Auf zur 30. Gamsbart-Olympiade in Mittenwald

Die 30. Gamsbart-Olympiade findet in Mittenwald statt.
Gehen bei der 30. Gamsbart-Olympiade an den Start: Hans Schober und sein Neffe Christoph Wörnle. (Foto: Marina Jung)

Hobby-Bartbinder Hans Schober erklärt, worauf es bei dem Hutschmuck ankommt und präsentiert diesen bei der 30. Gamsbart-Olympiade vom 7. bis 9. Oktober 2022 im oberbayerischen Mittenwald.

Eine sportliche Veranstaltung mit Wettkämpfen ist es nicht. Nach muskelbepackten, schwitzenden Männern in Jogginganzügen, Frauen mit Badeanzügen und Taucherbrille, nach Bobfahrern, Skispringerinnen oder einem großen Trainingscamp wird man hier in Mittenwald vergebens suchen. Trotzdem, der olympische Geist ist eingezogen. Plakate, Werbung, Kartenvorverkauf – die Olympiade kommt. Es ist wieder Gamsbart-Olympiade.

Los ging es zwar schon am 1. Oktober mit einer Jagdtrophäenausstellung in der Tourist-Information Mittenwald, doch fiebern die Bewohner am Fuße des Karwendel schon dem 9. Oktober entgegen. Dann werden sie wieder gesucht, die schönsten Gams-, Hirsch- und Dachsbärte der Alpen.

Einer, der auch in diesem Jahr wieder teilnehmen wird, ist Hans Schober (79) aus Mittenwald. Er ist Hobby-Bartbinder und hat in den vergangenen Jahren schon acht Mal den Sieg in der Königsklasse, das heißt bei Gamsbärten mit einer Länge von über 19 Zentimetern, eingefahren.

Zusammen mit seinem Neffen Christoph Wörnle (34), an den er sein umfangreiches Gamsbartwissen weitergeben möchte, sitzt er in seiner Werkstatt an einem kleinen viereckigen Tischchen vor dem Fenster. Eine schwarze Schreibtischunterlage klebt darauf, daneben steht eine Schüssel Wasser, Kamm, Schere, Meterstab, Glasröhrchen in verschiedenen Längen und eine dicke Papprolle mit Gamshaaren darin. Nur die weißen Spitzen lugen oben heraus. Christoph hebt und senkt einen großen Gamsbart minimal, aber ganz schnell. Rauf, runter, rauf, runter. „Tänzeln“ nennt sich das, oder „spielen“. Die feinen Haare bilden ein Segment. Die Spitzen des Reifs wabern wie die Hülle einer schillernden Seifenblase.

Beide prüfen den Gamsbart genau.
Hans Schober und Christoph Wörnle prüfen den Gamsbart genau. (Foto: Dr. des Marina Jung)

Nicht jedes Haar passt

Im Vergleich mit den runden Gamsbart-Puscheln, die man oftmals auf den Hüten vieler Volksfest- und Wiesnbesucher sieht, wird schnell klar, dass dieser Gamsbart in einer anderen Liga spielt. Aber warum? Was macht diesen so besonders? Es ist das Haar, und die Kunst, es so zu binden. „Das Haar muss stabil sein“, sagt Schober. „Aber nicht nur stabil, es soll auch elegant sein.“ Schober verwendet dunkleres Haar, mit hellen Spitzen vom Aalstrich des Gamsbockes. Die weißen Spitzen sollten rund vier bis fünf Millimeter lang sein, damit sich ein schöner, gleichmäßiger Reif ergibt. Doch nicht jeder Bock liefert brauchbares Haar. „Das ist Natur“, sagt Schober. „Die einen haben grobes Haar, die anderen ganz feines. Damit kann ich nicht arbeiten.“ Bis Schober die Haare für einen Gamsbart beieinander hat, dauert es also. Kein Tier wird nur wegen eines Gamsbartes geschossen. „Das Haar ist eigentlich ein Abfallprodukt, das wir verwerten“, sagt Neffe Christoph. Und nur rund zehn Prozent der Böcke liefere wirklich brauchbares Haar, ergänzt Schober.
Nicht jeder Bock liefert brauchbares Haar
Nicht jeder Bock liefert brauchbares Haar. (Foto: Dr. des Marina Jung)
Für einen Gamsbart in der Größe, wie ihn Schober und sein Neffe gerade begutachten, braucht es das Haar von etwa sechs bis sieben Böcken, für einen Königsklassenbart auch mal zehn. Rund 250 Stunden dauert es, bis er fertig ist – vom Bürsten und Waschen bis zum Aufstecken des fertigen Bartes.
Hans Schober nimmt die dicke Papprolle mit den Haaren darin vom Tisch in die Hand und zieht einen gelben Kamm darüber. Ein paar Haare, die über den Kamm hinausluren, zieht er vorsichtig heraus und legt sie auf die schwarze Schreibtischunterlage. Sie haben alle in etwa die gleiche Länge, die kürzeren verbleiben in der Rolle. Ist ein kleines Büschel gezogen, steckt er die Haare vorsichtig in ein Glasröhrchen und klopft damit auf die Tischplatte. Durch das Stoßen auf der Wurzel lassen sich die Haare noch feiner selektieren. Schober streift die offensichtlich kürzeren heraus, taucht seine Zeigefingerspitze in die Wasserschüssel und streift weiter. „Dann gehen die kürzeren leichter raus und die anderen werden gerade“, sagt er. Die selektierten, geglätteten Haare werden zu einem Büschel zusammengefasst, die zu kurzen kommen später in ein anderes. 150 bis 250 solcher Büschel braucht es. Sie werden wie bei einem Adventskranz der Reihe nach, aber von innen nach außen aneinandergebunden. Der Spitz soll ganz dünn nach unten auslaufen, damit der Bart später perfekt in der Halterung am Hut sitzen und dort tänzeln kann. So ein Bart hat Tradition in der Alpenregion. Er ist das Must-have an hohen Feiertagen oder zu großen Festen. Selbst Kaiser Maximilian I aus Österreich hatte um 1500 schon eine „Bartl“ am Hut, wenn auch nicht in der heutigen Form.
Hans Schober ist Maurermeister und war als Bautechniker tätig. Erst mit 40 hat er angefangen, Gamsbärte zu binden. Das war ein Ausgleich und der totale Gegensatz zum grobmotorischen Arbeiten auf der Baustelle. „Das ist eine ganz gesunde Arbeit“, sagt Schober. „Da hockst stundenlang und musst dich konzentrieren.“ Heute ist es ein Hobby, das er sich selber beigebracht hat. Ein bisserl abschauen bei jemandem, der Bärte binden konnte, ging schon, aber gelernt hat es ihm keiner. Von „Das-mach-ich-jetzt-mal“ bis zum achtfachen Sieger in der Königsklasse ist es ein weiter Weg. Auch Schober hat Tage, wo es einfach nicht läuft. Dann sperrt er die Tür seiner Werkstatt auch mal ein paar Tage zu, bis er wieder Muse hat, weiterzumachen.

Die Vorbereitungen für die Gamsbart-Olympiade im Video:

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Viel geboten in Mittenwald

Derzeit geht bei Hans Schober viel Zeit in die Vorbereitung der 30. Gamsbart-Olympiade. Und auch in die dazugehörige Organisation. Es gibt sie seit 60 Jahren und sie findet immer im Wechsel zwischen Mittenwald und Bad Goisern in Österreich, statt. An seiner Seite Neffe Christoph. Er soll das mal übernehmen und muss lernen, was alles zu tun ist. Zusätzlich zur Jagdtrophäenausstellung, die noch bis 9. Oktober besichtig werden kann, läuft in Leutasch (Tirol) parallel die 24. Ganghofer Hubertuswoche mit umfangreichem Rahmenprogramm rund um die Themen Natur, Kultur und Jagd. Am Freitag, 7. Oktober, startet dann das große Gamsbart-Wochenende in Mittenwald ab 10 Uhr mit einer Orts- und Kirchenführung. Die Anmeldung dazu ist noch bis 6. Oktober, 17 Uhr, in der Tourist-Info Mittenwald (Tel. 08823/33981) möglich. Am Samstag wird im TSV-Veranstaltungsaal Mittenwald das Bauerntheater „Das rotseidene Höserl“ aufgeführt. Karten dafür sind über www.mittenwalder-bauerntheater.de erhältlich.

Und am Sonntag, 9. Oktober, dann das Hauptevent, die Gamsbart-Olympiade. Von 8 bis 10.30 Uhr werden wieder zahlreiche Bartbinder und -besitzer aus dem gesamten Alpenraum – aus Bayern, Österreich, Südtirol und Slowenien – ihre schönsten Gams-, Hirsch- und Dachsbärte zur Bewertung im Mittenwalder Rathaus abgeben. Während die Jury die Bärte nach einem ausgeklügelten Punktesystem bewertet, findet zur Unterhaltung aller Besucher derweil im TSV-Veranstaltungssaal ab 11 Uhr ein Frühschoppen mit Unterhaltungsprogramm statt, mit Auftritten des „Ferchenseeklang“, der „Kranzberg Blosn“, „Steinröserl“ aus Leutasch in Tirol, der Mittenwalder Goaslschnöller und der Plattlerkinder. Der örtliche Trachtenverein veranstaltet zudem eine Tombola für den guten Zweck, bei dem es unter anderem als Hauptpreis den Abschuss eines Gamsbocks zu gewinnen gibt. Die Preisverleihung und die Verkündung der Gewinner der Olympiade wird gegen 16 Uhr erwartet.

Mehr darüber erfahren Sie in Kürze hier.

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Christine Henze

Christine Henze

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