag, Freitag und Samstag im Salzstadel in Landshut live erleben, am Wochenende aber auch im Lagerleben. “Wir tragen etwas zur Landshuter Hochzeit bei, was in dieser Kombination sonst niemand macht”, sagt Winkler stolz.

Irene Saller: Die Frau mit dem Erfolgsrezept

Irene Saller leitet 2023 erstmals die Hofküche der Landshuter Hochzeit. (Foto: Franziska Meinhardt)
Irene Saller träumte schon in ihrer Kindheit davon, eines Tages bei der Landshuter Hochzeit dabei zu sein. Als sie ihre Berufsausbildung begann, beschloss sie, Mitglied der Förderer zu werden. Und siehe da: Im Jahr 1989 erfüllte sich erstmals ihr Traum von der Teilnahme an der Landshuter Hochzeit. Schon damals in der Gruppe der Hofküche. Im echten Leben arbeitet Irene Saller als Verwaltungsangestellte im Klinikum Landshut. Im Gespräch merkt man, dass diese Frau voller Tatendrang steckt. “Ich könnte bei der Landshuter Hochzeit nichts machen, wo ich nur rumgehe und den Menschen zuwinke. Ich muss immer was zu tun haben”, bestätigt die 59-Jährige. 2023 wird sie genug zu tun haben, denn dann hat Irene Saller erstmals die Leitung der Hofküche inne. Insgesamt arbeiten dort 42 Personen. Wer jetzt denkt, authentische mittelalterliche Küche sei eine völlig andere Welt, sieht sich geschnitten. Saller: “Die damalige Küche unterscheidet sich nicht so sehr von der heutigen. Natürlich gab es damals weder Tomaten noch Kartoffeln.” Dafür wurde umso intensiver gewürzt. “Für unsere heutigen Geschmacksnerven wären damals wohl viele Gerichte überwürzt gewesen”, erklärt die Leitung der Hofküche. Die größte Herausforderung sind also nicht die Zutaten, sondern die Art der Zubereitung. “Es ist schon eine große Umstellung, plötzlich ohne Induktion und Thermomix, dafür aber über offenem Feuer zu kochen.”

Julia Nagelschmitz: Die Seele des Mittelalters

"Man darf zu dieser Zeit schon frecher sein", sagt Sängerin Julia Nagelschmitz über die Landshuter Hochzeit. (Foto: Franziska Meinhardt)
Musik war irgendwie schon immer ihr Ding. Privat hauptsächlich Soul, Jazz und Funk. Seit über 20 Jahren singt Julia Nagelschmitz in einer Soul-Band. Doch wenn die Landshuter Hochzeit ruft, dann verwandelt sie sich in eine der beiden Sängerinnen der mittelalterlichen Musikgruppe “Schnurrpfeyfferei”. Der Name ist leicht erklärt, gibt es dort doch schnurrende Instrumente wie die Drehleier und pfeifende Instrumente wie die sogenannte Rauschpfeife. Überall da, wo die mittelalterlichen Musiker auftauchen, ist gute Stimmung garantiert. Sie spielen für einen Obulus, Speis und Trank. 2013 nahm Nagelschmitz erstmals an der Landshuter Hochzeit teil. Die heute 40-Jährige erinnert sich: “Es war wie ein Rausch. Ich stand vier Wochenenden hintereinander total unter Adrenalin. Deshalb bin ich danach in ein regelrechtes Loch gefallen.” Denn die Landshuter Hochzeit ist auch für sie weit mehr als »nur« ein Historienspektakel – es ist Familie. “Als würde man nach Hause kommen”, sagt sie voller Vorfreude. Doch nicht nur die Sängerin verwandelt sich durch ihr Kostüm ein Stück weit: “Die ganze Stadt erstrahlt zur Landshuter Hochzeit einfach in einem völlig anderen Licht.” Und daran hat auch die “Schnurrpfeyfferei” ihren Anteil. Julia Nagelschmitz berichtet, dass sie erst einmal lernen musste, derart aus sich rauszugehen. Wildfremde Menschen anzusingen, anzufassen. Doch sie weiß: “Man darf zu dieser Zeit auch frecher sein. Das Kostüm verzeiht vieles.” Insgesamt 17 Lieder umfasst das Repertoire der “Schnurrpfeyfferei”. Lieder, die sie zum Teil auch gemeinsam mit anderen Gruppen wie etwa den “Reisigen” (einem etwa 120 Mann starken Männerchor) zum Besten geben. Gesungen werden dabei Lieder in vielen alten Sprachen, wie etwa Althochdeutsch, Altspanisch oder Altfranzösisch. Julia Nagelschmitz muss dabei nicht jedes Wort verstehen, denn wichtiger als das bloße Wort ist etwas anderes: die Seele der Musik.
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Matthias Jell

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