Deutsches Hutmuseum: Handwerk, Kunst und Krempe

Der Hut, der alles erzählt: Lindenbergs Exportschlager war der Matelot, wegen seiner geraden Krempe auch Sägeblatt genannt. Foto: Philipp Seidel

Neues Leben in einer alten Fabrik: Das Deutsche Hutmuseum in Lindenberg im Westallgäu erzählt seit fünf Jahren von der Kunst des Hutmachens, von der Mode und von der Geschichte der Region (Archivbeitrag).

Zum fünften Geburtstag des Hauses ist endlich auch ein Original von Lindenberg (dem Sänger) in Lindenberg (dem Ort) angekommen: Das Deutsche Hutmuseum, 2014 eröffnet, hat nun einen Hut des legendären Deutschrockers in seiner Sammlung. Das war bisher eine schmerzhafte Lücke: Hut-Lindenberg ohne Lindenberg-Hut!

Er ist eine von mehr als 72 Promi Kopfbedeckungen, die das Museum kürzlich von dem Münchner Sammler Felix Felzmann gekauft hat. Zu den Neuerwerbungen zählen auch Hüte von Karl Valentin, Heinz Rühmann und Inge Meysel – Vertreter einer Zeit also, in der ein Hut die Alltagsgarderobe erst vollständig machte. Von dieser Zeit erzählt das Deutsche Hutmuseum – und davon, was die Hutkultur für den Ort im Westallgäu bedeutet hat. 

 

Hüte Prominenter wie von der Queen

 

Der Lindenberg-Hut erhält seinen Platz im vierten Stockwerk des Hauses. Dort, arrangiert rund um Anja Luithles so dynamisches wie markantes Kunstwerk “Hut-Tornado”, finden sich auch Kopfbedeckungen vom Papst, von der Queen, von Luis Trenker und dem Hollywood-Abenteurer Indiana Jones, gespielt von Harrison Ford.

Der Film-Hut: Ein Exemplar des Herren-Klassikers Fedora trug Harrison Ford als Indiana Jones im Kino. Foto: Philipp Seidel

Die Etage ist sonst der Kulturgeschichte der Hutes gewidmet: In Vitrinen finden sich Hüte aus den letzten 300 Jahren in allen Formen und Farben, vom einfachen Strohhut bis zum aufwendig verzierten Damenhut für die besondere Gelegenheit. Bei den Herrenhüten ist die Vielfalt nicht so groß, hier dominieren Formen wie der Indiana-Jones-Hut Fedora oder der Trilby mit seiner etwas kürzeren Krempe. Und am Ende kann man noch ein Selfie machen – mit Hut, versteht sich. 


Das Städtchen Lindenberg, nur eine halbe Autostunde vom Bodensee entfernt, galt einst als das “Klein Paris” der Hutmode. In den besten Zeiten wurden jährlich Millionen von Hüten in den Hutfabriken im Ort und im nahen Umland gefertigt und in alle Welt exportiert. Das brachte Wohlstand.

Wie man edle Strohhüte fertigt

 

Was hatte Lindenberg, was andere Städte nicht hatten? Die Herstellung einfacher Strohhüte aus Halm-Resten half schon im 16. Jahrhundert, das karge Einkommen aus dem Getreideanbau aufzubessern. Lindenberger Händler kauften in Norddeutschland Pferde, brachten sie über die Alpen, um sie in Italien wieder zu verkaufen. Dort lernten sie neben den Geschäften, wie man edlere Strohhüte fertigt. Später nutzte man den ebenso einfachen wie nützlichen Halmspalter, um feineres Gewebe herzustellen.

14 Hutfabriken mit 3000 Beschäftigten gab es um 1900 in Lindenberg und im Umland, dazu kamen noch einzelne Strohhuthersteller. Lindenbergs Exportschlager war der Matrosenhut Matelot, wegen seiner geraden Krempe auch “Sägeblatt” genannt, der im Museum in vielen Ausführungen zu sehen ist. In der wirtschaftlichen Not nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg setzte man neben dem Strohhut vor allem auf den Damenhut aus Filz. 


Das Deutsche Hutmuseum erzählt von der Industriegeschichte Lindenbergs und des Westallgäus, ist also gleichermaßen Handwerks- wie Stadtmuseum; und es erzählt die Kulturgeschichte des Hutes, die immer auch Gesellschaftsgeschichte ist: In einer Gegend, in der die Menschen vom Ackerbau leben, braucht man Hüte zum Schutz gegen die Sonne. Und Freizeithüte als Massenprodukt sind nur denkbar, wenn die Bevölkerung überhaupt genug Freizeit hat.

Der besondere Hut: Ein Wanderhut mit allerlei Souvenir-Ansteckern –vermutlich zu vielen, um ihn noch bequem tragen zu können. Foto: Philipp Seidel

Das Museum ist selbst in einem architektonischen Zeugen aus Lindenbergs Blütezeit untergebracht: Das letzte verbliebene Fabrikgebäude der ehemaligen Hutfabrik Ottmar Reich, seit 1997 endgültig geschlossen, wurde aufwendig saniert, es erhielt als Hingucker eine freischwebende Wendeltreppe, die sich bis hinauf unters Dach windet. 


Rund 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat das Museum. Herzstück des Hauses sind die beiden Etagen mit dem Handwerk und der Hutmode. Dazu kommen die Fläche für Sonderausstellungen im ersten Stock und die Museumspädagogik im zweiten Stock. Im ehemaligen Kesselhaus nebenan ist die Museumsgastronomie untergebracht. Unterm Dach schließlich ist der Veranstaltungsraum Kulturboden, ein Ort für die Kleinkunst. Sehr effizient: Die Kasse des Museums ist gleichzeitig die Touristeninformation des Ortes. 


An dem Hutmuseum kommt man als Besucher also kaum vorbei – mehr als 20 000 sehen sich die Ausstellung im Jahr an. Das Haus ist zum kulturellen Zentrum im sonst so grünen wie malerischen Westallgäu geworden.

Anfahrt: Mit dem Zug bis Röthenbach im Allgäu, dann weiter mit dem Linienbus (11, 12 oder 13) bis Lindenberg, Haltestelle Hutmacherplatz. Mit dem Auto Richtung Lindau bis zur Ausfahrt Wangen-Nord, der Beschilderung folgend sind es bis Lindenberg noch 18 Kilometer.

 

Weitere Informationen zum Hutmuseum: Deutsches Hutmuseum, Museumsplatz 1, Lindenberg, www.deutsches-hutmuseum.de

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Matthias Jell

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