Edle Tropfen aus Oberbayern: Schnaps für besondere Momente

Seit 1993 hat sich Andreas Franzl der Edelbrandherstellung verschrieben. (Foto: Florian Kronfeldner)

Auf seinem Hof im Landkreis Erding wachsen seltene alte Obstsorten. Daraus destilliert Andreas Franzl Edelbrände von höchster Qualität. Sein Credo: Qualität und Regionalität zahlen sich aus.

Andreas Franzls Hof Oberkorb steht einsam in der Landschaft. Kein Schild an der nahen Landstraße am östlichen Rand des Landkreises Erding weist darauf hin. Hinter einem Wäldchen taucht auf einmal das Anwesen auf. Sofort fallen die großen alten Obstbäume ins Auge. Sie sind die Grundlage für das Handwerk, dem sich Franzl widmet: Brände aus alten, unbehandelten Obst- und Beerensorten. Sie heißen Rote Sternrenette, Schönberger Zwetschge, Attich (Zwergholunder) oder Kriacherl, eine Unterart der Pflaume – nur eine Auswahl der Früchte, aus denen Franzl prämierte Edelbrände gewinnt.

Kein Dünger, keine Pestizide

 

“Mit jedem Baum per Du” sei er, sagt Franzl. Seine teils über 100 Jahre alten Obstbäume gehören gewissermaßen zur Familie. Kein Dünger, kein Pestizid wird ihnen zugesetzt. Mit Menschen kommen sie erst in Kontakt, wenn die Ernte ansteht. Verstreut – daher auch der Name “Streuobst” – stehen sie um Oberkorb herum. Die Bäume spenden die entscheidende Zutat, aus denen Franzl seine Brände herstellt. Und das tut er überzeugend: Seine Brennerei errang 2018 den Gesamtsieg als “Distillery of the Year” bei den World Spirits Awards und erhielt mehrfach den Staatsehrenpreis des Freistaats Bayern, zuletzt wieder im vergangenen Jahr. Franzl ist als einer der wenigen “Masters of Spirits” weltweit als Juror gefragt.

Die Mispel gehört zu den Apfelfrüchten. (Foto: Florian Kronfeldner)

Ein Hobby auf höchstem Niveau

 

Franzl betreibt das Brennen immer noch als Hobby. Das Gesetz erlaubt ihm, als sogenannte Abfindungsbrennerei maximal 300 Liter Reinalkohol pro Jahr herzustellen. Das ergibt zwischen 1.200 und 1.400 Flaschen Obstbrand im Jahr. Aber es reicht ihm. „Organisch kann ich nicht mehr wachsen“, sagt Franzl. Sonst wären Kompromisse nötig, die er nicht eingehen möchte: „Ich kann nicht mehr von Regionalität sprechen, wenn ich das Obst mit dem Laster anliefern lasse”. Auch deswegen gibt Franzl sein Können weiter. „Allein kann ich die Welt nicht erobern. Je mehr gute Ware hergestellt wird, desto leichter tun wir uns alle“, sagt er. Um die 80 Fortbildungen bietet er pro Jahr an.

Der 60-Jährige ist vor allem eines: Purist. Obstbrände müssen zwar ohnehin strenge gesetzliche Qualitätskriterien erfüllen, aber entscheidend sei die Qualität der Früchte: “Prämisse für einen Topbrand ist das Topmaterial” – sprich: optimale Reife, gesunde Frucht, komplett unbehandelt. “Wir sind hier im tertiären Hügelland zwischen Inn und Donau. Dieser karge Schieferboden muss sich auch im Geschmack widerspiegeln”, sagt Franzl. Fachleute sprechen von Terroir – die Charakteristik des Landstrichs, aus der das Produkt kommt. Franzl bringt es auf den Punkt: “Ich will kein glattes Trinkerlebnis. Man soll die Schaligkeit schmecken.”

Qualität und Timing sind entscheidend

 

Auch der richtige Zeitpunkt für die Ernte ist extrem wichtig. Darauf achtet Franzl peinlich genau. “Es ist ein Stundengeschäft”, erklärt er. Wenn die Zeit reif ist, muss schon mal an einem Samstag alles andere ruhen und die ganze Familie mit anpacken. Per Hand, bewaffnet mit Netzen und Schüttelstangen. Und durchaus komme es mal vor, dass ein Erntejahrgang Franzls Qualitätsansprüchen nicht genüge. “Streuobst mag einfach manchmal ein Jahr nicht”, meint er lapidar. 2021 scheint aber trotz aller Wetterkapriolen ein guter Jahrgang zu werden: “Wir haben Zucker, wir haben Geschmack, es ist ein überraschendes Jahr.”

Ob ein Brand gut wird oder nicht, entscheidet sich für Franzl damit schon weit vor dem Brennen. Er sagt: “Am Brenngerät verwalte ich nur noch, was ich vorher eingebracht habe. Wenn es vorher nicht gepasst hat, kann ich dort nichts mehr verbessern.” Dennoch lege er auf manche Dinge wert: Einen temperaturgeführten Maischekessel etwa, damit das Obst kontrolliert vergären kann. Und: “Konsequenz am Brenngerät” – heißt: Anwesenheitspflicht beim gesamten Brennvorgang, Sauberkeit, Sorgfalt, die einfachen Dinge eben. Sein Brennkessel, den Franzl im Erdgeschoss des alten Bauernhofs eingebaut hat, ist zwar ein bronzefarbenes Schmuckstück, aber doch auch solide Technik ohne viel Schnickschnack. “Es ist kein Hexenwerk. Ich kann auch mit einer Kartoffeldistille einen exzellenten Brand brennen”, sagt Franzl.

Vier Liter Schnaps aus 100 Kilogramm Zwetschgen

 

Gut 20 Brenntage habe er pro Jahr. Aus 100 Kilogramm Zwetschgen gewinnt Franzl ungefähr vier Liter Brand, aus derselben Menge Äpfel drei Liter – und bei Vogelbeeren noch weniger, etwa einen Liter. Nach der Destillation sind die Brände aber noch längst nicht fertig. Manche Sorten werden filtriert. Und schließlich muss man das Destillat auf Trinkstärke einstellen. 42 Prozent Alkoholgehalt sei ideal für die Aromen der Obstbrände, sagt Franzl. Seine Kernobst-Brände lagert er zwischen zwei und drei Monaten, die Steinobst-Brände mindestens ein Jahr lang in Glas- und Tongefäßen ein.

Vom Ergebnis darf sich jeder Besucher auf dem Hof selbst überzeugen. Und so wage ich mich unter den Augen des “Masters of Spirit” an einige Brände: Die Cuvée aus alten Hausapfelsorten finde ich frisch-fruchtig und angenehm säuerlich. Ich bemühe mich, das Terroir herauszuschmecken, was mir mangels Erfahrung noch etwas schwerfällt. Aber siehe da: Nach einigen Momenten überrascht mich eine pfeffrige Note, die ich bei einem Apfelbrand nie erwartet hätte.

Die richtige Reihenfolge beim Verkosten

 

Verkostet wird in Fachkreisen immer “vom Kern zum Stein zur Beere” – also von den eher frisch-säuerlichen Kernobstsorten wie Apfel oder Birne über die samtig-süßen Zwetschgen- oder Quittenbrände hin zu den Beeren, die mit ihrem intensiven Aroma immer am Schluss stehen sollten. Leichte Ehrfurcht beschleicht mich bei der Schönberger Zwetschge, die von einem 101 Jahre alten Baum stammt. Im Gaumen entfalten sich süßliche Noten von Dörrobst, eine leichte Ahnung von weihnachtlichen Düften kommt auf, während draußen 20 Grad herrschen.

Der Schlusspunkt schließlich ist die Vogelbeere, eine Spezialität von Franzl. Denn eigentlich ist die Sorte zum Verzehr ungenießbar. Erst durch das Brennen entstehen die Aromen: Ich schmecke Marzipan und leichte Bitternoten der Gerbstoffe. “Manche fühlen sich auch an Medizin erinnert”, sagt Franzl. “Ein Brand muss nicht nur gefällig sein.” Und ich staune, was man alles aus der Natur machen kann.

Andreas Franzl ist gelernter Käser und hat ein Studium der Landwirtschaft absolviert. Hauptberuflich arbeitet er in der landwirtschaftlichen Beratung. Der Hof, seit Generationen in Familenbesitz, habe schon immer viel Obst abgeworfen. Über Studienfreunde sei ihm die Idee gekommen, Obstbrände herzustellen, “um das Produkt Streuobst sinnvoll zu veredeln”. Seit 1993 hat sich Franzl der Edelbrandherstellung verschrieben. Nach und nach hat er dazugelernt, neue Brände aus einzigartigen Obstsorten wie dem Attich kreiert. In seiner “AcadeVie” gibt er für Interessierte Kurse zur Edelbrandherstellung.

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Matthias Jell

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