Spider Murphy Gang: Längst nicht zu alt für Rock ’n‘ Roll

Die Spider Murphy Gang 2019 bei der Silvestershow in Offenburg.
Die Spider Murphy Gang 2019 bei der Silvestershow in Offenburg. Seit April gibt die Band wieder Konzerte. (Foto: imago/Eibner)

Günther Sigl ist Mitbegründer und Frontmann der Spider Murphy Gang. Seit April gibt die Band aus München wieder deutschlandweit Konzerte. Wir sprechen mit dem 76-Jährigen über seine musikalischen Anfänge, gealterte Groupies und wie er sich für seine Sprünge auf der Bühne fit hält.

Seit 46 Jahren sind Sie mit der Spider Murphy Gang erfolgreich, aber auch schon davor musikalisch aktiv gewesen. Herr Sigl, nehmen Sie uns einmal mit zu Ihren Anfängen.

Günther Sigl: Meine erste Gitarre habe ich mit 15 Jahren einem Pfadfinder für 40 Mark abgekauft und damit war es um mich geschehen. In meiner Familie haben sie gemeint, jetzt ist er verrückt geworden. Ich habe nur noch auf der Gitarre gespielt. Trotzdem habe ich meine Banklehre beendet und nebenbei mit meiner Band Musik gemacht. Das war 1962, die Zeit, in der die Beatles und die Rolling Stones aufgekommen sind. Wir waren eine Beatband in einer Kneipe und damals hatte noch keiner einen Führerschein. Mein Vater hat uns und unser Equipment oft in seinem VW-Käfer zum Auftritt gefahren.

1971 haben Sie den Bankberuf aufgegeben, um Profimusiker zu werden. Wie schwer war das?

Sigl: Am Anfang war es schwierig, denn wir haben ein paar Engagements gehabt und dann wieder nichts. Dann hat man irgendwelche Jobs angenommen. Ich habe im Lager der Jeans-Firma Levi Strauss gearbeitet, bis wir von den amerikanischen Clubs engagiert worden sind. Zu dieser Zeit waren in den Städten überall amerikanische Kasernen mit Clubs. Die Auftritte haben uns die Miete gezahlt. Aber wir wollten generell in München bekannter werden und haben 1977 die Spider Murphy Gang gegründet – mit einem englischsprachigen Rock-’n‘-Roll-Programm.

Sind Chuck Berry und Elvis Presley Ihre musikalischen Vorbilder?

Sigl: Meine erste eigene LP war „Le Roi Du Rock“ von Chuck Berry. Die habe ich mir 1952 gekauft und weil ich keinen eigenen Plattenspieler hatte, auf dem meiner älteren Schwester angehört und probiert, dessen Lieder auf der Gitarre nachzuspielen. Mit Songs von Chuck Berry und Elvis haben auch die „Beatles“ und „Rolling Stones“ angefangen. Elvis war damals schon ein Superstar. Aber in Sachen Rock ’n‘ Roll war Chuck Berry unser Lehrmeister.

Irgendwann sind Sie umgeschwenkt zu Rock ’n‘ Roll mit Texten in bairischer Mundart. Warum?

Sigl: Immer sonntags haben wir im Musikclub „Memoland“ in Schwabing gespielt und der BR-Musikmoderator Georg Kostya hat uns da gesehen. Für eine neue Sendereihe im Jugendfunk, im Zündfunk Bayern II, hat er eine Band gesucht, die immer live spielt. Er meinte, dass wir bairisch singen müssten, weil es eine Sendung in Bayern ist. Zuerst haben wir die Titelmelodie gemacht, den Rockhaus-Song, und es folgten Titel mit bairischen Texten. Das war nicht so schwer, denn in der eigenen Sprache kann man viel leichter eine Geschichte erzählen. Wir hatten jeden Monat eine Sendung und wollten immer einen neuen Song vorstellen. Ein Jahr später haben wir unsere erste Platte „Rock ’n‘ Roll Schuah“ aufgenommen, die im Süddeutschen Raum eingeschlagen hat. Mit der zweiten Platte „Dolce Vita“ und dem „Skandal im Sperrbezirk“ sind wir durchgestartet.

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In Bayern war der „Skandal im Sperrbezirk“ erstmal verpönt.

Sigl: Im Radio sind wir nicht gespielt worden, im Fernsehen auch nicht und das lag an dem Wort „Nutten“.

War der Songtext eine bewusste Provokation?

Sigl: Vor den Olympischen Sommerspielen 1972 wurde der Sperrbezirk in München eingeführt. Man wollte sich der Weltöffentlichkeit gegenüber sauber präsentieren, ohne die Puffs und Animierkneipen im Bahnhofsviertel. Einige Frauen haben die Sperrbezirksverordnung umgangen und ihr Gewerbe in der Innenstadt ausgeübt. Der eigentliche Skandal im Sperrbezirk war, dass Rosi trotzdem hier ihrer Profession nachgegangen ist. Ich habe das Thema verfolgt, den Text geschrieben und ein paar Akkorde zusammengebastelt.

Ihre Titel sind häufig sozialkritisch, aber auch humorvoll …

Sigl: … „Schickeria“oder „Skandal im Sperrbezirk“ waren sozialkritisch, aber auch fetzig aufbereitet und mit einem Augenzwinkern. Deshalb war „Skandal im Sperrbezirk“ 1982 der Faschingshit. Heute wird er dauernd auf dem Oktoberfest gespielt.

Haben Sie den Erfolg von „Skandal im Sperrbezirk“ erwartet?

Sigl: Damals ist die Neue Deutsche Welle (NDW) mit einem großen Interesse an deutschsprachiger Musik aufgekommen. Der Song ist im Mai 1981 erschienen und im Februar 1982 waren wir auf Nummer eins der deutschen Singlecharts mit der LP und dem „Skandal im Sperrbezirk“. Das war ein Glücksfall. Damit hat keiner gerechnet. Überhaupt wollten wir keine Rock-’n’-Roll- Stars oder Popstars werden. Wir wollten einfach Musik machen und unseren Lebensunterhalt mit der Musik verdienen.

Eine kleine Zeitreise in Bildern

Als Rock-’n‘-Roll-Band zur NDW zugerechnet zu werden, wie war das?

Sigl: Zu der Zeit ist alles unter dem Etikett gelaufen und es war ein großer Hype. Dagegen haben wir uns nicht gewehrt. Nachdem die NDW nach zwei bis drei Jahren verebbt ist, waren wir wieder eine bayerische Rock-’n‘-Roll-Band.

Woher stammte die Inspiration für „Wo bist du?“ und andere Titel?

Sigl: Für „Wo bist du?“ habe ich in der Zeitung die Kontakt-oder Heiratsanzeigen gelesen und mich gefragt: Das sind alles tolle Menschen, jung und gutaussehend. Warum müssen die überhaupt inserieren, wenn sie so toll sind? Die meisten meiner Themen sind persönliche Erlebnisse, wie „Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia“ oder „Reißverschluss“. Das waren Dinge, die man in der Jugend erlebt hat und die jeder kennt.

Und „Schickeria“?

Sigl: Die Schickeria habe ich in München selbst erlebt, als in den Clubs plötzlich Türsteher waren. Wir sind in kaputten Jeans herumgerannt, die zu der Zeit noch keiner Designerjeans nannte, in alten Parkas und mit langen Haaren, echt hippiemäßig. Plötzlich ist man nicht mehr in die Clubs hineingekommen.

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Wann fallen Ihnen Texte ein?

Sigl: Damals haben wir fast jedes Jahr eine neue LP gemacht und dafür Songs gebraucht. Deshalb war die Antenne auf der Suche nach Themen immer ausgefahren. Unsere erste kleine Tournee beispielsweise führte uns 1979 in den Norden Deutschlands und auf der Autofahrt nach Bremen fiel mir ein „I ziag’s net aus meine Rock ’n‘ Roll Schuah“. Erst ist der Gedanke da und dann beginnt die eigentliche Arbeit, das Feilen am Text und schließlich an der Melodie.

Wie stehen Sie heute zu Ihren Songs?

Sigl: Es gibt Künstler, die sich mit ihren frühen Songs nicht mehr identifizieren können. Wir sind froh, dass wir mal so einen Hit gelandet haben. Unsere Songs haben immer noch Kraft. Bei „Skandal im Sperrbezirk“ kommt der erste Akkord und alle tanzen und singen mit. Neuerdings gehen Tausende Handys in die Luft. Alle wollen es filmen. Wir sind jetzt schon 46 Jahre dabei. Dass eine Band so lange hält, hätten wir damals nicht geglaubt, wenn uns das einer gesagt hätte. Nach den großen Erfolgen war auch mal eine Durststrecke, da muss man durch. Wir haben weiter Konzerte gespielt und hatten immer unser Publikum.

In all den Jahren auf der Bühne ist bestimmt auch einmal etwas schiefgelaufen…

Sigl: Das stimmt. Wir haben im Hallenstadion in Zürich gespielt und da ist der Strom ausgefallen. Gerade war der Refrain zu „Wer wird denn woana“ dran. Zehntausende haben den Refrain minutenlang weitergesungen und der Schlagzeuger hat die Basstrommel gespielt. Dann war der Strom wieder da und wir haben weitergespielt. Schee war‘s!

Gibt es heute noch Groupies, die BHs auf die Bühne werfen?

Sigl: BHs fliegen ab und zu auf die Bühne, aber eher aus Gaudi. Eine Reminiszenz an alte Zeiten (lacht). Die Groupies gibt es schon noch, aber die sind jetzt auch älter. Manche waren als Teenager bei uns und kommen immer noch in die Konzerte.

Wie halten Sie sich für die Konzerte fit?

Sigl: Ich rauche und trinke nicht. Ich laufe jeden Tag meine Runde und mache morgens Gymnastik. Auf der Bühne kann ich noch meine Sprünge stehen. Da wundern sich die Leute oft. Ich bin auch a bisserl stolz darauf, dass ich so fit bin. Noch längst nicht zu alt für Rock ’n‘ Roll.

Stehen neue Musikprojekte an?

Sigl: Ich hoffe, dass wir mit den Spiders nochmal ein Album machen und habe schon Ideen. Ich möchte auch ein zweites Solo-Album machen und habe schon Material dafür.

Weitere Informationen gibt es in der Ausgabe 02/2023.

17.04.2023 Ingolstadt  (Saturn Arena) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

18.04.2023 Salzburg (Salzburg Arena) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

16.05.2023 Lappersdorf (Zeltfestival) unplugged

19.05.2023 Kufstein (Burg) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

07.06.2023 Neuching  (Zelt Oberneuching) Rock’n’Roll

08.06.2023 Wachenroth  (Zeltfestival) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

16.06.2023 Karlsruhe  (Schlossplatz) unplugged

17.06.2023 Erbach  (Volksbank Atrium) Rock’n’Roll

18.06.2023 Weißenhorn  (Stadtpark Open) unplugged

23.06.2023 Hallstadt (Marktplatz) unplugged

06.07.2023 München  (Tollwood) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

07.07.2023 Perchting (Fest Stadl) Rock’n’Roll

14.07.2023 Bad Dürrheim (Sommer Sinnfonie) Rock’n’Roll

15.07.2023 Würselen – Burg Wilhelmstein Rock’n’Roll

20.07.2023 Bischofswiesen (Winkl – Festzelt) Rock’n’Roll

29.07.2023 Tännesberg  (Festival) Rock’n’Roll

05.08.2023 Augsburg  (Freilichtbühne) unplugged

26.08.2023 Schwarzenberg (Waldbühne) Rock’n’Roll

02.09.2023 Nürnberg (Serenadenhof) unplugged

29.09.2023 Hof (Freiheitshalle) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

01.10.2023 Stuttgart (Liederhalle Hegel Saal) Kultbands Live mit der Münchener Freiheit

12.11.2023 Erfurt (Alte Oper) unplugged

16.11.2023 Bremen  (Metropol Theater) unplugged

 

Weitere Informationen sowie Tickets unter www.spider-murphy-gang.de/on-tour/

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Matthias Jell

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