Schätze der Urzeit im Dinosaurier-Park Altmühltal

So sieht ein sensationeller Fund aus: Das Grabungsteam um Raimund Albersdörfer fand 2011 im niederbayerischen Painten das größte Plattenkalkfossil der Welt, einen mehr als fünf Meter langen Dakosaurus. In voller Größe kann man das Krokodil in unserer Bildergalerie bestaunen. (Foto: Dinosaurier-Museum Altmühltal/Raimund Albersdörfer)

In Painten im Altmühltal wurden in den vergangenen Jahren spektakuläre Fossilien gefunden, die über das Leben vor 150 Millionen Jahren neue Erkenntnisse liefern. Einige Funde sind weltweit einmalig und zeigen: Es gibt noch viel zu erforschen. Im Frühsommer werden die Fossilien erstmals öffentlich im Dinosaurier-Park Altmühltal in Denkendorf ausgestellt.

Es ist nur 23 Zentimeter lang und doch einzigartig: das schmale Baby- Krokodil liegt mit ausgestreckten Hinterbeinchen im Gestein, aus seinem Mäulchen stehen winzige Zähne wie Nadelspitzen hervor. Ein rührender Anblick, auch wenn das Jungtier zu Lebzeiten bereits ein Räuber war. Für Paläontologen aber ist der Fund aus Painten eine Sensation.
Im Zeitalter des Jura lag Europa in einem flachen, subtropischen Meer, das durchsetzt war mit Inseln. In der Mitte Bayerns, wo heute das Altmühltal liegt, war das Meer von Riffen durchzogen, die ruhige Lagunen bildeten. An diesen Riffen tobte das Leben: Fische, Reptilien, Krebse, Quallen, Seeigel und Seesterne bevölkerten das Wasser. Doch in der Tiefe, am Grund der Lagune, wartete der Tod: Hier enthielt das Wasser kaum Sauerstoff, es wagten sich nicht einmal Muscheln und Krebse an diesen Ort. Was hier ankam, war bereits tot oder dem Tode nahe.
Doch die lebensfeindliche Umgebung hatte auch einen Vorteil: Sie verwandelte alles, was hier starb, in einen Schatz. Denn die Körper der Tiere wurden nicht gefressen. Schicht für Schicht lagerte sich im Laufe der Zeit feiner Kalkschlamm auf ihnen ab und konservierte aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit sogar die Haut von Flossen oder die Antennen von Garnelen. Die Versteinerungen erzählen Geschichten über die Lebensbedingungen und Anpassungen der Tierwelt dieser Zeit.

Auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit

 

150 Millionen Jahre später baut ein Kalkwerk in Painten Gestein ab. Der Ort liegt 30 Kilometer von Regensburg entfernt im niederbayerischen Landkreis Kelheim, geologisch wird seine Umgebung als „Paintener Wanne“ bezeichnet. Steilhänge begrenzen den Steinbruch, nahe dem Boden sind im Hang Schichten des hellen Plattenkalks auszumachen. Seit fast 20 Jahren gräbt hier auch der Fossiliensammler Raimund Albersdörfer mit seinem fünfköpfigen Team nach den Spuren der Vergangenheit.

Eine mühselige Arbeit: „Sie müssen jedes Stück in die Hand nehmen und ganz genau gucken, ob da etwas ist oder nicht“, erzählt der Paläontologe. „Und wenn man was gefunden hat, ist es damit ja nicht vorbei: Dann muss das Stück transportiert, präpariert, katalogisiert werden.“ Alleine die Präparation dauert bei besonderen Fossilien mehrere hundert Stunden.
Universitäten können die langwierigen paläontologische Grabungen nicht durchführen, sie werden häufig durch Privatsammler wie Raimund Albersdörfer finanziert, der auch mit den begehrten Fossilien handelt. „Ein gutes Fossil verkaufe ich nur an Leute, bei denen es gut aufgehoben ist – also an Museen oder ernsthafte Sammler. Sonst mache ich es nicht.“ Und dass es in Painten besondere Fossilien gibt, sei kein Geheimnis: „Ich wusste schon als Student: In Painten gibt es wahnsinnige Sachen“, sagt Albersdörfer.
Wahnsinnige Sachen – wie das Baby-Krokodil, das Albersdörfers Grabungsmannschaft im vergangenen Jahr gefunden hat. Das kleine Fossil liegt jetzt auf dem Schreibtisch von Dr. Frederik Spindler. Der wissenschaftliche Leiter des Dinosaurier-Museums Altmühltal bei Denkendorf ist begeistert. Denn der kleine Dakosaurier, wie das ausgestorbene Meereskrokodil offiziell heißt, ist das erste Jungtier dieser Art, das man als Fossil gefunden hat. Womöglich kann es auch einen schon lange währenden Streit in der Wissenschaft beenden. Legten die Dakosaurier wie ihre heute noch lebenden Verwandten Eier an Land oder gebaren sie lebendige Junge im Wasser? Für beide Annahmen gab es „gute Argumente“, wie Spindler sagt. „Das sehen wir hier eindeutig: Dieses Baby hat keine Arme, es ist also nicht in der Lage, wie eine Schildkröte über den Strand zu robben, um ins Wasser zu kommen.“
Nur 23 Zentimeter lang, aber schon ein Raubtier: Nadeldünne Zähnchen stehen aus dem Maul des Jungtiers, mit dem erstmals belegt werden konnte, dass diese Spezies ihren Nachwuchs im Meer zur Welt brachte. (Foto: Dinosaurier-Museum Altmühltal/Raimund Albersdörfer)

Von Fischen bis zu Flugsauriern

 

Und es gibt noch mehr Schätze im Original zu sehen, darunter verschiedene Fische, Schildkröten, Echsen, Seeigel, Krebse und Flugsaurier. Manche geben Aufschluss über die Evolution, andere geben Rätsel auf, wie die rund 75 Zentimeter große Schildkröte mit ihrem hakenförmigen Unterkiefer, die noch keiner bekannten Schildkrötenart zuzuordnen ist. Um das Geheimnis der „Killerschildkröte“ zu lüften, arbeiten Experten weltweit zusammen. Es wäre nicht die einzige neue Gattung, die man in Painten fand: Schon 2012 grub das Team um Albersdörfer die Überreste eines jungen Raubsauriers aus. Die Wissenschaft hat ihn aufgrund seines buschigen Schwanzes „Sciurumimus“ („Eichhörnchen-Nachahmer“) genannt. Als ausgewachsener Raubsaurier – ein solches Fossil wurde noch nicht gefunden – hätte er alle Niedlichkeit verloren. Das Fossil ist heute im Museum Solnhofen ausgestellt, ein Abguss wird in der Ausstellung gezeigt.

Paläontologe Raimund Albersdörfer und Dr. Frederik Spindler, der wissenschaftliche Leiter des Dinoparks Altmühl, mit einem jugendlichen Dino-Fan. (Foto: Franziska Meinhardt)
Um ein weiteres fossiles Prachtexemplar zu sehen, machen wir uns auf den Weg in Richtung Nürnberg zu Jürgen Geppert. In einer Werkshalle liegt ein dreieinhalb Meter langer Ichthyosaurier auf dem Boden, noch in vier Bruchstücke zerteilt. Dieses Reptil, das in seiner Form einem Delfin ähnelte, hatte sich von einer landlebenden Echse zum Fischsaurier entwickelt. Charakteristisch die schmale, lange Schnauze und die riesigen Augen, die mit ihrer Knochenplatte perfekt an ein Leben im tiefen Wasser angepasst waren: „Sie waren sehr schnelle Schwimmer, konnten tief tauchen und auch bei wenig Licht noch mehr wahrnehmen als andere Tiere“, erklärt Frederik Spindler. Auch dieser Fund – der drittgrößte in Painten – ist herausragend: „Im gesamten süddeutschen Plattenkalk gibt es keinen ähnlichen Fund von Ichthyosauriern“, sagt Raimund Albersdörfer. Die meisten seien schlechter oder nicht vollständig erhalten.
Für die Präparation des 152 Millionen Jahre alten Fossils hat Jürgen Geppert zusammen mit einem Kollegen ein halbes Jahr gebraucht. Auch Geppert ist ein Profi, der einen lohnenswerten Fund schnell erkennt. In seinem Büro bearbeitet Geppert die Fossilien mit einem Fräser – unter genauer Beobachtung durch ein Binocularmikroskop, damit ihm auch kleinste Details nicht entgehen.
Eine Arbeit, die viel Konzentration erfordert: „Meist sind es drei oder vier Stunden, wenn man da acht Stunden durchschauen würde, wäre das eine harte Nummer“, sagt Geppert und lacht. Forschungsbedarf gibt es bei dem Ichthyosaurier auch noch: Vor seinem Tod hatte er nämlich eine Mahlzeit. „Der Magen muss noch untersucht werden“, sagt Albersdörfer.

Der Dakosaurus

 

Dann geht es weiter, zum größten Fossil, das in Painten bislang gefunden wurde: Ein ausgewachsener Dakosaurus – einer der Höhepunkte der Ausstellung im Dinosaurier-Museum. Mit seinen fünf Metern sechzig wirkt das Meereskrokodil auch in versteinertem Zustand bedrohlich. Gut vorstellbar, wie er zu Lebzeiten Beute fing: Die Zähne stehen spitz aus seinem Maul, in den auffällig großen Schläfenöffnungen sorgten Muskeln für einen ungeheuren Kieferdruck, der die Beute festhielt. „Sagenhaft, wie heftig die zubeißen konnten“, sagt Frederik Spindler. Es gibt noch mehr Besonderheiten: „Die Augen schauen zur Seite“, erklärt Spindler, „bei heutigen Krokodilen schauen sie nach oben.“ Auch Salzdrüsen hatte das Tier, weil es kein Süßwasser trinken konnte. Was aber die Anpassung an ein Leben im Meer perfekt machte, war die Haut: Anders als die heutigen Krokodile hatte der Dakosaurier aus Painten keinen Knochenpanzer. „Der Hauttyp ist etwas Neues, das muss noch untersucht werden.“ Ein ungeheurer Glücksfall, dass das Krokodil vollständig erhalten blieb – wie die anderen Funde wird es ein noch genaueres Bild vom Leben im Jurameer liefern.

Dieser Artikel stammt aus dem Archiv der Ausgabe 03/2019 von Bayerns Bestes. Unter folgendem Link finden Sie die aktuelle Ausgabe 02/2022 von Bayerns Bestes.

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