Seit dem 19. Jahrhundert wird im Allgäu Käse im großen Stil hergestellt. Die Zeiten, als einzig Emmentaler das Sortiment bestimmte, sind lange vorbei. Zu Besuch in einer der ältesten Käsemanufakturen im Allgäu.
Es ist Montagmorgen und in der Sennerei Hopfen in Stiefenhofen, einer Gemeinde im bayerisch schwäbischen Landkreis Lindau, herrscht reges Treiben. Während im Käseladen an der Ecke Laibe und kleine Stücke über die Theke gehen, entsteht in den Räumen daneben der Rohmilchkäse. Das backsteinrote Gebäude wirkt von außen wie aus einer anderen Zeit, wie vor 120 Jahren. Damals hatte noch jedes Dorf eine eigene Käserei. Man kann sich gut vorstellen, wie hier einst die Bauern mit Pferdewagen vorfuhren, um Milchkannen abzuliefern. Die Käserei liegt auf 850 Metern und damit günstig für Landwirte, die täglich frische Milch von den Almen und Höfen bringen. Rechts am Gebäude sorgt ein Automat dafür, dass man auch nach Ladenschluss nicht auf Käse verzichten muss.
In dieser Sennerei von Baldauf Käse fertigen die Mitarbeiter ausschließlich Hartkäse aus frischer Heumilch – und das seit 1903. Täglich etwa 36 Laibe, jeweils 28 Kilogramm schwer. Der Fliesenboden ist feucht, von der Decke tropft Wasser. Es ist sehr warm, über 30 Grad. Eine Wendepresse für die Käselaibe steht auf der einen Seite des Raumes. Zwei riesige Kupferkessel auf der anderen. Tradition pur, denn von Anfang an waren Kupferkessel im Einsatz. Im Vorderen werden gerade nahezu 3.000 Liter Milch erhitzt und gerührt. „Um Milch zu entwässern, muss man diese gerinnen lassen. Das kann man entweder durch Ansäuern oder durch die süße Gerinnung mit Lab erreichen“, sagt Georg Baldauf, ein Geschäftsführer der Gebr. Baldauf GmbH. Hier verwendet man Lab für den Hartkäse und Schnittkäse. Letzterer wird in der Sennerei in Goßholz hergestellt. Lab ist ein Gemisch aus Enzymen, welches aus dem Labmagen junger Kälber gewonnen wird. Es dickt die Milch ein, ohne dass diese sauer wird.
Von der Kuh in den Kessel
Für den Käse bringen Landwirte täglich zwischen 9.000 und 10.000 Liter Heumilch in die Sennerei Hopfen, die Käsemeister Alois Keck und sein Team sofort weiterverarbeiten. Denn: Milch ist sensibel und muss schnell verwertet werden. Der Käse entsteht hier aus frischer, unbehandelter Rohmilch, vorwiegend vom Allgäuer Braunvieh – einer jahrhundertealten, besonders robusten Milchkuhrasse. Eine Heumilchkuh frisst im Sommer Gräser und Kräuter von den Wiesen und Weiden, im Winter steht hofeigenes Heu auf dem Speiseplan. Diese Ernährung ermögliche eine natürliche Milchqualität, sagt Baldauf. Von Silage hält er nichts. Baldauf: „Silomilch ist nicht für die Rohmilchkäserei geeignet.“ Rund 70 Landwirte bringen ihre Milch in die beiden Sennereien der Firma. Sie haben jeweils durchschnittlich 35 Kühe und damit weniger als Milchlandwirte, die mit Silage füttern. „Die Heumilch-Herstellung ist generell aufwendiger, aber wir arbeiten mit der Natur“, ergänzt er.
Traditionell käsen
Immer wieder prüft Käsemeister AloisKeck die Temperatur und Konsistenz im Kupferkessel. Bei 33 Grad Celsius gibt er in kleinen Mengen selbstgezogene Milchsäurebakterien für den Alpkäse dazu. Diese Bakterienkulturen sind sortenspezifisch und gleichen zusätzlich natürliche Veränderungen aus, denen die Milch ausgesetzt ist. „Die Inhaltsstoffe der Milch verändern sich beispielsweise mit der Jahreszeit, wenn die Kühe im April auf die Weiden kommen“, sagt Keck. Alpkäse wird seit 1972 in der Sennerei Hopfen produziert. Davor war es Emmentaler. „Wir versuchen möglichst traditionell zu käsen und alte Prozesse nachzuahmen“, sagt Baldauf. Unverzichtbar dabei: die Erfahrung von Käsemeistern wie Keck, der seit 32 Jahren im Betrieb ist.
Nach etwa 1,5 Stunden hat die Milch die optimale Konsistenz erreicht. Das Rührgerät stoppt. Nun gibt der Käsemeister das mit Wasser verdünnte Lab hinzu und lässt es kurz unterrühren. Die Milch dickt ein. Nun heißt es abwarten. Nach etwa einer halben Stunde ist die Masse fest und wird auf die Größe eines Weizenkorns geschnitten. Dafür setzt Keck eine sogenannte Käseharfe in den Bottich ein – ein Gerät, ähnlich einer Harfe, nur mit Klingen. Der Käsebruch trennt sich von der Molke. „Je kleiner man schneidet, umso härter wird der Käse“, sagt Baldauf. Anschließend wird der warme Käsebruch wieder gerührt und erwärmt – bis er über 50 Grad Celsius erreicht, der sogenannte Brennvorgang. Keck schaut immer wieder aufs Thermometer. Denn: Je höher die Temperatur ist, desto mehr Molke tritt aus und desto höher ist die Trockenmasse – ein wesentliches Merkmal des Hartkäses.
Ist die Temperatur erreicht, wird der warme Bruch sofort in die Käsetrommeln abgefüllt. Der Käser presst die Masse in Laib-Formen, lässt die Molke abfließen und die Laibe über Nacht in der Wendepresse ruhen. Danach baden die vollgesaugten Laibe, die jetzt einem Wagenrad gleichen, 48 Stunden lang in einer Kochsalzlösung. „Dies unterstützt vor allem die Rindenbildung“, sagt Baldauf. Nun steht für die Käseräder ein Umzug an: Sie werden zur neuen Sennerei in Goßholz gebracht, wo der Hartkäse wie der Schnittkäse im Reifelager ruht – und gepflegt wird. Denn auch die Pflege macht den geschmacklichen Unterschied.
Wie Käse aromatisch wird
In den beiden Reifelagern der Sennerei duftet es süßlich und würzig. Im Lager mit dem Hartkäse können 7.500 Laibe reifen, im Lager mit Schnittkäse etwa 60.000 Laibe. Auf Brettern aus Lindenholz und in Regalen, die bis zur Decke hinauf reichen. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch, über 90 Prozent, bei etwa 14 Grad Celsius im Reifekeller mit dem Hartkäse. Nach der Grundreifung, in der die Rinde entsteht, reift der Hartkäse im kühleren Keller – bei etwa elf Grad Celsius. Die Luftfeuchte und die Temperatur müssen passen, sonst bildet sich Schimmel. Die jungen Laibe werden alle zwei Tage gedreht, die älteren alle fünf Tage – und dabei mit Salz geputzt. „So sollen sich der fein-würzige Geschmack und die goldgelbe Rinde entwickeln“, sagt Baldauf. Wie lange ein Käse reifen muss, hängt vom Wassergehalt ab. Hartkäse reift hier mindestens vier Monate. Mit der Zeit schmeckt der Käse intensiver – das bestätigt sich auch beim Probieren.
So a Kas
Das „1862 Meisterstück“, ein Hartkäse, der nach dem Gründungsjahr der Firma benannt ist, reift mindestens acht Monate. Das merkt man geschmacklich: aromatisch, würzig, ein wenig pikant und intensiv. Der Teig dieser Käsesorte – die bereits beim World Cheese Awards in Bergamo (Italien) ausgezeichnet wurde – ist goldgelb und vollmundig auf der Zunge. Genau diesen Geschmack habe ich im Kopf, wenn ich an Käse denke.
In diesem Jahr wird Baldauf Käse 160 Jahre alt. Mehr dazu unter: www.baldauf-kaese.de
Käsespätzle sind im Allgäu eine Spezialität. Hier geht es zum Rezept nach Kluftinger. Weitere Informationen rund um die Käseherstellung im Allgäu plus Rezepte finden Sie in der Ausgabe 02/2021.
Diesen Beitrag teilen auf: