Na “Serwus Burghausen”! Diese Schwimmer sind eiskalt

Für Hartgesottene: Eisschwimmen in Burghausen. Da freut sich das Immunsystem. (Foto: Ulrike Kühne)

Die Eisschwimmer von “Serwus Burghausen” ziehen das ganze Jahr über ihre Bahnen im Wöhrsee unterhalb der Burgmauern. So fahren sie Weltrekorde ein und ihr Immunsystem hoch.

Birgit Bonauer tritt als erste im Badeanzug aus der Umkleidekabine in der über 100-jährigen Badeanstalt am Burghausener Wöhrsee. Sie setzt die Badehaube auf, steckt eine Klammer auf die Nase und steigt langsam die hölzernen Leitersprossen ins Wasser hinab. Eine ganz alltägliche Freibadszene – nur Ende Oktober.
Die “Schwimmenden Eis Ritter Wöhrsee und Salzach” (Serwus) Burghausen haben mit dem Wintertraining begonnen. Bonauer stößt sich ab und gleitet durch das dunkle Grün, in dem sich die Mauern der längsten Burg der Welt spiegeln. Wie die Burg über ihr ist auch die 34-jährige Grundschullehrerin aus Pfarrkirchen Weltklasse: Bei der vorigen Eisschwimm-WM in Slowenien ist sie Weltmeisterin in der Altersklasse 30 über 200 Meter Brust geworden und hat zahlreiche weitere Medaillen abgeräumt. Ihre Kollegin Julia Wittig, die nun ebenfalls ins Wasser steigt, brachte gleich sieben Weltmeistertitel in der Altersklasse 40 mit heim, zusätzlich hält sie den aktuellen Weltrekord in 1000 Meter Eisschwimmen und steht für ihre Bestzeit der Eismeile (1,6 Kilometer in 21 Minuten und 33 Sekunden) im Guinness-Buch der Rekorde.
Langsam ins kühle Nass und dann einige Bahnen schwimmen. Die Eisschwimmer von "Serwus Burghausen" sind in dieser Disziplin erprobt. (Foto: Ulrike Kühne)
Eisschwimmen bedeutet: Das Wasser hat eine Temperatur von fünf Grad oder weniger. Sind die wahnsinnig? Cheftrainer Stefan Hetzer, gleichzeitig Vorsitzender von Serwus Burghausen, hält Eisschwimmen für gesund. Er möchte den Menschen zeigen, “dass Kälte genauso angenehm sein kann wie Wärme”. Dafür hilft er Neumitgliedern unter dem Motto “back to the roots”, ihre Körper wieder an Kälte zu gewöhnen, den natürlichen Temperaturwechsel des Jahreszeitenrads wieder mitzumachen. Er ist überzeugt: Das stärkt das Immunsystem und schützt vor Erkältungen. Aus diesem Grund habe schon der örtliche Kneippverein vor rund zehn Jahren die Winterbadestelle im Wöhrsee angelegt, die 2015 für den neuen Verein Serwus um die “Eisschwimmarena” ergänzt wurde.
Die 25-Meter-Bahnen, auf denen Bonauer und Wittig gerade konzentriert Brust und Kraul trainieren. Sie sind ganz bei der Sache, und das, meint ihr Trainer, geht im Eiswasser auch nicht anders. Wer durch die Kälte schwimme, sei “absolut bei sich, kann an nichts anderes mehr denken”. Auch eine Art, seinen Kopf frei zu bekommen. Vereinsarzt Dr. Ernest Hartl schüttelt den Kopf, während er die beiden Schwimmstars im See beobachtet: “Als Leistungssport kann das nicht gesund sein.” Heute, bei rund 14 Grad Außentemperatur, ist das noch kein Problem. Die Schwimmerinnen haben die Temperatur nicht einmal gemessen, für sie ist es warm. Aber bei fünf Grad Wassertemperatur und weniger ist Schwimmen ein Extremsport – was für Julia Wittig einen Teil der Faszination ausmacht.

Sonst droht “der stille Tod”

 

Nach dem Training wird sie beschreiben, wie im 1000-Meter-Wettkampf nach kurzer Zeit die Hände zu Klumpen werden, man Beine und Arme nicht mehr spürt, man irgendwann nicht mehr sprechen kann und das Denken schwer fällt. Nach dem Schwimmen spürt sie ihren Körper nicht mehr, muss sich innerhalb von fünf Minuten trocken anziehen – weil sie dann am ganzen Körper so zittert, dass ein Umziehen unmöglich wäre. Durch die Kälte im Wasser, erklärt der Vereinsarzt, wird die Lunge zusammengedrückt. Das Atmen fällt schwer, die Schwimmer müssen mit immer weniger Luft auskommen – was immer weniger Sauerstoff fürs Gehirn bedeutet. Es droht der “stille Tod”. Irgendwann kommt so wenig Sauerstoff im Gehirn an, sagt Hartl, dass man einfach einschläft, “mitten in der Bewegung”. Dann atmet man Wasser ein und geht ohne Hilfeschrei still und leise unter.

Hier wird der Sprung ins kalte Wasser wörtlich genommen: Eisbaden im Wöhrsee in Burghausen. (Foto: Ulrike Kühne)

“Es bringt das Immunsystem in Schwung”

 

Damit das nicht passiert, trainiert bei Serwus nie jemand alleine. Bei Wettkämpfen sind immer Rettungsschwimmer, Ärzte und sogar Taucher zur Stelle. Die Schwimmer werden bei Langstrecken bei jeder Wende angesprochen, um zu sehen, ob sie noch klar im Kopf sind. Hartl hat bei seinem ersten Wettkampf in Norwegen erlebt, wie trotzdem ein Sportler nach der Anstrengung gestorben ist. Dennoch ist auch er selbst begeisterter Ganzjahresschwimmer. Und er ist überzeugt, dass Eisschwimmen gesund ist – als Hobby: “Es härtet ab, bringt das Immunsystem in Schwung.”

Wie so oft kommt es auf die persönlich richtige Dosis und professionelles Training an. Nach gut 20 Minuten steigen die beiden Schwimmerinnen wieder aus dem Wasser. Normalerweise käme jetzt der angenehme Teil des Trainings: langsames Aufwärmen in Zuber, Saunazelt oder Wärmekabine. Doch sie sind alle geschlossen. Wegen Corona fällt der entspannende Trainingsabschluss diesen Winter aus. So müssen sich auch die Spitzensportlerinnen aufwärmen, wie alle Hobbyschwimmer auch, die im Winter irgendwo in einen See steigen: Gut abtrocknen, warm einpacken und dann in der guten Stube am besten einen warmen Tee mit Honig trinken.

Weitere interessante Artikel rund ums Thema Gesundheit lesen Sie im Bayerns Bestes Magazin, Ausgabe 01/2021.

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Matthias Jell

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