Kleine Bohne – große Kraft: Die Tradition des Kaffeeröstens in Murnau

In der Murnauer Kaffeerösterei gibt es verschiedenste Kaffeespezialitäten.
In der Murnauer Kaffeerösterei gibt es verschiedenste Kaffeespezialitäten. (Foto: Franziska Meinhardt)

Kaffee gibt es seit dem 9. Jahrhundert, aber seine Zubereitung hat sich seitdem verändert. Thomas Eckel von der Murnauer Kaffeerösterei wandelt auf den Spuren des letzten Kaisers in Wien. Bei der Vorführung einer alten Röstmaschine erklärt er, was es für guten Kaffee braucht.

Hellgrüne Bohnen scheppern im Zylinder der kleinen Röstmaschine auf dem Tisch. Das Geräusch erinnert an knirschende Kieselsteine. Kaffee-Experte Thomas Eckel dreht den Zylinder mit der Hand über eine seitliche Kurbel, damit die Bohnen gleichmäßig erhitzt werden. Um das Röstgerät herum schmiegen sich Flammen des Feuers, das er darunter mit Spiritus und Watte angezündet hat. Nach zwei bis drei Minuten sind 100 Grad erreicht. Es dampft.

Kaffeerösten wie früher
Kaffeerösten wie früher. (Foto: Franziska Meinhardt)

Kaffee zu genießen, das lernte Eckel bei einem Aufenthalt auf Hawaii im Jahr 2000. Dort merkte er, wie Kaffee schmecken kann. Als er mit seinem Vater über die Insel reiste, wurde der heute 51-Jährige auf einen Strauch mit Blüten sowie gelben und roten Kirschen aufmerksam und kostete beim Besitzer dieser “Coffea Arabica”-Pflanze zum ersten Mal Spezialitätenkaffee – der hochwertigste Kaffee, den es gibt. Ein Schlüsselerlebnis. “Uns war plötzlich bewusst, dass zwischen diesem und unserem Kaffee daheim Welten liegen”, sagt Eckel.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Der gebürtige Weilheimer suchte anschließend auch in Deutschland nach Spezialitätenkaffee – ohne Erfolg. “Ich habe mich monatelang durchprobiert und es war nichts dabei, was in die Richtung des Kaffees auf Hawaii ging.” 2006 knüpfte er zufällig Kontakt zu einem Kaffeebauern in den Niederlanden, der Kaffee aus Kolumbien vertreibt. Eckel kaufte den Kaffee und verkaufte ihn wieder – meist an Freunde. Schnell stellte er fest, dass derselbe Kaffee nicht immer gleich schmeckt und begab sich auf Spurensuche. Er ließ sich zum Chef-Diplom-Kaffeesommelier und Kaffee-Gutachter ausbilden. 2008 eröffnete Eckel die Murnauer Kaffeerösterei und 2010 das Kaffeehaus, in dem er Spezialitätenkaffee anbietet.

In der Röstmaschine wird das Scheppern sanfter. Der Grund: Die Bohnen werden leichter, weil sie Wasser verlieren. “Anfangs hatten die Bohnen noch zehn Prozent Feuchtigkeit”, sagt Eckel. Immer wieder prüft er sie. Ihre Farbe verändert sich, je länger die Bohnen rösten: von hellgrün über gelb zu braun. Es riecht ein wenig nach Mais. Die Silberhäutchen, dünne Samenschalen der Kaffeekirsche, lösen sich. Eckel pustet sie aus der Trommel, denn nur so können sich die Bohnen gleichmäßig entwickeln. Bei 180 Grad haben die Bohnen so viel Hitze um sich herum, dass sie aufplatzen. Dafür verantwortlich ist der Druck, der durch den Dampf entstanden ist. Es knackt und knistert. Die Bohnen sind jetzt hellbraun und duften herrlich. Eckel dreht langsam weiter – und berichtet, dass so zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. geröstet wurde. Nach etwa 15 Minuten schüttet er die mittlerweile 200 bis 220 Grad heißen, dunkelbraunen Bohnen in ein großes Sieb. Damit diese auf Raumtemperatur abkühlen, schüttelt er es kräftig. Jetzt braucht der Kaffee noch etwa drei Tage, damit sich seine Aromen entfalten können.

Was Kaffee besonders macht

“Kaffee hat 800 Aromen und das hat mit der Aufbereitung zu tun, die der Kaffeebauer vor Ort macht. Der Röster kann nur das rausholen, was der Bauer hineingetan hat”, sagt Eckel. Die meisten großen Röster, die Kaffee auf Masse produzieren, mischen die Bohnen nach der Röstung. Sie möchten immer das gleiche Geschmackserlebnis für ihre Kaffeesorten haben, da sonst womöglich Kunden vergrault werden. “Aromatische Ausreißer wie im Spezialitätenkaffee werden wir dort nicht finden.”

Das Klima und die Bodenbeschaffenheit spielen eine wesentliche Rolle für den Geschmack von Kaffee. Eckel: “Die Ernte dauert 90 Tage. Das, was man am ersten Tag erntet, ist nicht das, was man am letzten Tag bekommt.” Denn: Der Kaffeestrauch wächst in der freien Natur und deshalb gibt es große Abweichungen – schon allein aufgrund des wechselnden Wetters. Aber: “Je besser man mit dem Kaffeebauern zusammenarbeitet, desto bemühter ist dieser, aus seinen 90 verschiedenen Tageschargen die Bohnen so zusammenzumischen, dass man das bekommt, was man im vergangenen Jahr hatte”, sagt Eckel. Beim Rösten werde der Kaffee dennoch nie gleich schmecken wie zuvor, aber der Unterschied soll so gering sein, dass ihn der Konsument nicht wahrnimmt, sagt er. “Der Kunde ist sein Leben lang so erzogen worden, dass Kaffee immer gleich schmeckt.”

“Wir haben Kaffee aus 16 verschiedenen Ländern”, sagt Eckel, aus Asien, Lateinamerika und Afrika. In der Kaffeerösterei werden 20 Sorten geröstet. Wie lange Kaffee rösten muss, hängt von der Sorte ab. “Beim Rösten ist jede einzelne Phase wichtig.” Werden die Bohnen zu lange geröstet, sind sie bitter und schwarz. Sind sie zu kurz im Röster, schmeckt der Kaffee nicht, weil die Aromen fehlen.

Eindrücke aus dem Murnauer Kaffeehaus in einer Bildergalerie:

In der Murnauer Kaffeerösterei gibt es keine typische Espresso- oder Filterkaffeeröstung. “Wir schauen uns an, welche Aromen die Bohne von sich gibt. Sind die Aromen sehr fruchtig, versuchen wir alles, um diese fruchtige Note zu erhalten.” Hat der Kaffee jedoch schokoladige, nussige Töne, sei er für Espresso geeignet. Für jeden Kaffee gibt es ein eigenes Röstprofil. Das hängt vom Aroma und nicht von der Zubereitungsmethode ab. Prinzipiell kann man aus jeder Kaffeebohne jedes Getränk machen. “Man kann auch mit einem sehr fruchtigen Kaffee einen Espresso zubereiten”, sagt der Experte. Das ist reine Geschmackssache.

Was guten Kaffee ausmacht

Zuerst riecht Eckel am Kaffee und dabei müssen Aromen hervorstechen, egal ob schokoladig oder fruchtig. Danach kommt das Mundgefühl. “So ein Kaffee ist wie Sekt, er hat eine ganz leichte Fruchtsäure, darf aber nicht sauer sein.” Der Geschmack sollte schließlich mit dem Geruch übereinstimmen. “Filterkaffee sollte für mich samt und seidig im Abgang sein”, sagt Eckel.

Im Gegensatz zum Filterkaffee darf Espresso für ihn konventionell schmecken, sehr vollmundig mit schokoladigen und nussigen Tönen. Ohne Milch, ohne Zucker. Der Espresso ist für den Kaffeesommelier die Königsdisziplin in der Zubereitung. Die Fehleranfälligkeit sei hier hoch. “Der Espresso sollte im Abgang weder süß noch bitter sein, am besten aber leicht süßlich.” Und dies sollte nicht durch hinzugefügten Zucker erreicht werden, sondern weil der Bauer eine rote Kaffeekirsche geerntet und der Röster diese Süße so geröstet hat, dass sie karamellisiert. Der Barista sollte aus dem, was der Vorgänger gemacht hat, das Richtige herausholen. “Der Bauer hat neun Monate Zeit, bis der Kaffee reif ist, der Röster hat 15 Minuten zum Rösten und der Barista hat 24 Sekunden Zeit in der Zubereitung”, sagt Eckel. Viel Potential, dass aus einem Kaffee ein echtes Geschmackserlebnis wird.

Weitere Informationen zum Kaffee und Tipps zum Kaffeekochen  gibt es in der Ausgabe 02/2023. Einen Vorgeschmack bietet das Rezept für Mélange Orangina und für Pearmint Cascara sowie das Rezept für Kaffeetorte.

Google Maps

Mit dem Laden der Karte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Google.
Mehr erfahren

Karte laden

Matthias Jell

Matthias Jell

Auch interessant

Weihnachtliches Mitsing-Event mit Hannes Ringlstetter und Claudia Koreck in München

“Wir singen gemeinsam die schönsten Weihnachtslieder” ist der Titel der Mitmachshow, die erstmals am Freitag, 22. Dezember 2023,  in der Münchner Olympiahalle stattfindet. Die Besucher erwartet ein besinnlicher Abend mit den schönsten Weihnachtsliedern von bayerischen über deutschen bis hin zu internationalen Klassikern. Darunter sind Lieder wie “Es wird scho glei dumpa”, “Oh Tannenbaum”, “Winter Wonderland” …

Weihnachtliches Mitsing-Event mit Hannes Ringlstetter und Claudia Koreck in München Read More »

Sozialdrama „Die Weber“ in Bad Kötzting: Künstlerischer Leiter Sascha Edenhofer im Interview

Ausbeutung, Hunger, Existenznöte – das Sozialdrama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann zeigt eindrucksvoll, durch welche Umstände es zum schlesischen Weberaufstand 1844 kam. Die Festspielgemeinschaft Kötzting e.V. (FSG) bringt das Stück im nächsten Jahr auf den Ludwigsberg in Bad Kötzting, traditionell in bairischer Mundart. Der künstlerische Leiter Sascha Edenhofer erklärt im Interview, warum man sich für …

Sozialdrama „Die Weber“ in Bad Kötzting: Künstlerischer Leiter Sascha Edenhofer im Interview Read More »

Eindrucksvolle Licht- und Videoanimation in der Hugenottenkirche Erlangen

Die Künstlergruppe “Projektil Zürich” und “Die Kulturoptimisten” zeigen in der Hugenottenkirche Erlangen eine beeindruckende Licht- und Videoanimation. Unter dem Namen “Genesis” werden die ersten Tage der biblischen Schöpfungsgeschichte dreidimensional und mit passender Musikbegleitung auf die Innenfassade projiziert. 25 Minuten erfahren die Besucher Kunst auf immersive Weise – mittendrin, statt als Betrachter vor einem Bild oder …

Eindrucksvolle Licht- und Videoanimation in der Hugenottenkirche Erlangen Read More »

Wiener Dialekt ist anders: urleiwand!

Wer zum ersten Mal in Wien ist, wird sofort feststellen, dass der dortige Dialekt ureigen ist: der sogenannte Wiener Schmäh. Bayerns Bestes erklärt in seinem Österreich-Special einige in Wien geläufige Dialektbegriffe. “A Eitrige” Was ziemlich unappetitlich klingt, ist es aber nicht: Die „Eitrige“ war in Wien einfach ein Synonym für eine Käsekrainer-Wurst. Also nicht wundern, …

Wiener Dialekt ist anders: urleiwand! Read More »

“Peppa Pig Park” eröffnet in Günzburg

Günzburg erhält neben dem Legoland noch eine zweite Freizeitpark-Attraktion. Im kommenden Jahr soll der “Peppa Pig Park” eröffnen, in dem sich alles um das Zeichentrick Schwein Peppa Wutz dreht. Der Park richtet sich an Vorschulkinder und deren Eltern. Geplant sind verschiedene Fahrgeschäfte, Wasser-Attraktionen und Shows. Weitere Informationen gibt es unter www.peppapigpark.de. Mit dem Laden der …

“Peppa Pig Park” eröffnet in Günzburg Read More »

Auf die Willibaldsburg im Naturpark Altmühltal

Mit der mächtigen Zweiturmfassade thront die Willibaldsburg im Naturpark Altmühltal. Die Burg wurde 1355 auf dem Willibaldsberg von Bischof Berthold Burggraf von Zollern errichtet. Heute sind von der 420 Meter langen Burganlage Mauern und Bastionen, das Zeughaus und die Torhalle erhalten. Auch der “Gemmingenbau” kann besichtigt werden – dort befindet sich das Jura Museum mit …

Auf die Willibaldsburg im Naturpark Altmühltal Read More »

Nach oben scrollen