Nördlinger Ries: Wo sich Himmel und Erde trafen

Einblicke ins Nördlinger Ries. Foto: www.bayern.by / Tobias Gerber

Es dauerte nur wenige Minuten, dann war alles Leben im Umkreis von 100 Kilometern ausgelöscht: Ein Meteoriteneinschlag formte das Nördlinger Ries – eine weltweit einzigartige Kraterlandschaft in Bayerisch-Schwaben, in der bis heute Astronauten trainieren und Forschungen betrieben werden. Auch für Touristen hat das Ries einiges zu bieten: So können sich Besucher im RiesKraterMuseum über den Einschlag informieren, im Geopark Ries eine Reise in die Erdgeschichte unternehmen und malerische Städte wie Nördlingen besuchen.

Als am 18. Februar die NASA-Sonde mit dem Erkundungsfahrzeug „Perseverance“ auf dem Mars landete, fieberten Millionen Menschen auf der ganzen Welt mit. Einer davon war der Geologe Professor Dr. Stefan Hölzl. Der Direktor des RiesKrater Museums in Nördlingen weiß, welche Chancen die Erforschung des Mars bietet: Hier könnte man Spuren früheren Lebens finden. „Nicht kleine, grüne Männchen, sondern einfache Lebensformen wie Bakterien oder Algen“, sagt Hölzl. Denn die notwendigen Voraussetzungen dafür sind überall dieselben, aber man muss wissen, wo man suchen soll. „Gut sind Gewässer mit hohem pH-Wert“, erklärt der Geologe. Selbst wenn ein See längst ausgetrocknet ist, kann man dies und Schlüsselelemente wie Stickstoff noch feststellen. „Auf dem Mars sucht man daher in einem ausgetrockneten Kratersee – im Prinzip das Gleiche, was wir hier im Ries haben.“ Deshalb ließ die NASA im Vorfeld der Marsmission Bohrkerne aus dem Rieskrater untersuchen. Die Daten flossen in die Programmierung des Mars-Rovers mit ein.

Weltruhm für die Region zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb

 

Dass die idyllische Region zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb einmal zu Weltruhm gelangen würde, daran hat im Landkreis Donau-Ries vor 1960 wohl niemand gedacht. Doch dann geschah etwas, das nicht nur die Geologie, sondern auch die Bedeutung des Kraters für immer veränderte: Lange war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass der Krater, der rund 25 Kilometer Durchmesser hat, aus einem Vulkan entstanden sei. „Man wusste, da war einmal ein See, weil man Ablagerungen gefunden hatte“, erzählt Stefan Hölzl. „Das Gestein sah in vielerlei Hinsicht aus wie bei einem Vulkanausbruch.“ Heute kann man im Steinbruch Altenbürg noch sehen, was zu der Annahme verleitet hat: „Da hat man Kalksteine links und rechts, und dazwischen steckt ein Durcheinander von allem Möglichen: aufgeschmolzenes Material, Bruchstücke von tief unten, also einfach Chaos.“ Dieses „Chaos“ in der Mitte hielt man für vulkanisches Material.

1960 kamen zwei Amerikaner nach Nördlingen: Der Geologe Eugene Shoemaker war mit seinem Kollegen Edward Chao auf der Suche nach Kratern, die durch Meteoriten entstanden waren. In den USA hatten sie schon einen gefunden: Der Barringer-Krater in der Wüste Arizonas wies bestimmte Minerale auf, die nur durch sehr hohe Temperaturen und einen sehr hohen Druck entstehen. Dass der Barringer-Krater kein Einzelfall sein konnte, davon war Shoemaker überzeugt – die Schwierigkeit bestand darin, einen weiteren zu entdecken, der ebenso leicht zugänglich war.

Riesenkrater durch Meteoriteneinschlag

 

Fündig wurde Eugene Shoemaker in Bayern. „Der Legende nach nahm er einfach eine Probe von der Nördlinger Kirche St. Georg und dem Kirchturm“, erzählt Professor Stefan Hölzl. „Denn beide wurden aus Suevit gebaut.“ Im sogenannten „Schwabenstein“ fanden die Amerikaner zwei Hochdruckminerale, die sie selbst erstmals im Barringer-Krater entdeckt hatten. Eine Analyse bestätigte ihre These: Der Rieskrater war durch einen Impakt, einen Meteoriteneinschlag, entstanden – ein Schock für die alteingesessenen Geologen und eine Sensation für die Wissenschaft und das Nördlinger Ries. Für die Vorbereitung der Apollo-Mondmissionen wurde der schwäbische Krater zum wichtigen Forschungsort.

Heute gilt der Rieskrater als der besterforschte Impakt-Krater weltweit. Die NASA und die europäischen Raumfahrtagentur ESA kommen regelmäßig nach Nördlingen. Zuletzt waren 2018 ESA Astronauten im Ries. Sie bezogen Räume im Zentrum für Rieskrater- und Impaktforschung Nördlingen (ZERIN) neben dem RiesKraterMuseum und trainierten im Gelände. Das ZERIN beherbergt unter anderem ein Bohrkernlager sowie ein Labor zur Isotopenanalyse. Auf einem Tisch steht als Erinnerung an einen Besuch der ESA von 2017 ein gerahmtes Gruppenbild mit grün gekleideten Menschen – darunter die Astronauten Samantha Cristoforetti und Matthias Maurer. 2018 waren die Astronauten Thomas Reiter und Sergei Kud-Swertschkow zu Besuch: „Sie blieben etwa eine Woche und bekamen einen Crashkurs in Geologie und Planetologie“, sagt Hölzl. „Das war eine tolle, tolle Sache.“ In diesem Jahr soll die ESA wieder ins Ries kommen – wann genau, ist natürlich geheim.

Angriff aus dem All

 

Alles begann mit einer gigantischen Katastrophe: Vor rund 15 Millionen Jahren nähert sich ein Meteorit der Erde, der etwa 1000 Meter Durchmesser hat. Im heutigen Landkreis Donau-Ries schlägt er ein. Bereits vor dem Aufprall schmilzt durch die Druckwelle Gestein der vermutlich wasserreichen Erdoberfläche, wird in die Atmosphäre geschleudert, erstarrt zu Glas und fliegt dann bis zu 450 Kilometer weit. Heute findet man diese Tektite unter anderem in Böhmen, Mähren und der Lausitz.

 

Doch damit war es noch nicht vorbei: Durch den Aufprall bohrt sich der Meteorit tief in die Erdoberfläche, wird stark komprimiert und explodiert dann mit der Sprengkraft von mehreren 100000 Hiroshima-Atombomben. Eine Glutwolke mit geschmolzenem und zerbrochenem Gestein schießt rund 100 Kilometer in die Höhe. Nur zehn Sekunden nach dem Aufprall ist ein mehr als vier Kilometer tiefer Krater mit einem Durchmesser von rund 12 Kilometern entstanden. Aus den unteren Erdschichten wird Gestein nach oben befördert, der steile Kraterrand und die Glutwolke kollabieren. Das aus der Explosion hervorgegangene Gestein lagert sich über der zerstörten Landschaft ab. Alles Leben im Umkreis von 100 Kilometern ist mit einem Schlag ausgelöscht worden, die Landschaft und der Lauf der Flüsse haben sich für immer verändert.

Eine Erkundungstour durch den Geopark Ries ist eine Wanderung durch die (Erd-)Geschichte. Mehr zum Nördlinger Ries gibt es in der Ausgabe 02/2021.

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Matthias Jell

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