Abwarten und Teeschachteln sammeln in Unterfranken

Norbert Kaulfuss sammelt Teebeutel und hat schon 20.000 Verpackungen. Die stapeln sich in diversen Räumen.
Norbert Kaulfuss sammelt Teebeutel und hat schon 20.000 Verpackungen. Die stapeln sich in diversen Räumen. (Copyright: Fotoagentur Frank Boxler)

Für Norbert Kaulfuss aus Abtswind in Unterfranken ist jeder Tag im Jahr „Tag des Tees“: „Das ganze Leben dreht sich darum. Fußballer sagen gerne, dass sie ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Bei mir war es im Grunde genauso“, sagt Kaulfuss, der einen Teeladen führt und 38.500 Teeschachteln besitzt.

Sie stehen bei ihm gestapelt an den Wänden und hängen an den Decken. Fünf Räume hat Kaulfuss mittlerweile damit dekoriert auf gut 150 Quadratmetern. Vor der Corona-Pandemie war sein Museum für jeden zugänglich – mittlerweile ist es nur noch Privatvergnügen. „Keine Arbeitskräfte, immer strengere Auflagen“, benennt er die Gründe.


Seit 1993 sammelt er Teeschachteln: „Ich wollte mir für meine Sammlung den Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde sichern. Dafür brauche ich einen Gegenspieler, den habe ich aber nicht.“ Er hat zwar von einem möglichen Kontrahenten aus Tschechien gehört, der angeblich 4000 Teeschachteln besitzt. Doch ausfindig hat er ihn nicht machen können.

Mit einem reparierten Aufzug ging es los

Begonnen hat alles durch einen Zufall. Als er noch nicht den Teeladen führte, war er als Monteur in der Welt unterwegs. In einem türkischen Hotel, in dem er untergebracht war, war der Aufzug kaputt. Die Verantwortlichen fanden niemanden zum Reparieren. Kaulfuss erkannte, woran es hakte, und machte den Aufzug wieder flott. Der Hoteldirektor fragte dann, wie er ihm etwas Gutes tun könne. Seine Antwort: Jeden Tag zum Frühstück eine neue Teesorte. Bis dahin gab es Salbeitee. „Ich mag den Geschmack nicht. Da muss ich schon sehr krank sein, dass ich ihn trinke.“ Jeden Tag kam auf seinem Platz eine neue Teeschachtel hinzu. Das war auffällig. Gäste aus Arabien machten von ihm und seiner täglich wachsenden Mauer Fotos. Um die Geschichte daheim zu beweisen, nahm er die Teebeutel-Verpackungen mit – seine Sammelleidenschaft war entfacht.
Viele seiner Teeverpackungen bringt und brachte er von seinen Reisen mit – ob beruflich oder privat. Bis vor etwa zehn Jahren war der Sammler viel auf Montage. Auch seine Frau mag das exotische Hobby. „Sie koordiniert mittlerweile die Urlaube so, dass wir nie an den gleichen Ort fahren. Denn ich muss ja zu meinen Verpackungen kommen.“ Bei einem Campingurlaub in Holland trieb er seine Sammelleidenschaft auf die Spitze.
Während die Familie am Strand war, packte Kaulfuss den Camper für die Abreise. Er stopfte ihn so voll mit Teeverpackungen, dass für das Reisegepäck kein Platz mehr war. Frau und Kinder mussten in Badeklamotten nach Hause fahren. Die Koffer schickte er mit der Post zurück nach Abtswind. Am Münchner Flughafen machte Kaulfuss Bekanntschaft mit dem Zoll. Zwei Koffer, einer gefüllt mit Teebeuteln, der zweite voll mit Teeschachteln. Das kam den Beamten seltsam vor. Eine Internetrecherche nach Kaulfuss und seinem Hobby entlasteten ihn.

Kaulfuss ist bekannt wie Pfefferminztee

Mittlerweile beliefern ihn auch Zollämter mit Schachteln aus beschlagnahmter Ware. „Die Beamten wissen, dass ich Sammler bin und keinen Schmu damit treibe. Außerdem sind die Schachteln leer.“ In seiner Heimat und auch darüber hinaus ist Kaulfuss bekannt und etabliert wie Pfefferminztee. So kommt es vor, dass ihm Leute von ihren Reisen Teeverpackungen mitbringen. Prominentester Lieferant: der frühere Wirtschaftsminister Michael Glos.

Älteste Teeschachtel über 100 Jahre alt

Kaulfuss schätzt aus seiner riesigen Sammlung vor allem Verpackungen aus Ländern, die nicht mehr existieren – etwa aus der DDR oder aus Jugoslawien. Die älteste Schachtel ist aus dem Jahr 1917, vom Hamburger Tee-Großhändler Wollenhaupt. Höhepunkte sind Tees, die zu bestimmten Anlässen verkauft werden – etwa den Aufstiegstee der SpVgg Greuther Fürth 2021. „Die Sonderedition war schnell vergriffen, ich habe mir natürlich eine Schachtel gesichert.“ Kaulfuss wollte seine Sammlung sogar versichern: Das war nicht möglich, man konnte keinen Wert für sie ansetzen.
Mit dem Inhalt seiner Schachteln geht der Sammler kreativ um. Als bekennender Teetrinker – mehr als ein Liter kann es am Tag schon sein – probiert er einen Teebeutel seiner Neuerwerbungen. Zumindest bei 95 Prozent seiner Sammlung war es so. Ein zweiter Beutel aus der Schachtel findet den Weg in sein Privatmuseum. Und die restlichen? Er packt sie jeweils in neue Teeschachteln. Die Schachteln füllt er mit verschiedenen Sorten aus seiner Sammlung auf. Wenn sie voll sind, gehen sie in den Verkauf: als „Ist-mir-egal“-Tee. Wer kennt sie nicht, die Antwort „ist mir egal“, wenn man Gäste danach fragt, welchen Tee sie möchten? „Ist doch genial, wenn man dann sagen kann, alles klar, den habe ich“, sagt Kaulfuss. Sein spezieller Tee laufe gut bei den Kunden.

Kein Ende in Sicht bei der Sammelleidenschaft

38 500 Teeverpackungen – der Platz muss doch irgendwann ausgehen und der Teemarkt leergefegt sein? Um beides macht sich der Unterfranke keine Sorgen. Bereits sein Vater hatte eine Teefabrik. Auf dem Areal sind noch genügend freie Räume.


Kaulfuss überschlägt, dass es weltweit nur 200 bis 250 Teesorten gibt. Warum es dennoch diese enorme Anzahl an verschiedenen Tees gibt? Der Fantasie der Firmen bei der Namensgebung sind keine Grenzen gesetzt. Am Inhalt ändere sich kaum etwas, lediglich durch Aromen oder Mischverhältnis. „In Holland wird man überflutet von neuen Teesorten. Bringt eine Firma dann in einem Jahr einen Frühlingstee heraus, kann es gut sein, dass der identische Tee ein Jahr drauf als Sommertee verkauft wird.“

Ob Kaulfuss heute schon einen Sommertee getrunken hat? Vermutlich nicht. Tee bestimmt. Der Earl Grey ist sein morgendliches Ritual. Später mischt er die Sorten. Kaulfuss macht das bewusst, irgendwie muss er das ja auch: Irgendwo warten immer neue Teeschachteln darauf, gesammelt zu werden.

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Matthias Jell

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