Sie sind süß, flauschig und gerade im Herbst besonders häufig anzutreffen, wenn sie nach der Nuss- und Samenreife ihre Depots anlegen: die Eichhörnchen. Grund, um beim Bund Naturschutz mal nachzufragen, wie es um das Eichhörnchen in Bayern so steht. Umweltwissenschaftlerin Martina Gehret betreut dort das Citizen Science Projekt „Eichhörnchen in Bayern“ und ist Expertin, wenn es um die possierlichen Nager geht.
Frau Gehret, Eichhörnchen haben putzige Augen, süße Ohren und einen flauschigen Schwanz. Man muss sie einfach gern haben, oder?
Martina Gehret: Absolut! Eichhörnchen genießen ein Positivimage und sind auf der Beliebtheitsskala von uns Menschen ziemlich weit oben. Trotzdem sind es Wildtiere mit bestimmten Lebensraumansprüchen und sie fühlen sich nur dort wohl, wo es ausreichend Nahrung, Verstecke und Rückzugsorte für sie gibt.
Wie leben die Tiere?
Gehret: Unsere Baumhörnchen leben als Einzelgänger, die nur zur Paarung und an den Futterstellen zusammenkommen. Sie sind in Bayern flächendeckend vorhanden – also in allen Naturlebensräumen – und bauen sich meistens stammnah Kobel, wo sie schlafen, ruhen und die Jungen großziehen. Von den Kobeln haben sie mehrere zum Wechseln. Die Tiere sind schwindelfreie Kletterer, fleißige Nusssammler, tagaktiv und halten Winterruhe. Pro Jahr legen sie etwa 10.000 Depots zum Horten ihrer Nahrung an.
Fressen sie denn auch noch etwas Anderes außer Nüsse?
Gehret: Auf dem Speiseplan stehen fett- und energiereiche Baumsamen, je nach Angebot und Verfügbarkeit. Bei uns sind das hauptsächlich Kiefern- und Fichtensamen. Aber natürlich auch Nüsse wie Haselnüsse, Walnüsse oder Bucheckern. Geliebt werden aber auch Sonnenblumenkerne. Und je nach Jahreszeit nehmen Pilze auch einen ganz wichtigen Teil ein. Eichhörnchen sind zwar Nagetiere, zählen aber zu den Allesfressern. Sie sind Opportunisten, die nehmen, was da ist. Und sie fressen auch Insekten, Wurzeln oder auch mal Vogeleier, einen Jungvogel oder Aas. In der Stadt oder im Siedlungsbereich können das auch ganz ungewöhnliche Dinge sein.
Jungvögel fressen sie auch?
Gehret: Im Frühling und Sommer kann das vorkommen, allerdings nicht allzu oft. Aber auf den Bestand der Vögel haben die Eichhörnchen keinen Einfluss.
Soll man Eichhörnchen füttern?
Darf oder soll man Eichhörnchen füttern?
Gehret: Ja und nein! Bei Nahrungsknappheit darf man selbstverständlich helfen. Das kann bei uns in Bayern im Sommer vor der Samenreife oder im Winter sein, wenn wir eine hohe Schneedecke haben. Regional kann die Situation aber ganz unterschiedlich aussehen. Durch die diesjährige Hitze und Dürre kann es auch sein, dass die Bäume und Sträucher weniger Samen, Nüsse oder Früchte tragen. Das gilt aber nicht flächendeckend. Jeder, der Eichhörnchen oder Wildtiere generell unterstützen möchte, sollte verantwortungsvoll handeln. Das bedeutet: das richtige Futter am richtigen Ort und zur richtigen Zeit anbieten. Und noch wichtiger als Futter ist frisches Wasser. Das sollte unbedingt das ganze Jahr über im Garten angeboten werden.
Was können wir tun, um die Eichhörnchen zu unterstützen und zu schützen?
Gehret: Die Gärten eichhörnchenfreundlich gestalten, also Bäume anpflanzen, alte Bäume erhalten und Wasserstellen anbieten. Wer keinen Platz für Bäume hat, kann zum Beispiel Haselsträucher anpflanzen. So einer passt auch in einen kleinen Garten. Außerdem kann man Stadtbaumpatenschaften übernehmen.
Sie betreuen das Citizen Science Projekt „Eichhörnchen in Bayern“. Worum handelt es sich dabei?
Gehret: Das ist ein Bürgerforscherprojekt, bei dem jeder mitmachen kann. Wer zufällig ein Eichhörnchen sieht, kann dies über eine eigene Eichhörnchen-App oder ein Online-Meldetool melden. Von Interesse sind für uns die geographische Verbreitung der Eichhörnchen in ganz Bayern, oder was diese gerade tun, wenn sie gesichtet werden. Mit dem Projekt wollen wir unter anderem herausfinden, ob ein Zusammenhang von geographischem Vorkommen und den Fellfarben der Tiere besteht, oder wie die Tiere in dieser sich schnell verändernden Welt zurechtkommen.
In Städten zu wenige Bäume – viele tote Eichhörnchen
Das Projekt läuft jetzt rund zweieinhalb Jahre. Welche Erkenntnisse haben Sie aus den bisher vorliegenden Daten gewonnen?
Gehret: Die Daten decken sich mit dem, was Wissenschaftler im Kleinen schon mal erhoben haben: In höheren Regionen sind dunklere Tiere zu finden. Das dient zur Tarnung oder zur Thermoregulation. In einem Kiefernforst sind die Tiere überwiegend rot, weil sie sich farblich an die Rinde anpassen. Es wurden aber auch sehr viele tote Tiere gefunden, das kenne ich bisher nur von den Igeln. Dass so viele Eichhörnchen überfahren werden, zeigt uns, dass die Tiere es nicht mehr schaffen, über geschlossene Kronen von Baum zu Baum zu springen. Sie müssen in den Städten auf den Boden, um dann irgendwo anders wieder hochzuklettern, weil Bäume fehlen. Daher möchten wir unsere App 2023 auch nochmal überarbeiten, um weitere Erkenntnisse in diese Richtung zu gewinnen.
Stimmt es, dass das nordamerikanische Grauhörnchen unser heimisches Eichhörnchen bedroht?
Gehret: Nein, das Grauhörnchen gibt es bei uns noch nicht. Viele Leute glauben, dass alle schwarzen Eichhörnchen Grauhörnchen sind. Das ist falsch. Ein Eichhörnchen kann in unterschiedlichen Farben vorkommen. Und Grauhörnchen schauen anders aus: Sie sind größer, schwerer und haben keine Ohrpinsel. Die gibt es in Italien, Norditalien und in Großbritannien. Im Rahmen unseres Projektes werden wir immer wieder angeschrieben, weil jemand glaubt, ein Grauhörnchen entdeckt zu haben, dabei war es nur ein dunkleres Eichhörnchen. Gerade beim Fellwechseln in den Wintermonaten können auch graue Nuancen dabei sein oder ein Tier kann mal fleckiger aussehen.
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