Wie Frau Percht zu Frau Holle wurde

Die Perchten kennt man im alpenländischen Raum als furchteinflößende Gestalten. (Foto: McPhoto/Imago)

Als Dämonin treibt sie sich im Bayerischen Wald herum, im Perchtenlauf hat sie ihren festen Platz zwischen Licht und Schatten: Um Perchta, auch Frau Percht genannt, ranken sich viele Sagen und Legenden. Wer genauer hinschaut, wird außerdem merken: In irgendeiner Form gibt es sie in ganz Deutschland, auch wenn sie vielleicht einen anderen Namen trägt.

Mit lautem Glockengeläute und wilden Masken wollen die Perchten den Winter austreiben. Vorneweg die Schönperchten: Schneidige Damen und Gesellen, die das Licht verkörpern, das jetzt jeden Tag ein wenig länger scheint. Am Ende des Zugs die Schiachperchten: Grausige Gestalten mit Fratzen, die selbst einem Krampus einen Schauer über den haarigen Rücken jagen. In der Mitte thront Frau Percht. Mit ihren zwei Masken fasst sie das Schöne und das Schreckliche der Perchten, auch Perschten genannt, zusammen und sorgt dafür, dass niemand vergisst: Licht und Dunkelheit gehören zusammen.
Die zwei Gesichter von Frau Percht: Licht...
...und Dunkelheit. (Fotos: Bahnmüller/Imago)
So muss man sich die Stimmung vorstellen, wenn die Kirchseeoner Perschten zwischen den Jahren ihren Zug durchs Dorf veranstalten. Mit dieser Tradition, die der Verein vor 65 Jahren wiederbelebt hat, hat er auch einer Gestalt in Kirchseeon eine Heimat gegeben, die schon die Gebrüder Grimm faszinierte. Allerdings kannten Jacob und Wilhelm Grimm sie nicht als Frau Percht, sondern als Frau Holle, was auch wieder nur ein weiterer Name unter vielen ist, die sie im deutschen Sprachraum trägt. Welchen Einfluss die mysteriöse Gestalt einmal hatte, zeigen die Märchensammlungen der Gebrüder Grimm. Denn ihr allein haben Jacob und Wilhelm ein Märchen gewidmet, den anderen Göttern, die hierzulande in vorchristlicher Zeit verweilten, nicht.

Frau Holle die „Enkelin einer Göttin“?

 

Richtig gehört: Die freundliche Frau, die bei den Gebrüdern Grimm Betten ausschüttelt, könnte einmal eine Göttin gewesen sein, die in ganz Deutschland verehrt wurde. Oder zumindest die „Enkelin einer Göttin“. So bezeichnet der Historiker Dr. Karl Kollmann Frau Holle. Im nordhessischen Eschwege, wo Kollmann lebt, gibt es eine ganze Reihe von Sagen und Orten, die sich um diese Gestalt drehen. Eine davon ist, dass Frau Holle in den Raunächten zwischen 21. Dezember und 6. Januar zu den Menschen kommt und nachsieht, wer faul und wer fleißig war. Die Fleißigen beschenkt sie, die Faulen bestraft sie.

Es ist eine Erzählung, die auch Ernst Weeber vertraut ist. Als Mitglied der Kirchseeoner Perschten beschäftigt er sich mit dem Brauchtum rund um Perchten und Frau Percht. Und er kennt ganz ähnliche Geschichten. „Frau Percht ist eine zweigesichtige Gestalt“, sagt er, was man auch an ihrer Maske sehen könne. Die eine ist Perchta, die Leuchtende, eine schöne, gütige Figur, die belohnt. Die andere Seite von Frau Percht ist finster und strafend, hat eine schiefe Nase und ein Beil, mit dem sie ihre Opfer zerhackt.

Grimms Studien zu Frau Percht

 

Dass die Gemeinsamkeiten, die Kollmann und Weeber beschreiben, keine Zufälle sind, hat Jacob Grimm übrigens selbst bewiesen. Bei seinen Reisen fertigte er eine Karte an, die die Namensvarianten der Frau Holle zeigten. Weiter im Norden hieß sie irgendwann Frau Gode und Frau Frigg, im Süden Perchta, Sperchta oder Frau Percht. Ungefähr um Rhein und Main verläuft die Grenze zwischen Holle und Percht. Erweitert wurden Jacob Grimms Studien durch die Literaturwissenschaftlerin Erika Timm, auf die sich heute so gut wie jeder Forscher bezieht, der etwas über die mysteriöse Gestalt erfahren will.

Eine Göttin mit vielen Namen: Besonders in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte sich deshalb die These breit, dass die Kulte um Frau Percht vielleicht sogar Ausprägungen einer gemeinsamen Religion waren. Mittlerweile bezweifeln Forscher dies aber wieder. Für einen gemeinsamen Glauben, der sich quer durch Deutschland zog, gibt es dann doch zu viele Unterschiede. Ernst Weeber spricht gerne von einem „Wurzelwerk an Brauchtum und Geschichten“, aus dem viele Triebe wachsen: unterschiedlich, aber mit zahlreichen Gemeinsamkeiten.

Welche Spuren Frau Percht im Bayerischen Wald hinterlassen hat, lesen Sie im „Bayerns Bestes“ Magazin, Ausgabe 05/2020.

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Matthias Jell

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