Beim intuitiven Bogenschießen lernt man, den Kopf freizubekommen und auf den Körper zu vertrauen. Psychologe Jürgen Fries zeigte unserer Autorin, wie das geht.
Vor mir der idyllische Rosengarten des Klosters Maria Bildhausen, im Kopf Bilder von meinem unaufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich Papier stapelt. An diesem sonnigen Junitag will mir der Diplompsychologe Jürgen Fries zeigen, wie Bogenschießen helfen kann, Stress abzubauen und zur inneren Ruhe zu finden. Ich bin gespannt, ob das klappt.
Der Einstieg ist sanft: Wir stehen parallel zu den Zielscheiben, Fries lässt mich zuerst vor- und zurückwippen, um einen stabilen Stand zu finden; das Gleichgewicht verteilt auf beide Füße, die Knie leicht gebeugt. Die Atmung erfolgt über den Bauch. Ich soll meine Hände auf den Bauch legen, etwa in Höhe des Magens. „Sie dürfen einatmen, die Luft anhalten und kurz laut lachen – was spüren Sie?“ Der Bauch bewegt sich. „Bauchmuskulatur und Zwerchfell spannen sich kurz an, diese Spannung reicht.“ Wir nehmen die Arme seitlich hoch in Schulterhöhe und bilden ein „T“ – die Arme eine Linie zum Ziel. Der vordere Ellbogen wird nicht ganz durchgestreckt, die hintere Hand nimmt eine imaginäre Bogensehne und zieht sie, bis unser Daumen an der Wange liegt zum „Ankern“. Hier halten wir kurz inne. „Der Ankerpunkt gibt uns Kontakt zu uns selbst und sagt uns: Du darfst loslassen“, erklärt Fries.
Eine Fotogalerie vom Bogenschießen:
Bevor ich den Bogen aufnehmen darf, üben wir den Ablauf mit einem Theraband. Hier spürt man schon die Spannung, wenn man das Band zum Ankern dehnt. Dann wird es ernst: Ich nehme den Bogen auf und schieße hintereinander ein paar Pfeile ab. Dabei fällt Fries auf, dass ich beim Zielen ein Auge zusammenkneife. „Die Augen beide auflassen, dann sieht man mehr“, sagt er. Wir haben ja einen traditionellen Bogen ohne Zielvorrichtung. „Beim intuitiven Bogenschießen versuchen wir, unser Ziel im Blick zu haben, aber nehmen auch alles andere außen herum wahr.“ Beim intuitiven Bogenschießen stehen keine Hilfsmittel zur Verfügung, um die Pfeile ins Ziel zu bringen. Darum geht es auch gar nicht, zumindest nicht in erster Linie. Doch das zu akzeptieren, fällt mir erst einmal schwer, wie ich im Laufe des Nachmittags feststelle.
Worauf es beim Bogenschießen ankommt
Bogenschießen kann man als Wettkampfsport betreiben. Dennoch ist es viel mehr als nur ein Sport: „Es gibt so viele Parallelen zum Leben“, findet Fries: „Loslassen, Kontrolle abgeben, seinem Gefühl vertrauen – dann kann kommen, was will.“ Seit Jahren besitze ich einen einfachen Langbogen, mit dem ich gelegentlich im Garten geübt habe. Immer stand das Treffen der Zielscheibe – möglichst mittig – im Zentrum meiner Bemühungen. Und wie ich mich bemüht habe: Eigentlich müsste die Zielscheibe von meinem Anstarren durchlöchert sein. Merkwürdigerweise fielen die Ergebnisse immer unterschiedlich aus. Ich kann nicht behaupten, dass ich immer besser, treffsicherer geworden wäre. Denn darum geht es doch beim Bogenschießen, oder?
Loslassen: Atmen, nicht denken
Termin für den nächsten Kurs
Auf seiner Website www.bow-and-soul.de bietet Jürgen Fries unter anderem die „Kleine Auszeit vom Alltag“ an, bei der man über die Grundtechniken des Bogenschießens lernt, sich zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
Der nächste Kurs findet am 21. April zwischen 10 und 16 Uhr im Malteser Bildungshaus St. Josef, St.-Klara-Weg 1, 94330 Aiterhofen statt.
Diesen Beitrag teilen auf: