Die Pottensteiner Teufelshöhle: Höllisch gute Luft

Der sogenannte Barbarossasaal mit seinem markanten Stalagmiten, dem "Kaiser Barbarossa" in der Teufelshöhle Pottenstein. (Foto: Gregor Schreiber Photography/gsphotos.de)

Unter Tage herrscht ein anderes Klima: Atemwegserkrankte schätzen die natürlichen Kräfte im Heilstollen der Pottensteiner Teufelshöhle – und begeben sich in Selbsttherapie.

Stille. Dunkelheit. Ob sich zu Urzeiten Menschen, die in Höhlen lebten, auch so gefühlt haben? Ein Plätschern in der Ferne durchbricht die Ruhe. Wieder Stille. Um meinen Körper legt sich eine kühle Luftschicht. Auf den Handlehnen der Liege, auf der ich es mir gemütlich gemacht habe, sammelt sich Feuchtigkeit zu einem Teppich aus Wassertropfen. Ich atme tief ein. Die Bauchdecke hebt sich. Ich spüre, wie ein Schwall klarer Luft Nase und Lungen flutet und halte für einen Moment inne. Das Zwerchfell entspannt sich. Federleicht steigt mein Atem in Richtung Höhlendecke.
Ich befinde mich im Heilstollen der Teufelshöhle in Pottenstein. Wie Sternenstaub glitzert es über mir im Gewölbe, weiße Schlieren durchziehen das Dolomitgestein. In den Gängen hat das stetige Tropfen von Wasser den Boden teilweise ausgehöhlt. Hier, wo die Wandformationen schroff sind, liegt Heilung in der Luft. Egal, welche Jahreszeit herrscht: Die Temperatur in der Höhle hat konstant neun Grad, die Luftfeuchtigkeit liegt immer bei mindestens 90 Prozent. Die Luft dort ist staub, keimund pollenfrei – und sie riecht nach absolut nichts.

Hilfe bei Asthma oder Heuschnupfen

 

Für ein kräftiges Durchatmen sorgt der vier bis sechsfach höhere Kohlenstoffdioxid-Gehalt im Inneren der Höhle. Dieses Gas entsteht bei der Tropfsteinbildung. In einem großen Raum tauchen Farbspiele und Wandlampen das Höhlengestein in schummriges Licht. Pechschwarze Rinnsale laufen die Wände hinab, verursacht durch die chemische Reaktion von Manganoxid und natürlichen Kohlenstoffverbindungen.

Das Jahr 2022 steht ganz im Zeichen des 100-jährigen Jubiläums der Teufelshöhle Pottenstein. Hier geht’s zu den Veranstaltungen und dem kompletten Programm zum Jubiläum.

In Einbuchtungen verteilen sich Liegen und Stühle. Hier nimmt Platz, wer die heilende Wirkung der
Höhlenluft sucht – medizinisch Speläotherapie genannt. “Meist sind es Menschen, die an Asthma oder chronischer Bronchitis leiden”, erzählt Wolfgang Tischer, stellvertretender Betriebsleiter der Teufelshöhle. Linderung verspüren auch diejenigen mit Pollenallergie, Heuschnupfen oder Keuchhusten. Selbst Neurodermitis soll sich bei manchen nach dem Aufenthalt in der Höhle bessern.

Entspannung pur bietet allein schon der bloße Anblick der Teufelshöhle Pottenstein. (Foto: Gregor Schreiber Photography/gsphotos.de)

Schleimhäute werden stärker durchblutet

 

In der feuchten, kalten Höhlenluft werden die Schleimhäute stärker durchblutet. Das Ausatmen fällt
leichter und das Abhusten gelingt dadurch besser. Tischer weiß, wovon er spricht. Er ist Pollenallergiker und reagiert empfindlich auf Birkenpollen. Wenn es in der Natur blüht und grünt, ist er in der Höhle völlig beschwerdefrei. “Keine tränenden Augen, kein Kratzen im Hals, kein Juckreiz – es bringt tatsächlich was”, sagt er. In der Pollensaison benutzt er sonst ein Asthmaspray, auf das er nach Besuchen in der feuchten Höhlenluft weitgehend verzichten kann.

Zunächst war die Teufelshöhle in Pottenstein nur als touristisches Ausflugsziel geplant. Besucher mit Atemwegsproblemen merkten jedoch, dass sie nach längerem Aufenthalt im Inneren viel besser durchatmen konnten. Das deckte sich mit Beobachtungen von Bergleuten, die unter Tage von der guten Luft berichteten. So wurde 1987 mit der Therapiestation begonnen.

Ein Schlafsack hält warm

 

Mein Blick hebt sich zur Decke. Regungslos hält sich ein kleines Fellknäuel an einer Gesteinskante fest. Es ist eine Fledermaus, die sich ihr Winterquartier gesucht hat. Im Schatten neben ihr versteckt sich eine weitere – kopfüber hängend, wie es sich gehört. “Das könnten Wasserfledermäuse oder Mopsfledermäuse sein”, spekuliert Tischer. Ihre stoische Ruhe färbt auf mich ab. Ich bin tiefenentspannt, konzentriere mich voll und ganz auf eine ruhige, gleichmäßige Atmung. Selten habe ich meinen Körper so bewusst wahrgenommen. Es scheint, als sei die Zeit stehengeblieben.

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Nach gut 20 Minuten im Heilstollen bohrt sich die Höhlenkälte langsam tiefer in meine Gliedmaßen. Um sich warm zu halten, können Patienten flusenfreie Decken oder einen synthetischen Schlafsack mitbringen. Mich schützen eine Unterlage, Jeans und eine dünne Jacke über warmen Oberteilen. “Teilweise gehen die Gäste barfuß durch die Höhle”, sagt Tischer. Auch das sei möglich, wobei festes Schuhwerk zu empfehlen ist – vor allem, wenn man die gesamte Höhle erkunden will.
Warum man bei der Therapie liegt? “Weil es bequemer ist”, sagt Tischer. So wirke der Ruheeffekt stärker auf die Psyche und entspannt. Ob man nebenher meditiert, ein Buch liest oder dem Tropfen des Wassers lauscht: Hier kommt man zur Ruhe. Für Kinder gibt es in Begleitung eines Erwachsenen einen eigenen Therapiebereich, der über wenige Treppenstufen zu erreichen ist.

Als begleitende Therapie geeignet

 

Als alleiniges Therapeutikum sei die Speläotherapie nicht gedacht, sagt Tischer. Vielmehr eigne sich der Aufenthalt in der Höhlenluft als wertvolle, begleitende Therapie. “Absolut ohne Nebenwirkungen”, wie er versichert. Ob die Höhlenluft die Spätfolgen einer Corona-Erkrankung lindern kann? “Zur Rekonvaleszenz, nachdem das Ganze überstanden ist, kann ich mir das gut vorstellen”, sagt Tischer. Eine Dreiviertelstunde atme ich jetzt schon die wohltuende Höhlenluft ein. Das reicht mir. Gefühlt hat sich meine Körpertemperatur der Raumtemperatur ein gutes Stück angenähert. Wie frisch konserviert verlasse ich die Liegeposition. Platsch. Ein Tropfen fällt auf meine Schulter. Noch einer, diesmal auf den Kopf. Wenige Meter entfernt steht ein kleines Häuschen, eingemauert hinter Steinwänden. Ich betrete den Raum und greife zu einem gelben Telefon. Die 208 ist die Nummer ins Freie: Tischer ist informiert und kommt mich abholen. Vorbei an lamellenartigen Gesteinsstrukturen und Wasserbecken geht es hinaus. Das Tageslicht am Eingang der Höhle erschlägt mich fast. All die Düfte kommen zurück: Es riecht nach Wald, Wasser und der atmenden Natur. Während ich die Höhlenfrische langsam abwerfe, hole ich tief Luft – es könnte glatt zur Gewohnheit werden.

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Matthias Jell

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