Kaffee gibt es seit dem 9. Jahrhundert, aber seine Zubereitung hat sich seitdem verändert. Thomas Eckel von der Murnauer Kaffeerösterei wandelt auf den Spuren des letzten Kaisers in Wien. Bei der Vorführung einer alten Röstmaschine erklärt er, was es für guten Kaffee braucht.
Hellgrüne Bohnen scheppern im Zylinder der kleinen Röstmaschine auf dem Tisch. Das Geräusch erinnert an knirschende Kieselsteine. Kaffee-Experte Thomas Eckel dreht den Zylinder mit der Hand über eine seitliche Kurbel, damit die Bohnen gleichmäßig erhitzt werden. Um das Röstgerät herum schmiegen sich Flammen des Feuers, das er darunter mit Spiritus und Watte angezündet hat. Nach zwei bis drei Minuten sind 100 Grad erreicht. Es dampft.
Kaffee zu genießen, das lernte Eckel bei einem Aufenthalt auf Hawaii im Jahr 2000. Dort merkte er, wie Kaffee schmecken kann. Als er mit seinem Vater über die Insel reiste, wurde der heute 51-Jährige auf einen Strauch mit Blüten sowie gelben und roten Kirschen aufmerksam und kostete beim Besitzer dieser „Coffea Arabica“-Pflanze zum ersten Mal Spezialitätenkaffee – der hochwertigste Kaffee, den es gibt. Ein Schlüsselerlebnis. „Uns war plötzlich bewusst, dass zwischen diesem und unserem Kaffee daheim Welten liegen“, sagt Eckel.
Der gebürtige Weilheimer suchte anschließend auch in Deutschland nach Spezialitätenkaffee – ohne Erfolg. „Ich habe mich monatelang durchprobiert und es war nichts dabei, was in die Richtung des Kaffees auf Hawaii ging.“ 2006 knüpfte er zufällig Kontakt zu einem Kaffeebauern in den Niederlanden, der Kaffee aus Kolumbien vertreibt. Eckel kaufte den Kaffee und verkaufte ihn wieder – meist an Freunde. Schnell stellte er fest, dass derselbe Kaffee nicht immer gleich schmeckt und begab sich auf Spurensuche. Er ließ sich zum Chef-Diplom-Kaffeesommelier und Kaffee-Gutachter ausbilden. 2008 eröffnete Eckel die Murnauer Kaffeerösterei und 2010 das Kaffeehaus, in dem er Spezialitätenkaffee anbietet.
In der Röstmaschine wird das Scheppern sanfter. Der Grund: Die Bohnen werden leichter, weil sie Wasser verlieren. „Anfangs hatten die Bohnen noch zehn Prozent Feuchtigkeit“, sagt Eckel. Immer wieder prüft er sie. Ihre Farbe verändert sich, je länger die Bohnen rösten: von hellgrün über gelb zu braun. Es riecht ein wenig nach Mais. Die Silberhäutchen, dünne Samenschalen der Kaffeekirsche, lösen sich. Eckel pustet sie aus der Trommel, denn nur so können sich die Bohnen gleichmäßig entwickeln. Bei 180 Grad haben die Bohnen so viel Hitze um sich herum, dass sie aufplatzen. Dafür verantwortlich ist der Druck, der durch den Dampf entstanden ist. Es knackt und knistert. Die Bohnen sind jetzt hellbraun und duften herrlich. Eckel dreht langsam weiter – und berichtet, dass so zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. geröstet wurde. Nach etwa 15 Minuten schüttet er die mittlerweile 200 bis 220 Grad heißen, dunkelbraunen Bohnen in ein großes Sieb. Damit diese auf Raumtemperatur abkühlen, schüttelt er es kräftig. Jetzt braucht der Kaffee noch etwa drei Tage, damit sich seine Aromen entfalten können.
Was Kaffee besonders macht
„Kaffee hat 800 Aromen und das hat mit der Aufbereitung zu tun, die der Kaffeebauer vor Ort macht. Der Röster kann nur das rausholen, was der Bauer hineingetan hat“, sagt Eckel. Die meisten großen Röster, die Kaffee auf Masse produzieren, mischen die Bohnen nach der Röstung. Sie möchten immer das gleiche Geschmackserlebnis für ihre Kaffeesorten haben, da sonst womöglich Kunden vergrault werden. „Aromatische Ausreißer wie im Spezialitätenkaffee werden wir dort nicht finden.“
Das Klima und die Bodenbeschaffenheit spielen eine wesentliche Rolle für den Geschmack von Kaffee. Eckel: „Die Ernte dauert 90 Tage. Das, was man am ersten Tag erntet, ist nicht das, was man am letzten Tag bekommt.“ Denn: Der Kaffeestrauch wächst in der freien Natur und deshalb gibt es große Abweichungen – schon allein aufgrund des wechselnden Wetters. Aber: „Je besser man mit dem Kaffeebauern zusammenarbeitet, desto bemühter ist dieser, aus seinen 90 verschiedenen Tageschargen die Bohnen so zusammenzumischen, dass man das bekommt, was man im vergangenen Jahr hatte“, sagt Eckel. Beim Rösten werde der Kaffee dennoch nie gleich schmecken wie zuvor, aber der Unterschied soll so gering sein, dass ihn der Konsument nicht wahrnimmt, sagt er. „Der Kunde ist sein Leben lang so erzogen worden, dass Kaffee immer gleich schmeckt.“
„Wir haben Kaffee aus 16 verschiedenen Ländern“, sagt Eckel, aus Asien, Lateinamerika und Afrika. In der Kaffeerösterei werden 20 Sorten geröstet. Wie lange Kaffee rösten muss, hängt von der Sorte ab. „Beim Rösten ist jede einzelne Phase wichtig.“ Werden die Bohnen zu lange geröstet, sind sie bitter und schwarz. Sind sie zu kurz im Röster, schmeckt der Kaffee nicht, weil die Aromen fehlen.
In der Murnauer Kaffeerösterei gibt es keine typische Espresso- oder Filterkaffeeröstung. „Wir schauen uns an, welche Aromen die Bohne von sich gibt. Sind die Aromen sehr fruchtig, versuchen wir alles, um diese fruchtige Note zu erhalten.“ Hat der Kaffee jedoch schokoladige, nussige Töne, sei er für Espresso geeignet. Für jeden Kaffee gibt es ein eigenes Röstprofil. Das hängt vom Aroma und nicht von der Zubereitungsmethode ab. Prinzipiell kann man aus jeder Kaffeebohne jedes Getränk machen. „Man kann auch mit einem sehr fruchtigen Kaffee einen Espresso zubereiten“, sagt der Experte. Das ist reine Geschmackssache.
Was guten Kaffee ausmacht
Zuerst riecht Eckel am Kaffee und dabei müssen Aromen hervorstechen, egal ob schokoladig oder fruchtig. Danach kommt das Mundgefühl. „So ein Kaffee ist wie Sekt, er hat eine ganz leichte Fruchtsäure, darf aber nicht sauer sein.“ Der Geschmack sollte schließlich mit dem Geruch übereinstimmen. „Filterkaffee sollte für mich samt und seidig im Abgang sein“, sagt Eckel.
Im Gegensatz zum Filterkaffee darf Espresso für ihn konventionell schmecken, sehr vollmundig mit schokoladigen und nussigen Tönen. Ohne Milch, ohne Zucker. Der Espresso ist für den Kaffeesommelier die Königsdisziplin in der Zubereitung. Die Fehleranfälligkeit sei hier hoch. „Der Espresso sollte im Abgang weder süß noch bitter sein, am besten aber leicht süßlich.“ Und dies sollte nicht durch hinzugefügten Zucker erreicht werden, sondern weil der Bauer eine rote Kaffeekirsche geerntet und der Röster diese Süße so geröstet hat, dass sie karamellisiert. Der Barista sollte aus dem, was der Vorgänger gemacht hat, das Richtige herausholen. „Der Bauer hat neun Monate Zeit, bis der Kaffee reif ist, der Röster hat 15 Minuten zum Rösten und der Barista hat 24 Sekunden Zeit in der Zubereitung“, sagt Eckel. Viel Potential, dass aus einem Kaffee ein echtes Geschmackserlebnis wird.
Weitere Informationen zum Kaffee und Tipps zum Kaffeekochen gibt es in der Ausgabe 02/2023. Einen Vorgeschmack bietet das Rezept für Mélange Orangina und für Pearmint Cascara sowie das Rezept für Kaffeetorte.
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