Alltag bei den Regensburger Domspatzen: „Wir sind schon ein besonderes Kaff“

Johann W. ist Schüler der Oberstufe bei den Regensburger Domspatzen.
Johann W. ist Schüler der Oberstufe bei den Regensburger Domspatzen. (Foto: W.)

Die Regensburger Domspatzen blicken auf eine sehr lange Tradition zurück. Seit 2022 werden in der einstigen Jungenschule auch Mädchen unterrichtet. Johann W. ist ein Regensburger Domspatz und gibt Einblicke in seinen Alltag.

Mein Name ist Johann W. und ich bin Schüler in der Oberstufe bei den Regensburger Domspatzen. Warum singen heutzutage noch junge Leute im Chor oder Vokalensemble? Das fragen sich sicher viele Außenstehende. Ganz schnell und einfach beantwortet: Weil gemeinsamer Gesang viel Spaß macht. Man selbst arbeitet an der eigenen Stimme und spielt nebenbei eines oder mehrere Instrumente. Wohl einer der vielen Gründe, weswegen ich bei den Regensburger Domspatzen bin.
Das „Kaff“, wie wir unsere Schule nennen, ist aber so viel mehr: Es ist fast schon ungewöhnlich kompliziert. Das System, das unter ein und demselben Dach zu Hause ist, teilt sich in drei Bereiche: Gymnasium, Internat und Chor. Im Gymnasium lernt man, im Internat lebt man und im Chor singt und reist man. Die Organisation dieser einzelnen Bereiche ist in verschiedenen Händen.

Zunächst versuche ich, getreu dem scherzhaften Satz: „Chor geht vor“, das offensichtlich Besondere an unserer Schule zu erklären. Bevor Jungen der unteren Jahrgangsstufen in den Stimmbruch kommen, singen diese zunächst entweder im Chor von Max Rädlinger oder von Kathrin Giehl. Wenn sie besondere sängerische Qualitäten besitzen, haben sie durch ein Vorsingen die Möglichkeit, in den Chor von Domkapellmeister Christian Heiß aufgenommen zu werden. Für die jüngeren Schüler sind tägliche Chorproben im Tagesplan inbegriffen. Auch im Stimmbruch erhält man wöchentlich stimmliche Betreuung. Ist dieser abgeschlossen, wird man erneut entweder bei Max Rädlinger oder Kathrin Giehl aufgenommen – nur diesmal in den Männerchor. Hier hat man ebenfalls die Möglichkeit, in den Chor des Domkapellmeisters zu kommen. Die Mädchen und jungen Frauen singen im neuen Mädchenchor des Gymnasiums, der seit 2022 besteht und von Elena Szuczies geleitet wird. Das war nun allein das grobe System des Chores.

Ein Tag bei den Domspatzen

Natürlich muss im Alltag eines Domspatzen auch ein normaler Schultag, eine Nachmittagsbetreuung mit Lernen sowie das Erledigen von Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten untergebracht werden. Los geht der Tag, wie für viele Gleichaltrige, mit dem eher tristen Schulalltag. Denn nach dem Mittagessen im Speisesaal ist noch längst nicht Schluss: Hausaufgaben und sonstige Termine im Haus müssen erledigt werden. Einmal pro Woche hat man Stimmbildung und Instrumentalunterricht – der bis zur zehnten Jahrgangsstufe verpflichtend ist. Und zu guter Letzt steht meist am Nachmittag noch eine anspruchsvolle Chorprobe an. Danach können Tagesschüler, die bei ihren Familien wohnen, nach Hause fahren. Auf Internatsschüler wartet hingegen schon das Abendessen.
Das alles mag etwas viel wirken. Zugegeben fordert der Alltag bei den Domspatzen viele, sodass man am Wochenende sehr erschöpft sein kann. Auch für mich war damals vieles neu: In der fünften Klasse schien der Tag ewig lang und vieles, wie die Stimmbildung, wirkte mehr lästig als fördernd. Doch irgendwann kam für mich der Moment, als ich realisierte, dass die Musik Leute bewegt. Hauptsächlich steht für mich aber der Spaß im Vordergrund. Hat man erstmal realisiert, dass die Zeit im Chor begrenzt ist, genießt man jede musikalische Sekunde.
Eine große Ehre sind für mich die Domämter (Gottesdienste) im Dom St. Peter und der Niedermünsterkirche. Außerdem gestalten wir außerhalb von Regensburg Konzerte mit geistlichem und weltlichem Programm. Letztere finden fast ausschließlich im Sommer, Herbst und in der Vorweihnachtszeit statt. In den Wochen davor üben wir vor allem neue Programmstücke ein. Bei solchen Auftritten bekommt man mit der Zeit eine gewisse Routine, trotzdem ist die Anspannung allgegenwärtig. Die Konzerte im privaten Zeitplan unterzubringen, ist aber nicht immer leicht.

Ein gutes Miteinander

Bei diesen Konzerten merke ich immer wieder aufs Neue, dass uns etwas Besonderes verbindet. Es ist dieses Gemeinschaftsgefühl. Ein guter Chor funktioniert grundsätzlich nur mit Zusammenhalt und Engagement. Das hielt den Chor auch im Corona-Lockdown zusammen, während Proben nur notdürftig in Videokonferenzen stattfinden konnten. Natürlich ist nicht alles perfekt im Umgang miteinander. Wir „Kaffler“ sind schließlich immer noch ein Haufen Jugendlicher, die lernen müssen, miteinander auszukommen. Trotzdem gelingt das aus meiner Wahrnehmung heraus, auch dank Tutorenprogramme, durch ein gesundes Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Schülern gut.

Und natürlich besteht ein Tag bei den Domspatzen nicht nur aus Proben, Unterricht und Stress. Wenn nicht gerade eine Phase mit mehreren Prüfungen in einer Woche ansteht, findet sich für mich immer Zeit, zu entspannen und etwas mit Freunden zu unternehmen. Hierbei bietet auch das Internat einige vielseitige Möglichkeiten. Während sich viele Jüngere öfters auf den Sportplätzen oder im hauseigenen Schwimmbad austoben, hat die Oberstufe einen eigenen kleinen Partykeller – genannt „Kobel“.

Öffnung der Schule

Neuer Wind zog vor gut einem Jahr durch die Gänge. Denn: Mitschülerinnen waren zugegeben erstmal etwas ungewohnt. Der Entschluss wurde uns nach dem Lockdown 2021 in einer Vollversammlung verkündet, was für alle genug Vorbereitungszeit bot, sich auf die große Zahl neuer Schülerinnen und tatsächlich auch Schüler vorzubereiten. Es dürfte wohl kein Geheimnis sein, dass die koedukative Öffnung des „Kaffs“ auch für diejenigen Schüler eine Öffnung war, die sich gegen eine reine Jungenschule entschieden hätten. Für manch wenige mag es eine größere Umstellung gewesen sein, für den Großteil von uns aber fühlt es sich nach einem Jahr wie das Normalste der Welt an.

Während des letzten Schuljahres hat sich einiges verändert. Musikstücke für Mädchenchöre haben den Weg ins Repertoire der Domspatzen gefunden. Der Mädchenchor, der natürlich ebenfalls Domgottesdienste gestaltet und in Konzerten singt, entlastet die anderen Chöre. Der Grund: Da sich alle Chöre mit der Gestaltung der 10-Uhr-Messe am Sonntag abwechseln, singt jeder Chor nur noch alle vier Wochen, anstatt früher alle drei Wochen.

Was macht also das „kaffsche“ Rezept zu etwas Besonderem? Die umfangreiche Ausbildung in vielen Bereichen der klassischen Musik, die um einen Mädchenchor ergänzte über 1000-jährige Tradition und die Gemeinschaft, die durch den Alltag miteinander und somit jahrelange Kontakte fast schon zwangsläufig entsteht. Meine schulische Laufbahn ist noch nicht beendet, rückblickend kann ich aber für mich sagen, dass ich mich definitiv richtig entschieden habe.
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Matthias Jell

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