Im Sommer hat man am Chiemsee die Qual der Wahl: Eine Runde paddeln, baden oder doch lieber aufs Rad und um den See fahren? Oder die Region erkunden, die etwas abseits vom See liegt? Oder in die Chiemgauer Alpen?
Durch seine Artenvielfalt zählt das Gebiet am und um den Chiemsee zu den ökologisch wertvollsten in ganz Deutschland. In den Seen- und Moorlandschaften, die auf die letzte Eiszeit zurückgehen, finden zahlreiche bedrohte Arten noch ein Rückzugsgebiet. So sind etwa von den 310 Vogelarten, die es hier gibt, einige stark gefährdet, wie der Schwarzstorch, die Rohrweihe, der Gänsesäger oder die Bekassine. Neben diesen finden auch viele andernorts selten gewordene Säugetierarten, Amphibien und Fische einen Rückzugsort. Umso wichtiger ist es, dass Menschen die empfindlichen Lebensräume nicht stören. Wer auf dem Wasser unterwegs ist, sollte daher unbedingt die Ruhezonen beachten – andernfalls drohen saftige Bußgelder von bis zu 5000 Euro. Ganzjährig gesperrt sind unter anderem Uferzonen auf der östlichen Seite der Herreninsel, im Aiterbacher Winkel und im Mündungsgebiet der Tiroler Achen. Daneben gibt es Ruhezonen während der Brutzeit von Wasservögeln, etwa das Süd- und ein Teil des Westufers der Herreninsel, die dann gesperrt sind.
Wir paddeln weiter, steuern auf Prien zu, als plötzlich die Wolkendecke aufbricht. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, wir bekommen einen Eindruck davon, wie es an einem Sommertag sein muss. Die Strahlung auf dem Wasser sollte man nicht unterschätzen: Ich werde später einen Sonnenbrand auf den Unterarmen haben. Mein Mann hat als erfahrener Paddler schon vorsorglich Sonnenschutz aufgetragen. Wir drehen uns nach Felden um und haben nun einen atemberaubenden Blick auf die Chiemgauer Alpen mit Hochplatte und Kampenwand. Nicht alle Gipfel sind zu sehen, manche sind noch von Wolken verdeckt, aber es reicht, um die Lust auf eine Bergtour zu wecken. Kein Wunder, dass der Chiemsee so viele Outdoorfans anlockt.
„Wir haben halt von allem ein bisserl was“, sagt Christian Kaufmann, von dem wir uns die Kajaks ausgeliehen haben. Der Inhaber der Surfschule „Chiemsee Kaufmann“, der neben Surfboards auch Kajaks, SUP-Boards und Fahrräder verleiht und Minigolfanlagen unterhält, ist mit der Region von Geburt an verwachsen. „Ich könnte mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben“, sagt er. Seine Familiengeschichte ist auch eine Geschichte der touristischen Entwicklung des Chiemgaus, die Kaufmann gerne mit Anekdoten garniert. Aufgebaut hat den Betrieb Christian Kaufmanns Vater, der eigentlich Koch war. „Sein damaliger Chef hat gesagt: A gscheida Koch wird nie aus dir, mach liaba was anderes“, erzählt er lachend.
„Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen“ (Christian Kaufmann)
Surflehrer, ein absoluter Traumberuf – oder? Christian Kaufmann schmunzelt. „Es ist halt dann kein Hobby mehr, sondern ein Beruf“, wägt er ab. „Aber ich könnte mir nicht vorstellen, was anderes zu machen.“ Das glaubt man ihm sofort: Allein durch seine entspannte Ausstrahlung entspricht Kaufmann dem Surfer-Klischee, selbst wenn er an diesem regnerischen Vormittag nicht Shorts und Flipflops tragen würde. Ganz so entspannt ist sein Alltag aber nicht: „Einen Sonntag kenne ich nicht, bei uns geht es sieben Tage durch.“ Zusätzlich wurden früher im Frühling und im Herbst bis zu vier Minigolfanlagen gebaut. Um richtig Urlaub zu machen, fährt Christian Kaufmann dann schon mal weiter weg – jetzt gerade wäre Sardinien geplant gewesen, um das Geschäft hätten sich seine 27-jährige Tochter Irina und die Surflehrer Stefanie und Sebastian gekümmert. Doch die Pandemie kam dazwischen und legte weltweit den Tourismus lahm.
Stand-up-Paddling, abgekürzt SUP, ist seit einigen Jahren ein neuer Trend im Wassersport. Christian Kaufmann hat das Potential schnell erkannt und anfangs zwei Boards angeschafft. „Die Industrie vermarktet es recht clever: Feel like a surfer“, zitiert er. Ideal für Leute, die nicht erst Windsurfen lernen wollen. Denn „SUPpen“, wie Kaufmann und seine Tochter es nennen, lernt man schneller – wenn man es überhaupt richtig lernen will. „Die meisten verwenden das SUP-Brett als Badeinsel“, erzählt Tochter Irina. Ein paar Meter am Ufer entlang paddeln, hineinspringen, wieder rauf aufs Brett. „Manche nehmen ihre Kinder oder ihre Hunde mit.“ Für die fortgeschrittenen Gäste mit sportlicheren Ambitionen haben die Kaufmanns auch zwei Carbon-Bretter im Sortiment, die schmäler und damit schneller sind und sich – bei entsprechendem Können – auch für Touren um die Herreninsel eignen. „Da rührt sich was“, nennt das Christian Kaufmann.
Christian Kaufmann selbst radelt gerne mit dem „Bergradl“ ins Rottauer Tal. Rottau gehört heute zum Markt Grassau und liegt etwa drei Kilometer südlich des Chiemsees im Achental. Dort hat auf einer Alm sein Urgroßvater als Senner gearbeitet – bis er von einem Stier getötet wurde. „Heute steht dort ein schönes Marterl“, erzählt Kaufmann. Überhaupt, die Berge – den Ausblick von oben auf den Chiemsee sollte man auch nicht verpassen, egal ob von Kampenwand, Hochfelln oder – noch ein Tipp – von der Schnappenkirche am Schnappenberg. Es ist einfach schön an Deutschlands drittgrößtem See, und auch wenn die Pandemie noch manche Bereiche des Tourismus einschränkt, Christian Kaufmann weiß: Die Gäste kommen zurück.
Natur, Kultur und Kulinarik in der Region Chiemsee
Der Führer mit Traumtouren rund um den See
Von Josef Reiter
Das Buch enthält neben einem Überblick über
die Kulturgeschichte des Chiemsees einen sehr
ausführlichen Tourenteil mit einer Beschreibung
der unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten,
die man hier antreffen kann, sowie zahlreiche
Empfehlungen von Gaststätten, Fischereien
und Hofläden.
Chiemgauer Verlagshaus, 2019, 3. Auflage | 12,90 Euro
Weitere Informationen:
Radlverleih, Surfschule, SUP-Verleih, Kajakverleih und Minigolf „Chiemsee Kaufmann“, www.chiemsee-kaufmann.de, Tel. 08051/7777.
Infos zum Chiemsee und zahlreiche Tourenbeschreibungen gibt es auch bei Chiemgau Tourismus e.V., Tel. 0861/9590950, E-Mail: urlaub@chiemsee-chiemgau.info, www.chiemsee-chiemgau.info und bei Chiemsee-Alpenland Tourismus, Tel. 08051/965550, Email: info@chiemsee-alpenland.de, www.chiemsee-alpenland.de
Was man als Wassersportler auf dem Chiemsee beachten sollte:
– Wetteränderungen kommen schnell, daher sollten Wassersportler unbedingt auf die Signale der Sturmwarnleuchten achten: Blinken die Leuchten 45 Mal pro Minute, handelt es sich um eine Sturmvorwarnung und man sollte sich auf den Rückweg machen. Bei 90 Lichtblitzen pro Minute handelt es sich um eine Sturmwarnung, die bedeutet: Sofort vom Wasser gehen!
– Schwimmwesten sollten auch geübte Wassersportler beim Paddeln tragen.
– Sonnenschutz auch bei bedecktem Himmel nicht vergessen.
– Immer viel Abstand zu Dampfern halten.
– Naturschutzgebiete und Ruhezonen meiden.