So klappt der Einstieg: Manfred Scheuermann vom DAV erklärt, was man beim Schneeschuhwandern in alpinem Gelände beachten muss, um Gefahren zu vermeiden und die Natur zu schützen.
Herr Scheuermann, seit Jahren nimmt das Interesse am Schneeschuhwandern zu. Was ist der Reiz daran?
Manfred Scheuermann: Mit den Schneeschuhen kann man bei Schneelage bergwandern, auch wenn man kein Skitourengeher ist. Es ist sehr schön, die Winterlandschaft so zu erleben. Schneeschuhwandern ist sportliche Betätigung, das ist gesund und macht Spaß.
Schneeschuhwanderungen wirken oft erst einmal gemütlich und harmlos, doch gerade hier spielen Sicherheitsaspekte eine große Rolle. Auf welchen Grundlagen empfiehlt der DAV Schneeschuhrouten?
Bei der Darstellung von Schneeschuhrouten in die Alpenvereinskarten sind wir sehr defensiv vorgegangen. Es gibt nur eine Schwierigkeitskategorie, nicht zwei wie bei den Skirouten. Wir vermitteln sehr deutlich, dass Ski- und Schneeschuhrouten im ungesicherten alpinen Gelände verlaufen. Dort ist man auf eigenes Risiko unterwegs und muss auf die alpinen Gefahren, insbesondere die Lawinengefahr, selbst achten. Eine Haftung wird nicht übernommen. Dasselbe gilt für Vorschläge im Tourenportal alpenvereinaktiv.com. Ski- und Schneeschuhrouten sind keine von den örtlichen Lawinenkommissionen freigegebenen Winterwanderwege.
Viele Schneeschuhwanderer wollen unberührte Natur fernab touristischer Hotspots erleben. Geht das überhaupt noch?
Vor allem am Nordrand der Alpen gibt es Orte, die besonders beliebt sind. Sie sind gut erreichbar und viele kennen sie. Beispiele sind der Spitzingsee, das Sudelfeld oder der Eibsee nahe Garmisch Partenkirchen. Oft genügt es, eine Haltestelle früher oder später aus dem Bus oder dem Zug auszusteigen oder mit dem Auto in ein Tal weiter zu fahren, dort kann es schon viel ruhiger sein. Wer mehrere Tage an einem Ort verweilt, wird weniger bekannte und damit weniger frequentierte Routen finden.
Die DAV-Kampagne „Natürlich auf Tour“ weist auf den Schutz der Wildtiere hin. Was hat es damit auf sich?
Wer Schneeschuhtouren zum Beispiel in den Bayerischen Alpen unternimmt, ist immer auch im Lebensraum störempfindlicher Tierarten unterwegs. Zu nennen sind vor allem die Raufußhühnerarten Auer-, Hasel-, Birk- und Alpenschneehuhn, aber auch Schalenwild wie Gams, Reh und Hirsch oder der nachtaktive Schneehase. Diese Tiere sind an die harten Bedingungen des Winters in den Bergen angepasst, Störungen können fatale Folgen haben. Flüchtende Tiere verbrauchen viel Energie, die sie nur schwer wieder ersetzen können. Werden zum Beispiel Birkhühner häufig aufgeschreckt, kann das ihren Tod bedeuten. Raufußhühner stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Daher ist es sehr wichtig, dass sich Schneeschuhwanderer an die Regeln halten, Wald-Wild- Schongebiete oder Wildschutzgebiete konsequent meiden und Routenempfehlungen beachten. Manche Routenabschnitte, die durch sensible Zonen führen, sind mit grünen Schildern gekennzeichnet. An vielen Ausgangspunkten von Ski- und Schneeschuhtouren stehen Informationstafeln mit entsprechenden Hinweisen.
Wie kann man sich über diese Gebiete, die man nicht betreten sollte, informieren?
Im Rahmen unser Initiative „Skibergsteigen umweltfreundlich“ haben wir für die gesamten Bayerischen Alpen inzwischen rund 330 Wald-Wild-Schongebiete ausgewiesen. Das sind besonders empfindliche Bereiche im Umfeld der üblichen Ski- und Schneeschuhrouten. Wir appellieren auf Basis der Freiwilligkeit, diese Gebiete im Winter nicht zu betreten oder zu befahren. Sie sind in den DAV-Karten abgebildet, in Tourenportalen wie alpenvereinakiv.com hinterlegt und auf den Informationstafeln an den Ausgangspunkten ersichtlich. An manchen Stellen informieren auch Stopp-Tafeln über die Grenze eines Wald-Wild-Schongebiets.
Können Sie feststellen, ob diese Maßnahmen greifen?
Seit Jahren stellen wir eine flächendeckende Gebietsbetreuung sicher, das heißt, es sind über den ganzen Winter Menschen zum Beispiel aus den DAV-Sektionen unterwegs. Diese beobachten, ob die Regeln eingehalten werden oder nicht. Zunehmend sind auch hauptamtliche Ranger und Gebietsbetreuer beauftragt, die die Wintersportler informieren und sensibilisieren, aber auch die Einhaltung der Regeln überprüfen. So werden zum Beispiel der Nationalpark Berchtesgaden oder der Naturpark Nagelfluhkette im Oberallgäu bestens betreut. Je besser die Betreuung, umso seltener kommt es zu Konflikten. Doch leider gibt es dennoch immer wieder Personen, die, obwohl sie es wissen, sensible Bereiche durchqueren, das ist sehr ärgerlich. Betreten sie behördlich ausgewiesene Wildschutzgebiete, kann das erhebliche Geldstrafen zur Folge haben.
Was sollte man als Einsteiger beim Schneeschuhwandern beachten?
Unerfahrene sollten sich zunächst einer geführten Gruppe anschließen. Dabei lernt man bereits einiges über alpine Gefahren und Naturschutz, die richtige Gehtechnik oder die passende Ausrüstung. Anbieter sind zum Beispiel die DAV-Sektionen, Bergführer oder der DAV Summit-Club. Wenn man genug Erfahrung hat und die alpinen Gefahren selbst einschätzen kann, kann man auch eigenständig Touren unternehmen. Wichtig ist dabei auch die Frage, wo will ich unterwegs sein? Etwa im Mittelgebirge oder in den Alpen? Je nach ausgewählter Tour gibt es unterschiedliche Anforderungen. Bei Kleidung und Ausrüstung sollte man sich zuerst gut beraten lassen, was am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt. Will ich sportlich unterwegs sein oder gemütlich laufen, habe ich alpine Bergtouren vor oder bevorzuge ich Wanderungen in Talbereichen?
Welche Gefahren drohen beim Schneeschuhgehen?
Je nach Gelände sind alle alpinen Gefahren zu berücksichtigen. Die Lawinengefahr, Gefahren durch Wetterstürze, dichten Nebel, Sturm, große Kälte etc. Diese Gefahren muss man richtig einschätzen können, kann man das nicht, sollte man sich einer geführten Gruppe anschließen. Gefährlich kann es auch dann werden, wenn Wanderwege, die man vielleicht vom Sommer kennt, unter Schnee liegen. Verläuft der Weg durch einen steilen Hang, kann man auf dem oft harten Schnee abrutschen und abstürzen. Auch die kürzeren Tage im Winter sollte man bei der Tourenplanung im Blick haben, schließlich muss man beim Schneeschuhwandern auch wieder zurücklaufen, man hat keine Skier für die Abfahrt wie Skitourengeher.
Was macht man bei Orientierungsproblemen?
Wenn man gut vorbereitet ist, kommt es eher selten zu Orientierungsproblemen. GPS und Handy helfen bei der Orientierung, doch darauf darf man sich keinesfalls verlassen; sonst bekommt man beim Ausfall der Technik unter Umständen große Probleme. Eine gute Karte ist nach wie vor unerlässlich, auch Kompass und Höhenmesser können bei der Orientierung helfen. Auch sollte man den natürlichen Orientierungssinn schulen, das funktioniert sicher nicht, wenn man ständig auf das Handy schaut.
Wo erhält man Informationen über die Lawinengefahr?
Wichtig ist der aktuelle Lawinenlagebericht. Diesen muss man genau lesen, es genügt nicht, nur die Warnstufe zu berücksichtigen. Weitere Hilfen bietet die Snow-Card. Allerdings gehört viel Fachwissen und Erfahrung dazu, um anhand des Lawinenlageberichtes und der Snow-Card eine Tourenplanung vorzunehmen. Fachwissen und Erfahrung kann man sich aneignen. Hat man nicht genug, sollte man sich einer geführten Gruppe anschließen. Wichtig bei Touren im alpinen Gelände ist auch die Notfallausrüstung: Lawinenverschütteten-Suchgerät, Sonde und Schaufel. Damit umzugehen, muss ständig trainiert werden.
Was gehört zu den häufigsten Fehlern, die passieren?
Die eignen Fähigkeiten und Kenntnisse falsch einzuschätzen, dürfte zu den häufigsten Fehlern gehören. Oft wird die eigene Kondition in Verbindung mit der Tourenlänge oder den Schneeverhältnissen nicht richtig eingeschätzt. Durch tiefen Neuschnee stapfen, ist auch mit Schneeschuhen anstrengend. Manche sind nicht richtig ausgerüstet oder können mit der Ausrüstung nicht richtig umgehen. Warme Kleidung, ein heißes Getränk, Wechselwäsche, wenn man sportlich unterwegs ist, dürfen im Rucksack nicht fehlen. Und immer sollte das winterliche Gebirge mit viel Vorsicht angegangen werden.
Informationen über Wildschutzgebiete und Wald-Wild-Schongebiete findet man in den Alpenvereinskarten, in den Tourenportalen und im Gelände an den Ausgangspunkten (Informationstafel). An bestimmten Stellen stehen am Rand von Wald-Wild Schongebieten auch Stopp-Schilder.
Ein paar Schneeschuhtouren gibt es hier. Weitere Informationen finden Sie in der Ausgabe 01/2022.
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