Wer nachts schlecht schläft, kann am Tag sein Leben nicht richtig genießen. Füssen im Allgäu verhilft seinen Gästen zu ruhigeren Nächten. Bayerns Bestes-Autorin Ulrike Kühne probierte die Schlaf-Angebote des Kneipp-Kurorts vier Tage lang aus.
Bei meinem “Schlafgastgeber” dem Boutique Hotel Dreimädlerhaus, zeigt mir Schlaflotse Michael Duijndam mein Zimmer. Er drückt auf eine Taste mit Notensymbol am Radio, Entspannungsmusik erklingt. Neben dem Gerät liegt ein blaues Notizbuch mit Stift. “Da können Sie nachts Ihre Gedanken aufschreiben, wenn Sie nicht schlafen können,” sagt Duijndam. Aus einer “Kissen-Bar” darf ich mir ein Kissen aussuchen. Das halbmondförmige Seitenschläferkissen schmiegt sich um meinen Hals, das Hirsekissen ist fester und passt sich perfekt der Kopfform an, aber ich entscheide mich für das 40 x 80 cm-Kissen mit Daunen für ein Kuschelgefühl wie zuhause.
Ich liebe es zu experimentieren, und das kann ich in diesem Raum nach Herzenslust. Auf einem schwarzen Karton steht “Schlafbox”. Die Schlafmaske darin lasse ich links liegen, kenne ich. Ohropax brauche ich nicht, denn es ist nachts völlig still hier. Aber ich reibe mir sofort das minzig riechende Aromaöl “Kopf Wohl” auf die Schläfen, das für einen klaren Kopf sorgen soll. Ob es wirkt? Keine Ahnung, aber es riecht gut. Das Lavendelspray fürs Kopfkissen sprühe ich vor dem Schlafengehen sicherheitshalber erst in die Luft. Nicht schlecht, aber das zugefügte Vanillearoma ist mir zu süßlich. Dieser Duft würde mich eher beim Schlafen stören, daher kommt er nicht aufs Kissen. In der ersten Nacht lasse ich die blickdichten Vorhänge offen, wache um sieben auf. Die weiteren Nächte schließe ich sie komplett, bin aber trotz der Finsternis um sechs putzmunter. Zum Glück, denn so erlebe ich von meiner Terrasse aus einen herrlichen Sonnenaufgang über dem Weißensee.
Welcher Schlaftyp bin ich?
Wie man besser schläft, muss man ausprobieren, erklärt Diplompsychologe Sascha Maurer beim Abendessen im Gasthaus Schwanen. Er hat die Schlafangebote in Füssen mit konzipiert und bringt den Teilnehmern bei, durch mehr innere Ordnung zur Nachtruhe zu finden. Das ähnelt teils einer Inquisition: “Wann gehen Sie ins Bett? Sind sie morgens gleich richtig wach?” Schnell bekomme ich die Diagnose, dass ich eine “Lerche” bin, also – im Gegensatz zur “Eule” – ein Frühaufsteher. Maurer klingt entsetzt, dass ich mit meinem Mann unter einer Decke schlafe. Und dann auch noch in einem nur 1,40 breiten Bett! 90 Zentimeter pro Person sollten es schon sein. Mal sehen, was mein Mann dazu sagt …
Schlafen zu lernen ist offenbar sehr persönlich. Natürlich, man muss sich zuerst über die eigenen Bedürfnisse und Gewohnheiten klar werden, um herauszufinden, wie man seine “innere Uhr” mit der “äußeren Uhr” in Einklang bringt, die der Alltag einem aufzwingt. Es wird nicht unbedingt leicht, den Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass ich jetzt mittags im Verlag gerne ein Schläfchen machen würde.
Auf dem Weg zur inneren Ordnung hilft auch Yoga. “Wir machen vor allem viele Vorbeugen – das beruhigt”, erklärt Yogalehrerin Inge Schwarzenbach im Übungsraum des Biohotels Eggensberger. Arme hoch und dabei einatmen, Arme runter und summend ausatmen. Das Summen vibriert in der Kehle und fährt mich total runter. Am Ende noch eine Fantasiereise im Liegen und ich würde am liebsten direkt hier auf der Yogamatte schlafen.
Störungsfrei schlummern
Für den Schlaf sind aber auch in diesem Schlafgastgeber-Hotel die Betten da. Was ich anderswo noch nie gesehen habe: Ein “Gute-Nacht-Schalter” in jedem Zimmer stellt sicher, “dass im gesamten Schlafbereich kein Strom mehr fließt,” erklärt Hotelbesitzerin Heike Eggensberger. Hier nimmt es jemand mit dem störungsfreien Schlaf sehr ernst: Hausherr Andreas Eggensberger blättert in einem dicken Ordner mit Messwerten der Strahlung, für jedes einzelne Zimmer hat er Daten. “Das ist mein Hobby”, sagt der Hotelier. Er führt außerdem die alten Kneipp-Lehren fort, sogar die Kräuteranwendungen: Der Hotelier öffnet einen Dampfofen und lässt mich die Hand auf ein darin liegendes Leinenkissen legen. Es ist mit Blumenheu vom Biobauernhof seines Bruders gefüllt, fühlt sich feuchtwarm an und duftet wie früher beim Spielen auf dem Heuboden. Die Gäste bekommen die Kissen am Abend auf Bauch oder Rücken gelegt. “Das fördert den Schlaf und holt runter.”
Eggensbergers Kneipp Schwerpunkt liegt aber auf der Behandlung mit Wasser. Im Kneipp-Häuserl, von dem aus man bis zum Schloss Neuschwanstein blickt, bekomme ich einen schlaffördernden Knieguss. “Das zieht das Blut in die Beine”, erklärt Badefrau Martina Vollmer. Warmes Wasser, kaltes, warmes und zum Abschluss wieder kaltes, das über die Fußsohlen läuft. Fühlt sich belebend an, auch wenn es beruhigend wirken soll. Abtrocknen verboten! Nur mit der Hand abstreifen darf ich das Wasser. “Ihr Ernst? Es ist kalt draußen!” Ja, es ist ihr Ernst, der Körper soll sich selbst wieder erwärmen. Und das tut er, Füße und Beine kribbeln wie tausend Ameisen.
Danach gilt: bewegen! Ich wandere zwei Stunden um den Hopfensee. Allein das Alpenpanorama genügt, um alle Gedanken zur Ruhe zu bringen. Am Abend noch eine Tasse “Eine Mütze voll Schlaf”-Tee aus der Schlafbox und ich falle erschöpft ins Bett. Viel zu müde, um der Meditation aus dem Radio noch folgen zu können.
“Guten Morgen, haben Sie gut geschlafen?” So oft wie hier bin ich das noch nie gefragt worden. Der neue Tag beginnt mit dem Duft frisch gebackener Buchteln. Heute steht “Achtsame Bewegung” auf dem Programm: eine Wanderung mit Kneipp-Gesundheitspädagogin Claudia Ziegler vom Alatsee in Richtung Füssen. Unterwegs schärfen wir unsere Wahrnehmung. An einer Brücke halten wir an. “Was fühlt sich angenehmer an – wenn das Wasser auf Sie zufließt, oder von Ihnen wegfließt?” Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber das Ergebnis ist ganz klar: Das auf mich zu fließende Wasser wirkt irgendwie bedrängend, das davon fließende fühlt sich nach Freiheit an. Etwas verrückt fühle ich mich bei den Gymnastikübungen vor einer Almhütte. Unsere Arme und Beine zeichnen Zahlen in die Luft, die Hüften schwingen Achten unter den neugierigen Blicken vorbeiziehender Wanderer. Die Muskeln im ganzen Körper werden warm und locker – schließlich könnten auch Verspannungen einem den Schlaf rauben. Zum Abschied darf ich aus einer herzförmigen Dose ein rotes, hölzernes “Hosentaschenherz” ziehen, wie Ziegler es nennt. Es soll mich nach Hause begleiten, genau wie die vielen Anregungen für einen besseren Schlaf, die ich in Füssen bekommen habe.
Ideen daheim umsetzen
Zurück daheim steht erst ein Gespräch mit meinem Mann an. Dann bestelle ich eine Tageslichtlampe, um trotz Winter und Büroarbeit möglichst viel “Sonne” zu bekommen. Sie erleuchtet jetzt morgens den Frühstückstisch. Vier Tage in Füssen haben mir mehr Gelassenheit in schlechten Nächten geschenkt und viele Ideen, wie ich selbst gegensteuern kann. Statt Panik zu schieben, mache ich jetzt Atemübungen, sollte ich mal nachts um drei noch – oder wieder – wach sein. Und sollte alles nichts helfen, weiß ich eine Dreiwochenkur in Füssen, die ich mir von meiner Ärztin verschreiben lassen könnte.
Mehr erfahren Sie in der Ausgabe 01/2023 von Bayerns Bestes.
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