Zum zweiten Mal fanden vom 24. bis 31. Januar 2022 im Bayerischen Wald die Biathlon-Europameisterschaften statt. Das mediale Interesse war groß, die Region präsentierte sich dabei als attraktive Wintersportdestination. Unsere Autorin Daniela Feldmeier durfte vorab Stadionluft schnuppern und ihr „Schießgestell“ unter Beweis stellen.
„Fehler. Fehler. Fehler. Treffer oben links! Fehler.“ Josef Schneider wirft mir die Wörter an den Kopf, während er durch das Spektiv (ein Beobachtungsfernrohr, welches zum Beispiel bei der Zielscheibenbeobachtung im Biathlon oder bei der Vogelbeobachtung eingesetzt wird) die 50 Meter entfernte Zielscheibe fokussiert. Seine Ansagen kommen schnell – schneller, als ich einen Schuss abgeben und mein rechtes Auge vom Diopter (hintere Visiereinrichtung auf einer Waffe zum Anpeilen von Zielen mit dem bloßen Auge) lösen kann. Josef Schneider arbeitet mit einer Präzision, wie sie nur ein Profisportler oder Trainer haben kann. Er ist beides – ehemaliger Skilangläufer und heute Biathlontrainer. In seiner Funktion als Stützpunktleiter hat Josef Schneider mich zum Biathlon Schnupperkurs in das Skistadion Hohenzollern eingeladen. Diese Einladung führt dazu, dass ich nun bäuchlings vor ihm auf einer Matte am Boden liege und mit einem 3,5 Kilogramm schweren Kleinkalibergewehr Schuss um Schuss abgebe. Mein Kopf feuerrot, meine Atmung stockend – aber mein Ehrgeiz ist geweckt…
Lesen Sie auch: Wilde Fahrt durch den Eiskanal: Als Co-Pilotin im Rennbob
Am Schießstand
Aber ich bin nicht nur zum Zuschauen hergekommen. Um mich aufzuwärmen, trabe ich ein paar lockere Runden auf der 150 Meter langen Strafrunde. Kurze Zeit später finde ich mich auch schon bäuchlings auf dem Boden wieder. Ich liege diagonal zum Gewehrkolben. Meine Beine sind leicht geöffnet, die Fußspitzen zeigen nach außen. Das Gewehr ruht auf einem Holzbock – ich muss es also nicht aus eigener Kraft halten. Ich soll lediglich mit meinem rechten Auge durch den Diopter schauen, mit dem inneren Kreis des Ringkorntunnels die Zielscheibe anvisieren und mit meinem rechten Zeigefinger den Abzug betätigen. Fünf Schuss stecken im Magazin. Nach jedem Schuss gilt es nachzuladen. Schuss, repetieren, Schuss, repetieren.
Lesen Sie auch: Die Quereinsteigerin: Biathletin Stefanie Scherer im Interview
Projektil erreicht bis zu 1.600 km/h
Die leeren Patronenhülsen fliegen mir während dem Nachladen um die Ohren. Ich darf mich immer weiter ausprobieren, mit und ohne Holzbock-Unterstützung schießen. Josef Schneider wiederholt sein Mantra bei nahezu jedem Schuss: „Einatmen, ausatmen, Luft anhalten – und Schuss!“ Ich drücke den Abzug, das Projektil schießt aus dem Gewehrlauf und erreicht in der 50 Meter langen Schusslinie eine Geschwindigkeit von bis zu 1.600 km/h. Und vorne macht es klick. Die schwarze Scheibe verschwindet, eine weiße legt sich darüber. Mein erster Treffer ins Schwarze! Nun habe ich Blut geleckt. Anders als bei den Profis kostet bei mir ein Schuss nicht sechs Euro, sondern etwa 0,05 Cent. „Natürlich machen wir bei der Munition hier Abstriche“, sagt Josef Schneider. „Dafür dürfen die Kursteilnehmer dann aber auch einige Magazine leer schießen. Sie sollen ein Gespür für den Sport bekommen.“
Liegend fünf Volltreffer
Nachdem ich liegend tatsächlich fünfmal hintereinander getroffen habe, erhöht mein Trainer die Schwierigkeit. Nun stelle ich mich breitbeinig auf die Matte, strecke meine Beine durch und gehe leicht ins Hohlkreuz. Den Gewehrkolben lege ich an meine rechte Achsel, Daumen, Zeige- und Mittelfinger meiner linken Hand stabilisieren den Gewehrlauf. Meine rechte Hand liegt am Abzug, mein rechtes Auge drücke ich wieder an den Diopter. Josef Schneider sagt, ich solle die Waffe beim Ausatmen von unten nach oben führen und sobald die schwarze Scheibe in meinem Ringkorntunnel erscheint, die Luft anhalten und schießen.