Spezialität aus Franken: Das Schlappenbier ist alles andere als schlapp

Braumeister Sascha Greßmann (li.) und Prokurist Kurt Unverdorben heben auf den aktuellen Jahrgang ihr Glas. (Foto: Chris Sternitzke)

Der Schlappentag in Hof ist eines der ältesten Schützen- und Stadtfeste Deutschlands. Eine Hauptrolle an diesem Tag spielt das Schlappenbier, ein bockstarkes Bier, das besonders lange reift. 2022 fällt der Schlappentag auf Montag, den 13. Juni.

Kurz nach Fasching, wenn die letzten Luftschlangen weggeräumt sind, rauchen die Schlote der Scherdel Brauerei in Hof an der Saale und es braut sich etwas Besonderes zusammen. In den zwei Wochen nach der närrischen Zeit sind Sudtage für das Bier des „Hofer Nationalfeiertags“. So bezeichnen die Bewohner der oberfränkischen Stadt ihr zentrales Stadtfest, den Schlappentag. Es ist Anfang März, die Nächte sind noch bitterkalt. Der Sommer und das Fest sind weit weg. 15 Wochen sind es noch, doch das spezielle Bier, das Schlappenbier, braucht seine Zeit.

„Wenn uns das Schlappenbier nicht gelingt, gäbe es Feuer“

 

„Ob Braumeister, Biersieder oder Mitarbeiter, die die Tanks spindeln: Wir alle fiebern dem Brautermin für das Schlappenbier entgegen“, sagt Braumeister Sascha Greßmann. In der Brauerei arbeiten viele Hofer oder Bürger aus dem Umland, die aufgewachsen sind mit dem Schlappentag. „Wenn uns das Schlappenbier nicht gelingt, gäbe es von Freunden und Bekannten Feuer“, sagt Greßmann. Das Bier ist ein Bock, es reift deutlich länger als Pils.

Bis zur Abfüllung dauert es 13 Wochen. Pils oder Helles brauchen rund acht Wochen. „Die Hauptgärung dauert zwei Wochen, danach lagert es bei einer Temperatur von minus 0,5 Grad. Die niedrigen Temperaturen helfen dabei, dass das Bier rund schmeckt“, erklärt Greßmann. Zum 12. Mal sind die Brauer von Scherdel für das Bier verantwortlich. Bis zu ihrer Schließung braute die Hofer Zeltbräu für den Schlappentag. Scherdel stellt das Bier nach dem ursprünglichen Rezept her. Beim Debüt 2011 unterstützte der Zeltbräu-Braumeister.

Das letzte seiner Art

 

Bei meinem Rundgang durch die Brauerei steht zum Verkosten eine 3-Liter-Flasche des Schlappenbiers aus dem Jahr 2021 bereit. Da das Spezialbier schnell vergriffen ist, kann ich mich glücklich schätzen, im Winter noch etwas vom begehrten Festtrunk zu bekommen. „Die letzte 3-Liter- Flasche in der gesamten Brauerei“, verspricht Prokurist Kurt Unverdorben. Wenn sie leer getrunken ist, gibt es keinen Nachschub. Außerdem ist es ungeschriebenes Gesetz, dass das Bier nicht vor dem Schlappentag, dem ersten Montag nach den Pfingsttagen, erhältlich ist.

Bockbier, 16,5 Prozent Stammwürze, ein Alkoholgehalt von 6,5 Volumenprozent – so die bloßen Daten: Ich stelle mir ein schweres Starkbier vor, das süßlich und brotig schmeckt. Kurt Unverdorben schenkt mir das Bier in ein Verkostungsglas ein, das einem Weinglas ähnelt. Das Bier ist hell bis mittel bernsteinfarben. Eine Mischung aus hellen und dunklen Braumalzen sind für die Farbe verantwortlich. Ich werde überrascht: „Mich erinnert das Bier an ein Festbier“, sage ich, also süffig und eher mild-süßlich. Greßmann lächelt: „Das ist ja das Gefährliche, es schmeckt nach mehr. Auch wenn man es dem Bier anmerkt, dass es stärker ist als Helles oder Pils, schmeckt man die 6,5 Volumenprozent nicht heraus.“
Viele hochvergorene Starkbiere haben sofort einen stark ausgeprägten Alkoholgeschmack. Dass der beim Schlappenbier nicht so deutlich wird, führt Greßmann auf die Malzmischung zurück. „Durch die Mischung kommen schnell die ersten Aromen durch, karamelle Aromen. Beim Abgang und Nachtrunk hat das Bier eine markante Hopfennote, die nach kurzer Zeit verschwindet. So wird der Hopfen nie dominant“, beschreibt es Unverdorben.

Schützen in Schlappen

 

In Bayern ist es keine Seltenheit, dass zu größeren Festen spezielle Biere eingebraut werden. Die Bezeichnung Schlappenbier gibt es ausschließlich in Hof. Der Name kommt nicht etwa davon, dass die Brauer in Schlappen das Bier einbrauen. Er ist historisch begründet und mit der Namensgebung des Schlappentags verbunden. Im 15. Jahrhundert zerstörten die Hussiten Hof. In ihrer Not wandten sich die Bürger an den Markgraf zu Brandenburg. Er stellte ihnen Steuerfreiheit in Aussicht, verpflichtete die Einwohner jedoch dazu, eine Schützengilde zu gründen, um gegen Angriffe gewappnet zu sein. Diese bildete sich 1432, die Mitglieder waren in der Mehrzahl Handwerker. Der Markgraf hielt die Mitglieder dazu an, einmal jährlich Schießübungen abzuhalten – eine ungeliebte Pflicht, die die meisten bis zum letztmöglichen Tag hinauszögerten. Das war der erste Montag nach den Pfingst-tagen. Die Handwerker gingen vormittags in ihrer Arbeitskleidung und den damals üblichen Holzschlappen zum Schießgraben und leisteten ihre Pflicht ab. Danach gab es Brotzeit und Bier – der Schlappentag war begründet und der Brauch hält sich nun seit 590 Jahren.

Die Brauerei Zeltbräu braute erstmals im Jahr 1926 ein „Bier zum Schlappentag“. Welcher Biertyp es damals war, ist nicht bekannt. Nur so viel: „Von der Zeltbräu wissen wir, dass sie erst nach dem 2. Weltkrieg ein Starkbier zum Fest einbrauten“, sagt Alt-Oberschützenmeister und Schlappentag-Urgestein Günter Hornfeck. In den 50ern etablierte sich der Begriff Schlappenbier.

Der Ablauf des Schlappentags

 

Die Gegend um den Schießgraben ist noch heute das Epizentrum des Schlappentags, hier steigt ab dem späten Vormittag das Fest. Los geht es weit früher, wenn um 5 Uhr zum Weckruf geblasen wird. Um 9 Uhr wird der Schlappenschützen-König im Rathaus bekannt gegeben. Tags zuvor findet das Königsschießen statt. Das Teilnehmerfeld setzt sich aus Schützen, Handwerkern und Gästen zusammen. Geschossen wird mit dem Zimmerstutzen, einer Traditionswaffe. Danach bewegt sich ein Festzug bestehend aus Handwerkern, Schützenvereinen und Musikkapellen in Richtung Schießhäuschen.

„Es ist einfach ein Tag, den die Handwerker genießen“, sagt Christian Herpich, Metzgermeister- und Vizepräsident der Handwerkskammer für Oberfranken, auch wenn es mittlerweile natürlich nicht mehr möglich sei, die Betriebe für den Tag komplett zuzusperren. Gerade „Exil-Hofer“ nehmen sich frei und fahren an diesem Tag in die alte Heimat. „Man kann sich sicher sein, dass man hier alte Bekannte trifft, die man lange nicht gesehen hat“, sagt Herpich. Kurt Unverdorben sagt, dass spätestens ein bis zwei Wochen vor dem Schlappentag vermehrt Anfragen kommen, ob es denn nicht schon Schlappenbier zu kaufen gibt. Vergeblich.
Traditionelle Bestandteile des Schlappentags: das Schlappenbier und original Hofer Bratwürste. (Foto: Julia Maier)

Kein Schlappenbier ohne Bratwurst

 

Vor dem mitunter langen Tag setzen die Hofer gerne auf ein kalorienhaltiges „Frühstück“, um eine Grundlage zu schaffen. „Der typische Begleiter zum Schlappentag ist die Bratwurst“, sagt Christian Herpich. Die Hofer Bratwurst enthält hauptsächlich fein gewolftes, mageres Schweinefleisch. Im Gegensatz zu ihrem Nürnberger Pendant ist sie lang und dünn und wird paarweise serviert. Vor ein paar Jahren hat Herpich neben dem Klassiker noch eine Schlappenbier-Bratwurst kreiert. Sie ähnelt einer Rostbratwurst, ist grob, enthält Majoran sowie etwas Schlappenbier und wird als einzelne Wurst gegessen. Das Bier, die leichte Süße, die die Gewürze mit sich bringen, sowie die grobe Struktur charakterisieren die Wurst, erklärt Herpich. Wie beim Bier gilt: Keine Schlappenbier-Bratwurst vor dem Schlappentag.

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