Knapp 800 Einwohner leben im beschaulichen Trautmannsdorf. Kaum jemand würde hier ein Mekka für Feinschmecker aus aller Welt vermuten – ist es aber. Denn das einstige Dorfwirtshaus direkt neben der barocken Pfarrkirche hat sich mittlerweile international einen Namen gemacht: der „Steira Wirt“. Das Verdienst von Richard Rauch und seiner Schwester Sonja, die schon früh mehr im Sinn hatten, als nach der Sonntagsmesse Schnitzel und Gulasch an den Gast zu bringen.
So vereint das einstige Dorfwirtshaus mittlerweile Wirtshaus und Restaurant, aus dem „Steira Wirt“ wurde „Geschwister Rauch vulgo Steira Wirt“. Das Restaurant wurde vom Gault Millau mit vier Hauben und 18 Punkten ausgezeichnet, das Wirtshaus mit zwei Hauben und 18 Punkten. Dabei hatte Richard Rauch ursprünglich andere Pläne, als im heimischen Trautmannsdorf zu kochen. Nach seiner Lehre wollte er die Welt bereisen und im Ausland arbeiten.
„Blut ist dicker als Wasser“, sagt der heute 38-Jährige. Deshalb folgte er dem Lockruf seiner Schwester, die händeringend nach einem Küchenchef für den „Steira Wirt“ suchte. Damals war Richard Rauch gerade einmal 18 Jahre alt – blutjung für einen Küchenchef. „In dem Alter ist man noch grün hinter den Ohren und will jedem beweisen, wie gut man ist. Was mir aber fehlte, war Erfahrung und Routine“, erinnert er sich. Dinge, die die Zeit mit sich bringt.
Die hohe Fallhürde für Spitzenköche bei Herzensgerichten
Was ihm in die Wiege gelegt wurde, ist das Talent fürs Kochen. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, schaute er schon als Kind der Oma in der Küche über die Schulter. Noch heute schwärmt Richard Rauch von ihren Kochkünsten: „Die klassische geschmorte Rindsroulade mit Erdäpfelpüree nach dem Rezept meiner Oma ist immer noch mein absolutes Lieblingsgericht.“ Für ihn ist es nicht nur gut essen, sondern vor allem Kindheitserinnerung: „Es ist extrem schwer, diese Nostalgie und diese Emotion nachzukochen. Wir Profiköche denken oft zu kompliziert, dabei geht es bei solchen Herzensgerichten gerade darum, sie schlicht und einfach zu halten.“
Für Richard Rauch ging es darum, als junger Küchenchef seinen eigenen Kochstil zu finden – basierend auf seinen Wurzeln. „Als ich etwa 20 Jahre alt war, habe ich mich gefragt, ob es das ist, was ich die nächsten 50 Jahre machen möchte. Gute Schnitzel und Gulasch kochen ist zwar auch eine Kunst für sich, aber es wurde mir schnell zu wenig kreativ.“ Ein neues Konzept musste also her: radikal regional und trotzdem experimentierfreudig. Nicht jeder Stammgast aus Dorfwirtshaus-Zeiten ging diesen Schritt mit. Eine kulinarische Gratwanderung.
Der „Guide Michelin“ kocht in Österreich sein eigenes Süppchen
Trotzdem gingen die Geschwister Rauch den eingeschlagenen Weg unbeirrt weiter und eröffneten zusätzlich das gleichnamige Restaurant. Mit Erfolg. Mittlerweile zählt das „Geschwister Rauch vulgo Steira Wirt“ zu den Top-Adressen Österreichs und ist längst auch international bekannt. Bis heute wartet das Restaurant allerdings sehnsüchtig auf seinen ersten Michelin-Stern. An der Qualität liegt es nicht. Doch der „Guide Michelin“ kocht in Österreich sein eigenes Süppchen. Dort werden nur Gastronomien in Wien und Salzburg mit dem prestigeträchtigen Preis ausgezeichnet, der Rest wird geflissentlich ignoriert. Für Richard Rauch ein Unding: „Das ist schon frustrierend. Am Ende des Tages sind wir nicht nur Köche, sondern vor allem Unternehmer. Es geht um wirtschaftlichen Erfolg. Michelin-Sterne sind dafür essenzieller Bestandteil.“
Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. So machte sich Richard Rauch in den letzten Jahren insbesondere in Deutschland auch durch Auftritte in verschiedenen TV-Produktionen einen Namen, wie etwa als Juror in der „Küchenschlacht“ im ZDF. Deutschlands bekanntester Fernsehkoch, Tim Mälzer, durfte sich in der zweiten Staffel von „Kitchen Impossible“ an der kreativen Küche von Richard Rauch die Zähne ausbeißen. Mälzer war damals von Christian Lohse nach Trautmannsdorf geschickt worden, um einen experimentellen Klassiker aus dem „Steira Wirt“ richtig zu analysieren und nachzukochen: Steirische Jakobsmuscheln. Die Steiermark und Jakobsmuscheln? Klingt alles andere als regional, ist es aber. Tatsächlich handelt es sich bei dem Gericht nicht um Seafood, sondern um Stierhoden mit Kuheuter.
Wie man sich den Geschmack von Stierhoden vorstellen darf
„Von der Textur her erinnern Stierhoden eher an Weißwurst, vom Geschmack an Kalbsbries. Sie schmecken also eher mild und längst nicht so intensiv wie Nieren“, erklärt Richard Rauch. Der Gedanke, Stierhoden zu essen, löst Kopfkino aus. Blendet man das aber aus, bleibt der gute Geschmack, wie Richard Rauch anhand einer Anekdote zu berichten weiß: „Auf Einladung von Christian Lohse habe ich die Steirischen Jakobsmuscheln auf einer noblen Küchenparty mit 400 Gästen in Berlin gekocht. Plötzlich kam eine junge, sehr elegante Dame zu mir und schwärmte von dem Gericht.“ Konkret fragte sie den Gastronom aus der Steiermark, wie er es schaffe, dass die Jakobsmuscheln so gar nicht nach Meerwasser schmecken würden. Auf Ibiza habe sie das Gericht noch nie so köstlich gegessen. „Ich habe die Dame erst gefragt, ob sie wirklich die Wahrheit wissen möchte. Als ich ihr dann sagte, dass sie gerade zwei Portionen Stierhoden gegessen hat, wäre sie mir fast umgefallen“, denkt Rauch noch heute amüsiert an diese Erfahrung zurück.
Er legt seit jeher großen Wert darauf, dass in seiner Küche möglichst alles vom Tier verarbeitet wird – „nose to tail“ nennt sich das in der Kochsprache. Für Richard Rauch ein völlig natürlicher Prozess: „Mein Vater ist Fleischer und Landwirt. Bei uns wurden immer schon auch Innereien gegessen.“ Daher haben im „Geschwister Rauch vulgo Steira Wirt“ Innereien einen Stammplatz auf der Speisekarte. „Es ist trotzdem noch ein kulinarisches Randgebiet. Die Innereienküche ist sehr speziell. Man muss da teilweise schon Überzeugungsarbeit leisten, indem man die Menschen langsam zu diesen Gerichten hinführt und sie ohne jeglichen Zwang auf den Geschmack bringt.“
„Mit diesem Produkt würde ich nie kochen“
Kreativität ist eben oftmals das Geheimrezept des Erfolgs. Und als Koch sollte man ohnehin alles abschmecken und alles mögen. Richard Rauch macht da lediglich eine Ausnahme: „Lakritz. Der Geschmack geht für mich gar nicht. Damit würde ich nie kochen.“ Gegessen hat er es aber trotzdem schon. „Das war als Juror bei der ‚Küchenschlacht‘. Ich hätte das Gericht nie im Restaurant bestellt, habe es in dem Fall aber aus Respekt gegessen.“
Das Rezept für Rindsrouladen von Richard Rauch gibt es hier.
Diesen Beitrag teilen auf: