Das indianisch-bajuwarische Schwitzhütten-Ritual von Od*Chi ist eine archaische Dampfsauna. Angelehnt an die Traditionen der Naturvölker, geht es dabei um die Reinigung des Körpers und einen Neustart für den Geist. Ein schweißtreibender Abend mit ganz neuen Einsichten.
Der Aschauer Klammbach rauscht. In der kleinen Senke hinter dem Haiderhof in Schneizlreuth überragen die moosigen Äste eines alten Ahorns eine Kuppel aus Weidengeflecht. Fünf Lagen wollene Decken umhüllen dieses Symbol für Mutter Erde. Vor der Schwitzhütte steht ein kleiner „Altar“: Steine, die Farn, Hagebutten, Holunder und Schneckenhäusern geschmückt sind. Eine Linie aus Herbstlaub schlängelt sich zum Feuer, dem Symbol für die Sonne. Eine Energielinie, die alle respektieren – Übertreten ist nicht erlaubt. So müssen wir uns im Kreis bewegen, gegen den Uhrzeigersinn – mit der Erddrehung. Praktisch: Es läuft sich keiner nackig im Dunkeln in die Arme.
„Großer Geist, Erde, Himmel und Meer, du bist in uns und überall um uns her“, singt Od*Chi melodisch. Aufrecht steht der Ritualleiter der Schwitzhütte am Lagerfeuer. Über seiner bayerischen Kniebund-Lederhose trägt er Lendenschurz, ein Charivari mit verzierten Holzscheiben und poliertem Hornschmuck, dazu einen Poncho und eine braungrüne Tunika. Mit dem G’sangl an den Großen Geist beginnt das Schwitzhüttenritual, das Od*Chi vorab den 15 Teilnehmern erklärt hat. Flammen erobern den Holzstapel. Neulinge und erfahrene Schwitzhütten-Geher im Kreis um das Feuer tönen noch Om, bis sie zaghaft in den Gesang einstimmen. Aho, Wakahey!
Seit 1997 leitet der 53-Jährige Schwitzhütten. Das uralte Reinigungsritual der Naturvölker ist ihm wichtig: Körper und Geist zu reinigen, Kraft bei „Mutter Erde“ zu tanken, intensiv mit den Elementen und den „Spirits“ in Kontakt zu treten – kurz: schamanisches Arbeiten.
Dabei drängt er keinem seine Weltsicht auf und will auch nicht als Schamane bezeichnet werden. Er sei weder Dampfplauderer noch Heilsversprecher, würde sich keinen Titel leichtfertig anmaßen. Seine Devise lautet: „Einfach g’schmeidig – mit dem nötigen Ernst und trotzdem locker.“ Seine Schwitzhütten folgen weniger strengen Regeln als andere. Od*Chi bereitet achtsam den Rahmen für ein Erlebnis. Man kann es als archaische Naturerfahrung sehen, man kann aber auch die Kraft des Rituals erkennen. Die Dynamik dabei schweißt alle Teilnehmer im wahrsten Sinne des Wortes zusammen.
Draht zu den Göttern
Anfangs stehen alle bekleidet am loderndenFeuer. Das Didgeridoo klingt tief durch die Nacht, der Rhythmus der Handtrommel reißt mit. Od*Chi singt, alle singen mit. Zwischendurch bringt sein Wortwitz die Menschen zum Lachen. Am „Akasha-Wlan“ merkt auch der Letzte, dass Humor ein wesentliches Element ist. Od*Chi hat es nicht mit Anrufungen. Stattdessen dankt er am roten Telefonhörer dem nordischen Gottvater Odin, dass es zu regnen aufgehört hat.
Begleitet vom Rauschen des Schwirrholzes intoniert er Runen in alle Himmelsrichtungen. Dann darf jeder eine Rune ziehen. Meine Eh-Rune steht für die harmonische Verbindung von Menschen. Fotograf Mike soll „sich nicht ablenken lassen vom äußeren Schein“. Schwierig, wenn er für Bayerns Bestes gute Bilder machen soll – aber treffend. Vorher hat Mike mir erzählt, die Schwitzhütte sei für ihn wie eine Wiedergeburt, die absolute Seelenreinigung: Sauna für die Seele.“
Schwitzhütten gehören zum spirituellen Erbe der Menschheit. In der Antike waren sie mit religiösen Ritualen verbunden, im Mittelalter wurden Schwitzbäder in Klöstern praktiziert und schließlich vergessen. Vor etwa hundert Jahren lebte die gesundheitsfördernde Tradition des Saunierens in Mitteleuropa wieder auf: übernommen vom slawischen Dampfbad und der finnischen Saunakultur. Spirituell Interessierte reimportierten mit der Schwitzhütte die Riten indigener Kulturen, vor allem aus Nordamerika, oder berufen sich auf nordische Traditionen.
Nackte Tatsachen
Das Lagerfeuer knackt und brennt hoch. Die Basaltsteine in seiner Mitte sind schon glühend rot. „Hey hey hey, ho, ho, ho, ha na ho na ney“, nach dem zweitönigen Obertongesang und vibrierenden Untertongesang des „bayerischen Indianers“ geht es ans Ausziehen.
Einzelne Taschenlampen wackeln durch die Nacht, bis sich alle vor Feuermann Jo anstellen und mit Myrrhe im Stielpfannderl abräuchern lassen. Heute wird es eng in der Schwitzhütte. Weil einer sich mit Yogakissen das Sitzen am Boden erleichtern will, staut ess ich am Eingang. Mein Blick schweift krampfhaft ab. Der verlängerte Rückendes Vordermanns, der auf allen Vieren im Eingang kniet, grüßt hell. Ich versuche eleganter nur kurz auf dem sandigen Boden zu stoppen, krabble durch die etwa 60 Zentimeter hohe Öffnung und setze mich auf mein gefaltetes Handtuch. Schemenhaft sehe ich Füße. Feuermann Jo schiebt mit der Mistgabel vier etwa 20 Zentimeter große Steine in die Feuergrube und schließt den Eingang. Damit beginnt die erste der kommenden vier Runden.
Kräuterkrümel funkeln auf den orangerot glühenden Steinen wie helle Sternchen und verbrennen. Es ist schwarz. Im Schneidersitz schieben Menschen ihre Knie übereinander, als Od*Chi zu singen beginnt. Der selbstgemachte Aufguss riecht nach Mädesüß und Salz. Alle stimmen in das rhythmische Mantra ein. Ein langgezogenes „Ahooo“, das „Jawohl“ der Lakota-Indianer, läutet die Runde des Dankens ein. Reihum kommt jeder zu Wort. „Danke für die Liebe meiner Familie. Aho!“ Die Gruppe bekräftigt: „Aho!“ – „Danke für die Menschen, durch deren Spiegel ich mich weiter entwickeln kann. Aho!“ Bei jedem „Aho“ landet Wasser auf den Steinen. Es wird heiß, sehr heiß. Salziger Schweiß tropft in die Augen.
Glühende Steine bringen neue Hitze. Hautnah hocken wir im Schwarz. Auch das „Dje-dü-ei-ho“ des Alperers ist in Od*Chis Schwitzhütte normal. Das Singen des nächsten Mantras lenkt von der Hitze ab. Die Haut glitscht. Wünsche machen die Runde. „Ich bitte darum, mehr verzeihen zu können. Aho!“ – „Ich bitte um Gesundheit.“ „Ho“, stimmen Einzelne zu, wenn ein Wunsch für sie passt. Mein Kopf drückt sich nach hinten, will der Hitze entgehen. Die zweite Runde ist beendet. Endlich raus. Das Staubecken des Baches ist kalt und tut gut.
Die Energie schlägt Purzelbäume
Nach kurzer Pause geht es weiter. Neue Steine, neue Heilkräutersude – nicht berauschend und aus der Region – begleiten die nächsten Runden, das Loslassen von Vergangenem und Öffnen für Neues.
Die Stimmung wird ausgelassener. Mein Nachbar variiert frei die Refrains mit Verve. Eine Frau trillert. Von der tranceartigen Atmosphäre einer klassischen Schwitzhütte ist heute nicht viel zu spüren. Sogar der Schlager von „Schmidtchen Schleicher“ mit den elastischen Beinen federt durchs Dunkel. Es wird unerträglich heiß. Die Energie im Raum wird mir zu viel. Meine Worte sage ich nur lautlos. Schnell raus und ins Wasser!
Am Feuer werden Wasserflaschen herumgereicht. „Für einen Neumond war es schon sehr vollmondig“, kommentiert Od*Chi die Stimmung. Wieder angezogen, versammelt sich die Gruppe am Feuer. „Ich steh auf dir, Mutter Erde“ klingt es im Kreis. Die Augen sind geschlossen. Nur Od*Chi blickt in die Runde, prüft, wie es den Teilnehmern geht. Ich bin im Moment. Achtsam. Ruhig. Und glaube, die Energie zwischen uns allen zu spüren.
Od*chi,
der Chi-mane
Christian Enderlein aus Bayrisch Gmain nennen alle nur Od*Chi. Der Name steht dreifach für Lebenskraft: die nordische „Od-Kraft“, die Rune Hagal für steten Wandel und „Chi“, asiatisch für Energie.
Er veranstaltet Schwitzhütten, referiert über Runen, fühlt sich Naturvölkern verbunden, doch er sei kein Schamane. „Eher ein Chi-mane“, sagt er, einer mit positiver Energie. Weil der Landschaftsgärtner mehr Kontakt zur Natur wollte, machte er sich frei von Konventionen und fand als Musiker mit Oberton- und Untertongesang seine Berufung. Mit Didgeridoo, Maultrommel, Trommeln und indischer Shrutibox begleitet Od*Chi seine Lieder und Mantras. Seine Naturverbundenheit gibt er in Seminaren und als Bergwanderführer weiter. Od*Chi schafft Kunstwerke aus Naturmaterialien, verziert Holz mittels Sonne und Lupe und zeichnet filigrane Mandalas. Im Naturzauber-Verein organisiert er Müllsammelaktionen im Wald.
Seine Lebensweisheiten: Sobald wir wollen, was wir bekommen, bekommen wir was wir wollen! (Krishnananda) Energie folgt der Aufmerksamkeit. Bedenke, was Du wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen. Die Welt außen ist eine Projektionsfläche, die das Innere spiegelt.
Allgemeine Regeln für Saune und Schwitzhütte
Hunger oder ein voller Magen haben in jeder Sauna Zutrittsverbot. Nach Sport oder Hetze sollte man zur Ruhe kommen, die Füße sollten warm sein. Wichtig nach Saunagängen ist die ausreichende Zufuhr von Wasser.
Wie wirkt eine Sauna?
• Die Haut erwärmt sich – etwa drei bis zehn Grad Celsius.
• Die leicht erhöhte Körpertemperatur wirkt wie ein Fieber.
• Die Körperabwehr wird aktiviert, Blutgefäße erweitern sich.
• Muskeln entspannen sich, man atmet schneller und leichter.
• Der Schweiß fließt – bis zu 500 ml pro Saunagang.
• Abfallstoffe aus Blut und Fettgewebe werden ausgeschwemmt.
• Das Abwehrsystem wird trainiert und ist weniger anfällig für Erkältungen.
Wer darf nicht in die Sauna oder Schwitzhütte?
Bei diesen Erkrankungen ist die Sauna tabu und nur in Absprache mit dem Arzt möglich: Asthma, Rheuma, Nierenerkrankungen, Entzündungen, Koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Schwindelanfälle und grippale Infekte