Glaskunst aus dem Bayerischen und Oberpfälzer Wald

Glasmachertradition im Bayerischen und Oberpfälzer Wald
Die Glasmachertradition ist schon sehr alt. (Foto: Glashütte Valentin Eisch GmbH)

Über 700 Jahre alt ist die Glasmachertradition im Bayerischen und Oberpfälzer Wald. Ein Blick in die Glashütten, Werkstätten und Museen entlang der Glasstraße

Einst war die Glasproduktion der wichtigste Industriezweig im Bayerischen Wald. Die Hauptrohstoffe Holz, Quarz und Pottasche waren im Übermaß vorhanden. Klöster und Kirchen brauchten schon im Mittelalter Fensterglas und waren die ersten Abnehmer. Aber auch Gläser, Butzenscheiben und Rosenkranzperlen entstanden in den Waldglashütten. Mit der Eisenbahn begann ab 1877 eine neue Ära. “Sie löste die Glasfuhrwerke, die teils wochenlang unterwegs waren und auf deren Fahrten vieles zu Bruch ging, als Transportmittel ab”, erzählt Sven Bauer, Sammlungspfleger im Glasmuseum Frauenau. “Das Glas aus dem Bayer- und Böhmerwald kam in die ganze Welt.” Bekannte Sport, Film- und Musikgrößen wie Formel1-Fahrer Sebastian Vettel, Komiker Hape Kerkeling und Musiker Andreas Gabalier haben heute einen Glaspokal aus Ostbayern im Regal stehen. Aber auch die rote Glaskugel des Fernsehsenders Vox wird hier produziert.

Der Ort Frauenau gilt als “gläsernes Herz” des Bayerischen Waldes. Drei Glashütten waren lange Zeit in der heute rund 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde ansässig. 453 Jahre stellte die Familie Poschinger hier Glas her, seit Ende 2021 bleiben die Schmelzöfen kalt. Die Glashütte Gistl war bis in die 1970er Jahre der größte Arbeitgeber in der Gegend. Aus ihren Reihen stammt auch Valentin Eisch, Glasgraveur und Gründer der Glashütte Eisch. 1946 eröffnete er die dritte und damit jüngste Glashütte in Frauenau. Heute ist sie die einzig verbliebene im ehemaligen gläsernen Zentrum des Bayerwalds.

Vereinigung von Glas und Kunst

Michaela Eisch sitzt an ihrer Werkbank und lässt das Sektglas auf einem drehbaren Holzschemel vor sich kreisen. Flink fliegen ihre Finger über das Glas, mit einem Pinsel trägt sie gleichmäßig goldene Farbe auf. Die Bemalung und Gravur sind zwei der glasveredelnden Tätigkeiten, die Mitarbeiter noch heute in Handarbeit in der Glashütte Eisch ausführen. “Bis auf einen kleinen Studioglasofen, den wir für Führungen anheizen, laufen bei uns aber keine Öfen mehr”, erklärt Geschäftsführer Eberhard Eisch.

Glasveredlerin
Eine ruhige Hand braucht Michaela Eisch bei ihrer Tätigkeit als Glasveredlerin in der Glashütte Eisch. (Foto: Glashütte Valentin Eisch GmbH)
Die Eischs kehren damit zu ihrer Vergangenheit zurück, denn ursprünglich kommen sie aus der Glasveredelung: Valentin Eisch machte sich vor 76 Jahren als Glasgraveur selbst ständig und gründete einen Veredelungsbetrieb. Erst ab 1952 wurde in der damals jüngsten Glashütte Bayerns der Rohstoff auch geschmolzen.
Wenig später gelangte der Name Eisch zu weltweitem Ruhm: Erwin Eisch, eines von sechs Kindern, lernte 1962 die amerikanische Studioglasbewegung kennen. Was heute selbstverständlich scheint, war Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein revolutionärer Gedanke: Glas wird nicht nur als funktionaler Werkstoff, sondern als ein Material gesehen, aus dem Kunst entstehen kann. Erwin Eisch gilt als Wegbereiter der Studioglasbewegung in Europa. Viele seiner Werke sind im Glasmuseum Frauenau ausgestellt.

Gläserne Tischkultur der Glashütte Eisch

 

Heute ist die Glashütte Eisch weniger für ihr Kunsthandwerk, sondern mehr für ihre gläserne Tischkultur bekannt. Die mehrfach ausgezeichneten SensisPlus Gläser werden von Weinliebhabern weltweit geschätzt. “In diesen Gläsern erlebt der Wein eine ungeahnte Entwicklung der Aromen”, sagt Eberhard Eisch stolz. Dabei bleiben der ursprüngliche Charakter und die Struktur des Weins erhalten. Warum SensisPlus Gläser im Vergleich zu andern Weingläsern diese Eigenschaften hervorbringen und was dabei in der Herstellung zu beachten ist, möchte er nicht verraten.

Glasmacher: Arbeiten bei 70 Grad

 

Der Ofen erfüllt die Glashütte in Riedlhütte mit monotonem Summen. Warme Luft staut sich zwischen der Werkbank und dem Ofen. Johann Weishäupl wischt sich den Schweiß von der Stirn, während sein Chef Florian Köck eine Glasmacherpfeife – ein langes, schmales Metallrohr – an die Lippen führt und vorsichtig Luft in das Rohr entweichen lässt. Im Glastropfen am anderen Ende des Rohrs entsteht zunächst eine, dann noch eine weitere Kugel – der Rumpf einer Eule. Weishäupl, der Ältere der beiden, schnappt sich eine zweite Glasmacherpfeife aus dem Ofen und taucht das vordere Ende nacheinander in Behälter mit roten und violetten Glaskügelchen.

Diese bestehen aus verschiedenen Metalloxiden, sie machen das Glas farbig. Weishäupl lässt die Glasschmelze auf dem Rohr erneut für einen Moment im Ofen ruhen. Dann nimmt er die Glasmacherpfeife wieder heraus und hält die Schmelze über den dickbauchigen Glaskörper, den Florian Köck hergestellt hat. Die Schwerkraft zieht die weiche, zähflüssige Masse sofort nach unten. Florian Köck schneidet sich die rund 700 Grad heiße Schmelze mit einer Glasschere so zurecht, dass die Besucher kurze Zeit später eine Eule mit zwei orangefarbenen Augen vor sich haben.

Die kleinste Glashütte Deutschlands

 

Zusammen mit einer Schulklasse sitzt auch der 72-jährige Erhard Köck in der Glashütte und beobachtet seinen Sohn und dessen Mitarbeiter bei der Arbeit. Er war es, der vor 28 Jahren in einer Garage in Riedlhütte die kleinste Glashütte Deutschlands gründete und den Grundstein für Glasscherben Köck legte. Das Glas, das in umliegenden Glashütten zu Bruch ging, diente ihm als Rohstoff. Heute ist die Glashütte die einzige im Grafenauer Raum, die noch täglich ihren Studioglasofen befeuert, um Besuchern die Kunst des Glasmachens näherzubringen.

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Florian Köck übernahm den väterlichen Betrieb und entschied sich für einen geschichtsträchtigen, aber auch anstrengenden Beruf: “Das Glasmacherhandwerk hat im Bayerischen Wald eine Jahrhunderte alte Tradition. Heute erlernen nur noch wenige diesen Beruf. Wenn sie das Glasblasen nicht bewahren, stirbt das Handwerk langsam aus. Das wäre doch schade”, sagt der 41-Jährige. Das Anstrengende: Vor dem Ofen arbeite man über Stunden bei einer Temperatur von 70 Grad. “Wenn andere Leute zwei Liter am Tag trinken, brauchen wir mindestens das Doppelte.”
Die Glastropfen, die man über viele Minuten auf der Glasmacherpfeife dreht, um sie in Form zu bringen, sind schwer. Alleine für die gläserne Baumgruppe in seinem “Wald-Glas-Garten” hat er über 1.000 Glasscheiben in Form geblasen und gedreht, die heute die grünen Blätter und Nadeln darstellen. Die Köcks haben sich der Kunst verschrieben: Eine gläserne Krippe, Tiere, Glasherzen und abstrakte Formen stellen sie in ihrem 1.500 Quadratmeter großen Garten aus, der Vater betreibt sein eigenes Atelier.

Wie Schnupftabak und Glas zusammenfanden

 

Was heute Garteninstallationen und Weingläser sind, waren früher die “gläsernen Bixl”. Gemeint sind Aufbewahrungsgefäße für Schnupftabak. Das Schnupfen von Tabak wurde ab dem späten 18. Jahrhundert im Bayerischen Wald immer beliebter. Natürlich mussten für diesen Zeitvertreib auch gläserne Aufbewahrungsgefäße her. “Seit den 1960er Jahren entwickelten sie sich aber immer mehr zu Sammlerstücken. Heute werden sie nur noch in wenigen Glashütten auf Anfrage gefertigt”, sagt Sven Bauer. Wer die “Bixl” in all ihren Farben und Formen sehen möchte, findet im Glasmuseum Frauenau eine kleine Ausstellung. Wer sich mehr für die Geschichte des Schnupftabaks interessiert, den schickt Sven Bauer weiter die Glasstraße entlang nach Grafenau zum weltweit einzigen Schnupftabakmuseum. Und wie zwischen Frauenau und Riedlhütte ist auch der Weg weiter nach Grafenau mit vielen Erlebnissen und Geschichten rund ums Glas gepflastert.

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Matthias Jell

Matthias Jell

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