Semmel- und Kartoffelknödel sind in Bayern als Beilagen beliebt. Doch der Knödel kann mehr. In ihrem Kochbuch „Knödellust“ machen die beiden Oberpfälzer Sandra Leitner und Hans Bauer aus Zeitlarn im Landkreis Regensburg den Klassiker zum Hauptakteur – und finden überraschende Kombinationen.
Die dunkelroten Knödel baden in heißem Rote- Bete-Saft, Wasser und Gewürzen. Hans Bauer schwenkt eine Pfanne, in der braune Kümmelkörner in ihrem schneeweißen Zuckergewand karamellisieren. Ein süßlicher Duft steigt auf – und er lächelt zufrieden. Er macht das nicht zum ersten Mal, das merkt man, weil jeder Handgriff sitzt. Genau wie bei seiner Lebensgefährtin Sandra Leitner. Die beiden Hobbyköche mit Schürzen im Partnerlook sind ein eingespieltes Team. Als kurz darauf die Knödel an der Oberfläche tänzeln, trennt Leitnersie mit einem Schaumlöffel vom Sud und Bauer bricht den Kümmelkaramell, der auf Backpapier hart geworden ist.
Für ihr Kochbuch haben sich die beiden Kombinationen wie diese gesucht. „Wir wollten den Knödel zum Hauptakteur machen, der ein ganzes Gericht trägt“, sagt der Oberpfälzer, der aus einer Wirtshausfamilie stammt, in der täglich bis zu 350 Stück gerollt wurden. Während der Knödel früher meist am Rand und mit etwas Soße übergossen serviert wurde, platziert er den roten Hauptdarsteller jetzt in der Mitte des Tellers und drumherum verfeinerten Ziegenfrischkäse, Parmesanspäne und geröstete Walnüsse. Grüner Rucola bedeckt den Knödel aus Roter Bete genauso wie die Splitter Kümmelkaramell.
Das farbenfrohe Ensemble sieht aus wie ein Kunstwerk. Aber wie passen die meist erdige Rote Bete und karamellisierter Kümmel zusammen? Dessen würziges Aroma und der süßliche Geschmack harmonieren erstaunlich gut mit der kräftigen Bete. Zusätzlich bildet der knackige Kümmel den Gegensatz zum weichen Knödel. Dazu die dezent bittere Note des Rucolas und die Frische der Ziegenfrischkäse Komposition. „Das Gesamtkonzept muss stimmig sein und dafür haben wir festgelegt, wo im Gericht beispielsweise die Säure und Süße stattfindet“, erklärt Bauer. Süß, sauer, salzig, scharf und manchmal auch Crisp – das ist die Richtschnur.
„Das gesamte Gericht muss auch farblich zusammenpassen“, sagt Leitner, die von klein auf gerne in der Küche stand und vieles von ihrer Großmutter gelernt hat. „Wir haben es verworfen, wenn etwas nicht gut ausgesehen oder geschmeckt hat.“ Letzteres war eine Herausforderung beim Rote-Bete-Knödel, denn lässt man ihn im Wasser ziehen, wird er oft grau und unappetitlich. Der Saft der Bete verleiht ihm den Rot-Ton.
Bei den Knödeln sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt – ganz gleich ob aus Kräutern, Gemüse, Fleisch oder Lebkuchen und Biskuit. „Knödel zu machen ist das Einfachste auf der Welt. Man mischt Teig zusammen, der mit Brot und Ei zusammenhält. Der Rest ist Geschmackssache“, sagt Bauer. Zusammen mit Leitner entwickelte er neue Varianten des Knödels aus saisonalen Zutaten. Viele davon kommen aus dem eigenen Garten, in dem es neben etlichen Petersilien- auch rund 40 Tomatensorten gibt.
Und woher kamen die Rezeptideen? „Wir haben uns ein Thema für den Knödel gestellt und geschaut, was saisonal vorhanden ist“, sagt Leitner, für die das Kochen und Backen ein Ausgleich zum Alltag ist. Danach wurde entschieden, welche Komponenten nicht naheliegend sind, aber optisch und geschmacklich passen – wie beim getrüffelten Sellerieknödel mit geschmorter Roter Bete und glasierten Karotten.
Ein Jahr lang haben die beiden getüftelt und Techniken ausgebildet. „Uns macht es Spaß, Rezepte zu entwickeln“, sagt sie. „Wir kochen leidenschaftlich gerne.“ Natürlich läuft da auch mal etwas nicht wie geplant, wie beim Sellerieknödel – den sie vier- oder fünfmal zubereitet haben, bis er ein richtiger Knödel war. „Wir haben Sellerie unter anderem im Dörrautomaten getrocknet, püriert und weiterverarbeitet“, sagt Bauer. Aber nicht jeder hat so einen Automaten zu Hause. Deshalb haben sie nochmal von vorne angefangen. Die Kombination mit Trüffelöl ist schließlich die Lösung gewesen, damit er zusammenhält und schmeckt. Oft entstehen solche Kombinationen spontan. „Rosmarin passt perfekt zu Zwetschgen“, wirft Bauer plötzlich ein. Genau wie Salbeipesto zum Haselnussknödel.
Die Nougatfüllung für den süßen Haselnussknödel haben die Hobbyköche am Tag zuvor vorbereitet und in einer Silikonform für Halbkugeln über Nacht gefrostet. Sie werden erst im heißen Bad flüssig. Bauer setzt zwei Halbkugeln zusammen, ummantelt sie mit dem Knödelteig und formt mit seinen Handflächen und kreisenden Bewegungen geduldig faustgroße Kugeln. Vorsichtig gibt er den Probeknödel in reichlich gezuckertes und gesalzenes Wasser, das eben noch gekocht hat. „Knödel dürfen nicht kochen, sondern nur ziehen, sonst können sie zerfallen“, erklärt er. Doch er wirkt skeptisch beim Blick auf den fransigen Knödel im Topf. Der Teig ist zu locker, stellt er fest und löst ihn vom nächsten Knödel ab. Leitner gibt etwas Semmelbrösel in den Teig und knetet ihn mit ihren Händen kräftig durch.
Was einen guten Knödel ausmacht
„Wichtig ist es, immer einen Probeknödel zu machen“, sagt sie. Denn: Die Zutaten sind nicht jedes Mal gleich. Ein Brot ist trockener, das andere feuchter. Ein Ei ist kleiner als das andere. Hinsichtlich der Feuchtigkeit und Festigkeit sollte der Teig genau begutachtet werden. Ist er zu feucht, gibt die leidenschaftliche Hobbybäckerin Semmelbrösel oder ein bisschen Stärke dazu. Wenn der Teig zu trocken ist, lässt ein Löffel Quark oder ein Ei ihn nasser werden.
Doch was macht einen guten Knödel aus? „Der Knödel darf nicht zu letschert oder fest sein. Er muss fluffig und geschmacklich sehr gut sein“, sagt Leitner, die gerne Mozzarella-Prosciutto Knödel und Spinatknödel isst. Dass beispielsweise ein Kartoffelknödel auch nach Kartoffel schmeckt, ist Bauer wichtig. „Für gute Knödel braucht man gute Zutaten“, sagt Bauer, der ein Faible für süße Knödel hat.
Sein Blick fällt auf die Haselnüsse, die gerade in der Pfanne rösten. Die Knödel sind jetzt gerollt und fest verschlossen. Er gibt sie ins Wasser. Als sie nach einer Viertelstunde oben schwimmen, nimmt er sie heraus und wälzt sie in gehackten Haselnüssen. Man hätte die Haselnüsse auch noch karamellisieren können. An diesem Tag bleiben sie pur. Auf den Teller tupfen beide nun selbstgemachtes Salbeipesto und geben ein paar Löffel Cranberry-und Schokosauce hinzu – und etwas Puderzucker für die Optik. Kleingeschnittene, karamellisierte Äpfel und Birnen sorgen für die fruchtige Note genauso wie die Heidelbeercreme. Dazu passt der würzige Salbei. Beim Anschneiden des Knödels zeigt sich schließlich die flüssige Nougatfüllung – und ein wohliges Gefühl breitet sich aus. Diese Knödel sind wirklich eine runde Sache.
Mehr rund um den Knödel und Rezepte sind in der Ausgabe 01/2023 zu finden. Hier geht es zum Rezept für Rote-Bete-Knödel und süße Haselnussknödel und Double-Semmelknödelburger. Zudem verlosen wir 3 Bücher Knödellust.
Hans Bauer, Sandra Leitner
Knödellust
So schmeckt Glückseligkeit
In diesem Kochbuch mit rund 80 Rezepten dreht sich alles um den Knödel. Hans Bauer und Sandra Leitner haben dafür neue, kreative Rezepte rund um die Teigkugel kreiert. Zudem wurden altbewährte Klassiker neu interpretiert.
SüdOst Verlag, 2022, 184 Seiten, 24,90 Euro
Weitere Informationen: www.knoedellust.de
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