Anton Palzer und seine Berge – das ist eine besondere Liebe. Der 27-jährige Ramsauer ist Skibergsteiger und Bergläufer. Im vergangenen Jahr hat er einen neuen Rekord in der Watzmann- Überschreitung aufgestellt. Ein Gespräch über Skitouren, sein hohes Trainingspensum und die Angst in ihm.
Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht. Gibt es viele Tage, an denen Sie nicht auf dem Berg sind?
ANTON PALZER: Ja klar. Als Profisportler kann man nicht 24/7 trainieren. Man muss gewisse Ruhezeiten einhalten. Durch den Sport bin ich selten zu Hause, da nutze ich die Zeit umso mehr mit meiner Familie und meiner Freundin.
Das Skitourengehen hat in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Sie sind Skibergsteiger. Wie unterscheiden sich die Sportarten?
PALZER: Das Skibergsteigen ist die Rennversion vom Skitourengehen. Seit 20 Jahren finden hier Welt- und Europameisterschaften statt. Der größte Unterschied ist das Material. Wir sind deutlich leichter unterwegs. Der Schuh eines Hobbysportlers wiegt so um die 1 bis 1,5 Kilogramm, unsere Schuhe wiegen dagegen nur 500 Gramm. Bei den Skiern ist es ähnlich.
Ist das Skibergsteigen eine Nische?
PALZER: Nein. So wie die Sportart im Breitensport boomt, boomt sie auch im Spitzensport. Im Weltcup sind die Startplätze begrenzt, aber bei anderen Wettkämpfen treten viele Sportler an. Anders als Biathlon kann diese Sportart fast jeder ausüben. Man braucht nicht mal unbedingt Schnee. Im Sommer kann man Stockläufe machen oder Bergrollern gehen.
„Ich mache 500.000 Höhenmeter im Jahr“
Seit 2013 sind Sie Sportsoldat, Profisportler und Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft im Skibergsteigen. Wie viel Blut und Schweiß hat der Weg dahin gekostet?
PALZER: Ah, viel. (lacht) Ich trainiere im Schnitt 1.000 Stunden im Jahr und mache 500.000 Höhenmeter. Im Winter 300.000 auf den Skiern, im Sommer beim Radfahren und Laufen 200.000. Das ist schon viel. Ich bin ein Mensch, der viele Trainingsstunden verträgt. Es gibt auch Leute, die trainieren weniger und kommen sehr gut in Form. Durch diese Belastung bin ich aber auch schon knapp an einer Herzmuskelentzündung vorbeigeschrammt. Bis 24 lief alles wie von selbst, aber seither bringt der Sport viel harte Arbeit mit sich. Gesundheitliche Rückschläge gibt es immer wieder.
Gab es gefährliche Situationen im Training oder im Wettkampf?
PALZER: Vor einigen Jahren ging im Pitztal mal eine Lawine ab. Aber ich war nicht in unmittelbarer Gefahr. Wenn ich mir aber das Video von meiner Watzmann-Überschreitung anschaue, ist das schon hart. Wenn du da einmal stolperst, sind die Chancen zu überleben sehr gering. Die Gefahr im Bergsport kommt plötzlich: Eine Lawine geht ab oder sie geht nicht ab. Ein Steinschlag kommt oder er kommt nicht. Ich stolpere oder ich stolpere nicht. Der Berg verzeiht nichts. Dessen sollte sich jeder Bergsportler immer bewusst sein.
„Meine Grenze ist erreicht, wenn ich Angst bekomme“
Ihr Motto: „Je steiler, desto besser“. Hat ein Toni Palzer auch Grenzen und sagt: „Das mache ich nicht. Da ist mir das Risiko zu hoch“?
PALZER: Ja, meine Grenze ist erreicht, wenn ich Angst bekomme. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, in meinen Körper hineinzuhören. Wenn ich in einen Hang hineingehe und die Lawinensituation nicht einschätzen kann, drehe ich um und sage mir: Der Berg steht morgen auch noch da. Die Angst ist im Menschen tief verankert und hindert uns alle am kompletten Durchdrehen. Ohne Angst würden unglaublich gefährliche Sachen gemacht werden.
„Ich bin nicht verantwortlich für Nachahmer“
Fühlen Sie sich als Extremsportler auch für Nachahmer verantwortlich?
PALZER: Durch Social Media erfährt man heute alles in kürzester Zeit. Ich habe viel Zuspruch für die Watzmann-Überschreitung bekommen, aber es gab auch Hater, die sagten: „Wenn da in nächster Zeit einer runterfällt, bist du schuld. Du hast ihn animiert.“ Meine Meinung dazu ist: Eine gesunde Selbsteinschätzung kann nicht zu viel verlangt sein. Ich komme auch nicht auf die Idee, auf der Streif oben im Starthäusl die Skier gerade zu stellen und mit 150 km/h die Mausefalle runterzufahren. Das zu überleben ist sehr unwahrscheinlich, weil ich es einfach nicht kann. Ich muss meinen Namen nutzen und an einen gesunden Menschenverstand appellieren, aber ich bin nicht verantwortlich für Nachahmer.
Haben Sie eine Lieblingstour?
PALZER: Eine ganz besondere Skitour führt zum Watzmannhaus und weiter zum Hocheck. Die Tour hat über 2.000 Höhenmeter und ist schon sehr lang. Man kann sie nur an wenigen Tagen im Jahr machen, weil es am Hocheck oft sehr windig ist. Wenn man dort oben steht, steht man aber über allem. Mindestens einmal im Jahr gehe ich den Watzmann mit den Skiern hinauf. Das ist mein Hausberg und einfach etwas Besonderes.