Benjamin König: Eine Bilderbuchkindheit aus Licht und Schatten

Benjamin König Schatten
Die Nacht kommt über das Dorf: "Night" von Benjamin König. (Foto: Benjamin König/www.sperber-illustrationen.blogspot.com)

Kann Kunst jemals aus der Zeit fallen? Die Bilder des 45-jährigen Benjamin König wirken fast wie aus einer anderen Ära. Eine Zeit, in der die Fantasie noch die Kindheit prägte. In seiner Kunst bilden Licht und Schatten eine Einheit. Und über allem schwebt der Geist der Nostalgie.

„Der Tod muss so schön sein. In weicher, brauner Erde zu liegen, wogendes Gras über dem Haupt, und der Stille zu lauschen.“ So malerisch formulierte es einst Oscar Wilde in seinem Werk „Das Gespenst von Canterville“. Seit jeher war der immerwährende Kampf zwischen Leben und Tod Bestandteil der Kunst. Ob in Gedichten, Romanen, Märchen oder Kinderbüchern. Der Tod wurde dabei nicht nur thematisiert, sondern auch enttabuisiert. Ein Leitfaden, der sich auch in den Bildern von Benjamin König widerspiegelt. Er lebt heute wieder in dem Dorf seiner Kindheit, etwa 20 Minuten von Rosenheim entfernt. Für ihn ein Ort der Inspiration.

„Ich hatte eine Bilderbuchkindheit“, sagt der heute 45-Jährige. Aufgewachsen in einem Dorf mit Bergpanorama, spielte er mit Freunden in der Natur und vorm Einschlafen wurden Märchen vorgelesen. Dazu gehörten mitunter auch schaurige Illustrationen, die Benjamin König in ihren Bann zogen. Damals ahnte er zunächst nur, dass auch in ihm ein solches Talent der Visualisierung schlummert. Ein Talent, das in seiner Schulzeit weder Mitschülern noch Lehrern verborgen blieb.

Eine Karikatur als Initialzündung

 

„Im Gymnasium habe ich mal während des Unterrichts eine Karikatur meines Französischlehrers gezeichnet. Das hatte sich angeboten“, erinnert sich Benjamin König. „Er hatte so eine Elvis-Tolle und einen langen Lodenmantel an. Nur seine kleinen Schuhe haben unten rausgeguckt. Wenn er ging, sah das aus, als würde er sich in einer Glocke bewegen.“ Weil er damals derart vertieft in die Karikatur war, bemerkte er gar nicht, dass der Lehrer längst neben ihm stand und ihm zusah. „Plötzlich sagte er zu mir, dass ich ihm dieses Bild signieren und schenken soll, weil er es so gut fand. Er appellierte dann an mich, dass ich unbedingt was aus dieser Begabung machen soll.“

Und das hat Benjamin König getan. Zwar wurde er an der Kunstakademie in München noch abgelehnt, weil man dort der Auffassung war, er sei nicht mehr formbar. Davon unbeirrt, packte er die Gelegenheit beim Schopfe und machte sich unter dem Namen Sperber Illustrationen selbstständig. Die Idee für diesen Namen geisterte bereits seit seiner Jugend in seinem Kopf herum: „Greifvögel sind gemeinhin für ihr gutes Auge bekannt. Für mich ist der Sperber daher eine Galionsfigur für gute Visualisierung.“
Die Marke allein genügt freilich nicht. „Es hat etwa zehn Jahre gedauert, bis ich meinen eigenen Stil geschärft hatte. Es war schon ein sehr steiniger Weg“, sagt Benjamin König. Rückschläge gab und gibt es dabei immer wieder. „Ich habe viele Absagen von Buchverlagen erhalten. Die Begründung war meistens identisch: Meine Kunst sei aus der Zeit gefallen und heute nicht mehr vermittelbar.“

Das Kind im Manne

 

Auch Benjamin König sieht zwischen seinem Stil und heutigen Illustrationen vieler anderer Künstler eine Diskrepanz: „Mein Stil hatte immer schon etwas Retrospektives. Viele heutige Illustrationen wirken auf mich zu einheitlich und zu identitätslos. Das ist ein Stil, den ich nicht bedienen kann.“ Zu sehr sei er dafür von Kinderbuch-Illustrationen der 1970er- und 80er-Jahre geprägt. Oftmals mehr, als ihm das selbst bewusst ist: „Neulich erst habe ich ein altes Kinderbuch aus meiner Kindheit in die Hand genommen. Dabei fiel mir eine Illustration auf, die einem meiner Bilder sehr ähnlich sah. Unterbewusst wirken diese Eindrücke meiner Kindheit also noch heute auf mich.“

König bezeichnet sich selbst als sehr visuellen Menschen, dem Dinge des Alltags sofort ins Auge stechen, ihn inspirieren, ihn aber auch nachdenklich stimmen. Dabei kann es sich darum handeln, wie Menschen auf ihn wirken, aber auch um ganz banale Dinge wie die Farbe von Häusern. „Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt der Illustrator. „Würde ich nur noch dumpf durch die Welt laufen, hätte ich einen relativ gemütlichen geistigen Frieden. Aber solange ich eine gewisse Sensorik habe, gibt es Reibung und das tut dann mitunter weh.“ Was er damit konkret meint, beantwortet König mit einem Zitat von Alfred Biolek, der kurz vor seinem Tod sagte: „Die Gesellschaft ist in einem Maße verflacht, das ist dramatisch. Die Außenwelt dringt zwar auf mich ein, aber ich suche mir meine Nische.“
Benjamin König. (Foto: Matthias Jell)

"Eine Blumenwiese ist schön, aber sie erzählt mir nicht die ganze Geschichte."

So handhabt es auch Benjamin König, denn seine Nische ist die Kunst, die mitunter auch melancholisch wirkt. König: „Diese Melancholie kommt aus dem Kontrast meiner Außenwelt und meiner Innenwelt. Ich schaffe mir meine Idealwelt in meinen Bildern. Eine Welt, in der Gut und Böse klar definiert sind.“
„Früher wurde das in den Märchen deutlich dargestellt. Da waren dann schon auch sehr schaurige Bilder dabei. Heute wird dagegen von falschen Parametern ausgegangen und die Realität wird verfälscht“, schildert König seine Sichtweise. Er verweist dabei auf Märchen wie „Hänsel und Gretel“, in denen die Hexe mit langen Krallen knorrig und böse dargestellt wurde und die Kinder zu sich lockte. „So etwas gibt es heute fast nicht mehr. Moderne Illustrationen und Geschichten zeigen nahezu ausnahmslos einheitliche Fröhlichkeit. Ein lachendes Kind, ein lachender Hase. Alle sind glücklich.“ König wirkt nachdenklich, blickt in die Ferne und sagt: „Eine Blumenwiese ist schön, aber sie erzählt mir nicht die ganze Geschichte.“ Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und wo Leben ist, da ist auch Tod.
Eine Lektion, die Benjamin König in seiner Kindheit nicht nur aus Märchenbüchern lernte, sondern auch im realen Leben. „Ich habe damals gesehen, wie ein totes Kind in der Umgebung aus einem Bach gezogen wurde. Natürlich beschäftigt einen das“, erinnert er sich. Aber danach wurde mit den anderen Kindern wieder normal im Wald oder bei den „Strohmandln“ gespielt. Heute sei das Thema Tod hingegen meist tabu und Erwachsene versuchten, es von ihren Kindern, aber auch von sich selbst fernzuhalten. Ganz so, als würde das, was man nicht ansieht, nicht existieren.
In dieser Illustration von Benjamin König sitzen der Tod und ein Mann gemeinsam am Tisch und unterhalten sich. (Bild: Benjamin König/Sperber Illustrationen)

Der Tod sitzt mit am Tisch

 

Deshalb möchte Benjamin König den natürlichen Kreislauf des Lebens in all seinen Facetten fantasievoll abbilden. So zeigt eines seiner Werke einen Mann, der mit dem Tod in noblem Ambiente bei Kerzenlicht am Tisch sitzt. Der Mann scheint den Tod dabei zwar verängstigt anzublicken, dennoch schwingt in seiner ganzen Haltung auch Akzeptanz mit. Der Tod sitzt nun mal mit am Tisch, er ist allgegenwärtig. Bilder wie diese zeichnet König nicht nur für Buchverlage im Kinder- und Erwachsenenbereich, sondern auch für Musiker, die entsprechende Illustrationen für ihre Alben benötigen. Früher brachte er seine Werke noch ganz klassisch auf Papier, doch die Zeiten haben sich geändert, wie König weiß: „Änderungswünsche von Kunden waren damals schwierig, wenn das Bild erstmal auf Papier war. Deshalb bin ich vor einigen Jahren auf Digital Painting umgestiegen.

Die Technik hinter den Bildern

 

Dabei zeichnet er auf einem Tablet. Von dort wird das Gezeichnete direkt auf den Computerbildschirm übertragen. So kann er besser auf Kundenwünsche eingehen und nachträgliche Änderungen vornehmen, sagt König. Für Bayerns Bestes demonstriert er an einem kurzen Beispiel, wie diese Technik funktioniert und wie seine Bilder entstehen. Dabei nimmt er als Grundlage eine Art Nebel und zeichnet darin dann die Konturen eines geisterhaften Gesichtes.

Die Entstehung im Video

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Quelle Hintergrundmusik zum Video:

Music from Uppbeat (free for Creators):

https://uppbeat.io/t/roger-gabalda/a-frozen-heart

License code: RCBQHTEYIDJXMVLO

Die Sprache der Kunst

 

Was ist Kunst in den Augen des Künstlers Benjamin König? „Die Seele des Künstlers muss in seinem Werk erkennbar sein. Ich muss das Gefühl haben, dass ich ihm das abkaufe. Neulich habe ich gesehen, wie jemand Löcher in einen Fahrradschlauch getackert hat und das dann als Kunst deklarierte. Da ist für mich eine Grenze erreicht.“ König fühlt sich dabei an ein Zitat von Otfried Preußler erinnert, das er nicht nur auf Schriftsteller, sondern auf Kunst allgemein projiziert: „Für eine gute Geschichte braucht es zwei Dinge: Einen pfleglichen Umgang mit der Sprache und du musst etwas zu erzählen haben.“ Etwas, das Benjamin König verinnerlicht hat, denn seine Kunst spricht für sich.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 01/2022 von Bayerns Bestes. Hier finden Sie die jeweils aktuelle Ausgabe von Bayerns Bestes.

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Matthias Jell

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