Der Weg ist das Ziel: Bogenschießen im Selbstversuch

Autorin Franziska Meinhardt probiert das Bogenschießen selbst aus.
Autorin Franziska Meinhardt probiert das Bogenschießen selbst aus. (Foto: Cestmir Mican)

Beim intuitiven Bogenschießen lernt man, den Kopf freizubekommen und auf den Körper zu vertrauen. Psychologe Jürgen Fries zeigte unserer Autorin, wie das geht.

Vor mir der idyllische Rosengarten des Klosters Maria Bildhausen, im Kopf Bilder von meinem unaufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich Papier stapelt. An diesem sonnigen Junitag will mir der Diplompsychologe Jürgen Fries zeigen, wie Bogenschießen helfen kann, Stress abzubauen und zur inneren Ruhe zu finden. Ich bin gespannt, ob das klappt.

Der Einstieg ist sanft: Wir stehen parallel zu den Zielscheiben, Fries lässt mich zuerst vor- und zurückwippen, um einen stabilen Stand zu finden; das Gleichgewicht verteilt auf beide Füße, die Knie leicht gebeugt. Die Atmung erfolgt über den Bauch. Ich soll meine Hände auf den Bauch legen, etwa in Höhe des Magens. „Sie dürfen einatmen, die Luft anhalten und kurz laut lachen – was spüren Sie?“ Der Bauch bewegt sich. „Bauchmuskulatur und Zwerchfell spannen sich kurz an, diese Spannung reicht.“ Wir nehmen die Arme seitlich hoch in Schulterhöhe und bilden ein „T“ – die Arme eine Linie zum Ziel. Der vordere Ellbogen wird nicht ganz durchgestreckt, die hintere Hand nimmt eine imaginäre Bogensehne und zieht sie, bis unser Daumen an der Wange liegt zum „Ankern“. Hier halten wir kurz inne. „Der Ankerpunkt gibt uns Kontakt zu uns selbst und sagt uns: Du darfst loslassen“, erklärt Fries.

Eine Fotogalerie vom Bogenschießen:

Bevor ich den Bogen aufnehmen darf, üben wir den Ablauf mit einem Theraband. Hier spürt man schon die Spannung, wenn man das Band zum Ankern dehnt. Dann wird es ernst: Ich nehme den Bogen auf und schieße hintereinander ein paar Pfeile ab. Dabei fällt Fries auf, dass ich beim Zielen ein Auge zusammenkneife. „Die Augen beide auflassen, dann sieht man mehr“, sagt er. Wir haben ja einen traditionellen Bogen ohne Zielvorrichtung. „Beim intuitiven Bogenschießen versuchen wir, unser Ziel im Blick zu haben, aber nehmen auch alles andere außen herum wahr.“ Beim intuitiven Bogenschießen stehen keine Hilfsmittel zur Verfügung, um die Pfeile ins Ziel zu bringen. Darum geht es auch gar nicht, zumindest nicht in erster Linie. Doch das zu akzeptieren, fällt mir erst einmal schwer, wie ich im Laufe des Nachmittags feststelle.

Worauf es beim Bogenschießen ankommt

Bogenschießen kann man als Wettkampfsport betreiben. Dennoch ist es viel mehr als nur ein Sport: „Es gibt so viele Parallelen zum Leben“, findet Fries: „Loslassen, Kontrolle abgeben, seinem Gefühl vertrauen – dann kann kommen, was will.“ Seit Jahren besitze ich einen einfachen Langbogen, mit dem ich gelegentlich im Garten geübt habe. Immer stand das Treffen der Zielscheibe – möglichst mittig – im Zentrum meiner Bemühungen. Und wie ich mich bemüht habe: Eigentlich müsste die Zielscheibe von meinem Anstarren durchlöchert sein. Merkwürdigerweise fielen die Ergebnisse immer unterschiedlich aus. Ich kann nicht behaupten, dass ich immer besser, treffsicherer geworden wäre. Denn darum geht es doch beim Bogenschießen, oder?

„Nein“, meint Jürgen Fries. „Natürlich möchte man die Scheibe treffen, aber die Leistung ist nicht das Wichtigste.“ Vielmehr ist der Weg dorthin das Wesentliche. „Der Intuition zu vertrauen – das sind wir heute im Alltag gar nicht mehr gewohnt.“ Der passionierte Bogenschütze hat sein Hobby in das Angebot seiner Praxis integriert: intuitives Bogenschießen im Rahmen einer Therapie oder zur Stressbewältigung als „Kleine Auszeit“. Letzteres bietet Fries unter anderem in der unterfränkischen Klosteranlage an. Das Loslassen des Pfeiles steht als Metapher für all das, was einen geistig beschäftigt, was einen stresst und belastet. Und so bemühe ich mich, nicht an die Aufgaben im Büro zu denken, die auf mich warten, sondern mich auf den Bewegungsablauf zu konzentrieren.
Jürgen Fries hat mir gezeigt, wie ich durch die Atmung meine Körpermitte stärke. Doch kaum hebe ich den Bogen an, ändert sich etwas. Der Pfeil trifft, aber eben nur irgendwo auf die Zielscheibe. Ich bin nicht zufrieden, sage aber nichts. „Warum haben Sie aufgehört zu atmen?“, will der Psychologe von mir wissen. Das habe ich nicht einmal bemerkt. Ich habe zwei Stunden Zeit und will alles richtig machen, um möglichst viel „mitzunehmen“. Die falsche Einstellung, das wird mir langsam klar.

Loslassen: Atmen, nicht denken

Eine Stunde später. Drei Pfeile stecken in der gelben Mitte der Zielscheibe – drei Pfeile, hintereinander abgeschossen. „Sehen Sie?“, sagt Jürgen Fries und lächelt mich an. „Woran haben Sie jetzt gedacht?“ Gute Frage. Ich weiß, woran ich nicht gedacht habe – nämlich ans Treffen der Mitte der Scheibe. Denn während ich den Bogen gespannt und die Pfeile losgelassen habe, nahm mich Fries selbst ins Visier – mit meiner Kamera. Das hat mich so weit von meinem Ehrgeiz abgelenkt, dass die Pfeile wie durch Zauberei ins Ziel fanden. Keine Zauberei – aber für mich ein Aha- Erlebnis: Da scheint wohl doch etwas dran zu sein, dass ich an die Sache zu „verkopft“ herangegangen bin. Daraufhin nehme ich es lockerer mit dem Zielen. Die Pfeile sammeln sich alle an einer Stelle der Zielscheibe. „Wenn das passiert, haben Sie Ihre Mitte gefunden“, kommentiert der Psychologe.
Ich schaffe es langsam, den Kopf nicht mehr die Hauptrolle spielen zu lassen. Ab da wird es leichter und leichter. Es geht mir plötzlich um die Freude des Bewegungsablaufs, einen Pfeil nach dem anderen schieße ich ab. Mein linker Arm, der den Bogen hält, wird schon etwas müde. Aber es läuft. Schließlich schieße ich mit geschlossenen Augen. Wie kann es sein, dass man ein Ziel trifft, das man nicht sieht? „Man trifft nicht, indem man mit dem Pfeil das Ziel anvisiert, sondern das kommt von hier“, sagt Jürgen Fries und legt seine Hand an die Stelle, wo das Herz ist. „Der Körper weiß dann schon, wie man zielt und schießt.“ Denn der Körper speichert die Bewegung ab. „Da ist ganz viel Intuition, auf die man sich verlassen kann.“ Sich selbst und seinem Körper zu vertrauen, ohne den Kopf ständig alles kontrollieren zu lassen – das ist das Geheimnis des intuitiven Bogenschießens. Dennoch kann das Ergebnis jeden Tag ein anderes sein: „Das Bogenschießen drückt aus, wie man sich fühlt“, weiß Fries. Dem erfahrenen Bogenschützen geht es selbst auch nicht anders. „Ich erlebe mich jeden Tag neu.“

Termin für den nächsten Kurs

Auf seiner Website www.bow-and-soul.de bietet Jürgen Fries unter anderem die „Kleine Auszeit vom Alltag“ an, bei der man über die Grundtechniken des Bogenschießens lernt, sich zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.


Der nächste Kurs findet am 21. April zwischen 10 und 16 Uhr im Malteser Bildungshaus St. Josef, St.-Klara-Weg 1, 94330 Aiterhofen statt.

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Matthias Jell

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