Erkundungstour im Geopark Ries

Foto: Stefanie Fuchsbichler

Steil ragen die Felswände des ehemaligen Kalksteinbruchs im Erlebnis-Geotop Am Lindle empor. Hier, am südwestlichen Rand des Rieskraters, befindet man sich in einem Gebiet, in dem riesige Gesteinsschollen, sogenannte Megablöcke, nach dem Meteoriteneinschlag zum Krater hin abgerutscht sind. 

 

An den freigelegten Felswänden einer verkippten Malmkalkscholle lassen sich die Auswirkungen der ungeheuren Gewalt des Einschlags ablesen: Mancherorts zerbrach das Gestein in kleine Stücke, andernorts wurde es regelrecht zu Gries zertrümmert. Dazwischen sieht man große Kalkbänke, die durch die Energie der Stoßwelle abgerutscht sind. 13 Schautafeln entlang eines 3,3 Kilometer langen Lehrpfades erläutern, was man an den Steinen ablesen kann.

 

Das Erlebnis-Geotop Lindle nahe Holheim gehört zum Geopark Ries – 2006 wurde er als erster Nationaler Geopark in Bayern zertifiziert. Zum größten Teil liegt er in Bayerisch Schwaben, weitere Teile liegen in Mittelfranken und Baden-Württemberg. Der Park bringt Einheimischen und Touristen das geologische Erbe Bayerns näher und fördert außerdem die Wissenschaft und eine nachhaltige Entwicklung der Region. „Der Geopark ist ein Netzwerk“, sagt Geschäftsführerin Heike Burkhardt: „Bei uns laufen die Fäden zusammen und wir unterstützen alle, die sich hier engagieren.“ Dazu gehört auch die Einrichtung von Erlebnis-Geotopen. Sechs sind es derzeit im Geopark Ries, die man auch in Führungen erleben kann. Wem die Lehrpfade zu kursind, der kann auch Wanderungen zu den
geologischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten unternehmen. 

Kalkbänke rutschten durch den Meteoriteneinschlag ab, anderes Gestein wurde völlig zertrümmert, wie man im Steinbruch des Geotops Lindle gut erkennen kann. Foto: Stefanie Fuchsbichler

So führt von Nördlingen aus der 19 Kilometer lange „Schäferweg“ unter anderem zum Steinbruch Altenbürg, zu den Ofnethöhlen und zum Adlersberg mit Ablagerungen aus dem einstigen Riessee. Der Steinbruch im Erlebnis-Geotop Lindle ist bei unserem Besuch Anfang März gerade „aufgeräumt“ worden. „Ich kann mich gar nicht erinnern, dass es hier schon mal so ausgeputzt war“, stellt Heike Burkhardt fest. Die geologischen Besonderheiten sind gut zu erkennen. Damit sie nicht überwuchert werden, kommen hier – wie an den Riesrändern üblich – regelmäßig Schafe und Ziegen zum Einsatz, die als „Rasenmäher“ fungieren, wodurch seltene Pflanzen des Trockenrasens eine Chance bekommen. Außerdem gibt es im Geotop Lindle flache Tümpel, die durch Regenwasser gefüllt werden und zahlreichen Tierarten, darunter Unken, Kröten und Molchen, als Lebensraum dienen.

Heike Burkhardt ist die Geschäftsführerin des Geopark Ries. Foto: Stefanie Fuchsbichler
Im Erlebnis-Geotop Lindle dürfen Besucher auch Feuerstein aus Felsen am Boden klopfen. Foto: Stefanie Fuchsbichler

Auch der Mensch fand im Ries schon früh ideale Lebensbedingungen. „Es war geschützt, es gab fruchtbare Böden, ein günstiges Mikroklima und genug Wasser“, sagt Heike Burkhardt. Das Nördlinger Ries war daher schon in der Altsteinzeit besiedelt. „Das älteste Artefakt aus dem Ries – zugleich das älteste Schwabens – ist ein Faustkeil, der rund 130000 Jahre alt ist.“ Ganze Werkzeugdeponien habe man gefunden. „Der Neandertaler hatte eine sehr hohe Fertigkeit – und er hat Handel getrieben, vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee“, erzählt die Geopark-Geschäftsführerin. Auch beim Werkzeug kamen den Menschen die geologischen Gegebenheiten gelegen: Aus Kieselschwämmen, die vor 125 Millionen Jahren im damaligen Jurameer gelebt hatten, wurden Kieselknollen im Gestein – auch bekannt als Feuerstein. Noch ein „Standortvorteil“ für die frühen Menschen, die hier lebten. Heute dürfen Besucher im Steinbruch des Erlebnis-Geotops Lindle Feuerstein aus kleineren, dafür vorgesehenen Felsblöcken klopfen, die am Boden liegen.

Bei den Ofnethöhlen südlich von Nördlingen fand man „Schädelnester“, zahlreiche Menschenschädel aus der Mittelsteinzeit, die dort rituell bestattet worden waren. Die ersten bäuerlichen Siedler der Jungsteinzeit profitierten vom Löss, der vom Wind herangeweht worden war. „Später versorgten die Römer von hier aus ihre Limes-Legionen“, erzählt Heike Burkhardt. „Und auch heute noch gilt das Ries als Kornkammer Bayerns.“ Der Rieskrater war auch beliebt bei späteren Feldherren, die von den wenigen Anhöhen aus einen weiten Blick über die Ebene hatten. Zu den berühmtesten Gefechten, die hier stattfanden, gehört die Schlacht auf dem Albuch von 1634 während des Dreißigjährigen Krieges, bei der das kaiserlich-katholische Heer das schwedisch-protestantische besiegte. Auf dem 25 Kilometer langen „Schwedenweg“ kann man dem Marsch des schwedischen Heeres folgen und sich dabei über die geschichtlichen Zusammenhänge informieren. 

 

Auch im Erlebnis-Geotop Lindle kann man weit in die Ferne schauen: Auf der Aussichtsplattform öffnet sich nicht nur der Blick über den Steinbruch, sondern auch in das Kraterbecken und auf die Nördlinger Stadtsilhouette. Gegen Ende des Lehrpfads erreicht man schließlich einen Aussichtsturm, von dem aus man den ehemaligen Steinbruch Siegling überblickt. Hier trainierten NASA-Astronauten 1970 und 1973 für Apollo-Missionen.

Infos: Der Geopark Ries stellt Informationen zu Wander- und Radwegen, Führungen und geschichtlichen wie geologischen Besonderheiten des Nördlinger Ries online und als Broschüren zur Verfügung.

 

Tipp: An den Infozentren in Nördlingen, Treuchtlingen, Oettingen und Wemding zeigt die interaktive Animation „Uhr der Erdgeschichte“ die Entwicklung der Kontinente auf der Erde. Außerdem wird der Meteoriteneinschlag in einem Animationsfilm anschaulich dargestellt.

 

Weitere Infos: www.geopark-ries.de

BUCHTIPP

Nationaler Geopark Ries – Landschaft. Geschichte. Kultur. 

Von Martin Kluger

 

Dieser umfangreiche Reiseführer stellt die geologischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten im Geopark Ries vor, der teils im bayerischen Schwaben, teils in Mittelfranken und teils in Württemberg liegt. Historische Ereignisse, Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster werden ebenso beschrieben wie spannende Geotope mit Lehrpfaden und Aussichtspunkten, Tipps für Touristen weisen auf Veranstaltungen und Infozentren hin. In seiner kompakten Form ein idealer Begleiter für Ausflüge ins Ries.

 

Context Verlag, 2019 | 16,90 Euro

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Matthias Jell

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