Im „Tatort“ aus Franken verkörpern die Schauspieler Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs die Hauptkommissare Paula Ringelhahn und Felix Voss. Im Interview mit Bayerns Bestes spannen sie den Bogen vom lokalen Verbrechen über Franken zu Kriegen in der Welt.
Frau Manzel, Herr Hinrichs, Sie sind die beiden Hauptkommissare, sprechen aber keinen Dialekt. Ist der Tatort dennoch fränkisch genug?
Dagmar Manzel: Ich bin Berlinerin, Fabian Hamburger. Deshalb sollten Ringelhahn und Voss niemals fränkisch reden, das wäre ja peinlich, Veräppelung. Regisseur Max Färberböck hat die Kombination der Schauspieler interessiert. Der Rest des Teams kommt aus Franken.
Fabian Hinrichs: Wenn man möchte, dass Franken überregional repräsentiert wird, ist es wichtig, dass der Tatort überregional anschlussfähig ist und man ihn versteht. Wenn man ausschließlich richtig fränkisch spräche, könnte das schwierig werden – wie bei jedem anderen Dialekt auch.
Welchen Bezug haben Sie zu Bayern?
Hinrichs: Wir sind früher viel in den Urlaub nach Österreich, Bayern und Jugoslawien mit dem Auto, einem Opel Ascona, gefahren. Ich habe mich immer sehr wohl in Bayern gefühlt. Es gab doch diese beliebte Serie, wie hieß die noch? „Zwei Münchner in Hamburg“ – da scheint es irgendeine Verbindung zu geben. Ich war früher auch dann und wann beim bayerischen Schauspieler Sepp Bierbichler mit meinem Freund Schorsch Kamerun und habe dies und das an den Münchner Kammerspielen gemacht.
Manzel: Wir sind damals auch immer viel in den Urlaub nach Bayern gefahren. Aber Franken kannte ich jetzt nicht so gut. Ich habe da wirklich tolle Menschen kennengelernt, in Nürnberg, Bayreuth und Bamberg – es ist sehr angenehm, dort zu drehen, ich fühle mich da wohl.
Der „innerbayerische Kosmos“
Innerhalb Bayerns gibt es den Konflikt, dass Franken immer noch nicht so recht dazugehört. Wie sehen Sie das mit Blick von außen?
Hinrichs: Tatsächlich war mir der abgeschlossene, innerbayerische Kosmos nicht so bekannt – dass es in Ober-, Mittel- und Unterfranken kosmische Unterschiede gibt.
Auch geschichtlich begründet – seit Franken in das Königreich Bayern eingegliedert wurde.
Hinrichs: Da scheint immer noch eine Art Konkurrenzverhältnis zwischen Franken und dem Rest Bayerns zu bestehen, historische Phantomschmerzen. Für mich ist es sehr spannend, dass es mit Franken ein mir in seiner Vielfalt eher unbekanntes Terrain gab in Deutschland.
Sie haben durch die Dreharbeiten viele Orte in der Region kennengelernt. Wird Franken damit auch einem breiteren Publikum zugänglicher?
Manzel: Man entdeckt auf jeden Fall das Frankenland, aber da gab es kein Konzept. Das hat nur mit den Geschichten zu tun und weil der eine Regisseur vielleicht eher Nürnberg liebt und der andere Bamberg. Das ist ‘ne super Werbung, aber manche Drehorte sind nicht schön, nicht die Idylle.
Hinrichs: Es sind ja keine Tourismusfilme. Das wäre auch nicht so gut, nur schöne Orte zu zeigen, für die filmische Wirklichkeit, wenn es um Tod und Verbrechen geht. Obwohl manchmal auch der Kontrast schön sein kann zwischen Wäldern, Flüssen, Schlössern und der Trostlosigkeit des Verbrechens. Aber es ist doch ganz wichtig, dass man kulturell nicht nur auf die Punkte Berlin, München oder Köln blickt.
„Da unterscheidet sich der Tatort schon sehr von anderen“
Frau Manzel, Sie haben zur Bedingung gemacht, dass Paula Ringelhahn keine Krankheit, keine Macke, kein Kind im Heim hat, sondern „ganz normal“ ist. Bleiben die Charaktere so nicht etwas blass?
Manzel: Das gibt es ja alles schon, das muss nicht vervielfacht werden. Mich hat interessiert, wie man mit schweren Momenten umgeht, was das mit einem macht. Es geht mehr um die Geschichte, um existenzielle Abgründe, die ausgelotet werden und nicht um die persönlichen Befindlichkeiten der Kommissare. Da unterscheidet sich der Tatort schon sehr von anderen. Deswegen hat man Schauspieler gesucht, die sich zurücknehmen können, aber trotzdem Präsenz haben.
Hinrichs: Ich finde die Figuren gar nicht so zurückgenommen. Man erfährt viel über die Sehnsüchte von Voss und Ringelhahn. Und normal, nicht normal – das sind keine Kategorien der Betrachtung. Wichtig ist, ob die Figuren lebendig sind. Und es ist nachhaltiger, die Figuren eher mit inneren Bewegtheiten auszustatten als mit äußeren Klischees und Scherenschnitten.
In vielen Tatorten geht es um Opfer größerer Konzerne oder Machtmenschen. Können Sie Verzweiflungstaten verstehen? Inwieweit würden Sie sich als gerechtigkeitsliebende Menschen bezeichnen?
Manzel: Dem kann man sich nicht entziehen. Ein Gerechtigkeitsempfinden hat jeder, wie die Mutter da zerbricht, die so ein schönes Verhältnis zu ihrem Sohn hatte. Solche Gedanken kann ich schon nachvollziehen. Es ist immer bitter, wenn es so ausgeht: Der wird es auch wieder schaffen. Manchmal kann es in der Welt nicht gerecht sein.
Hinrichs: Ich habe eine Dissertation gelesen, in der es darum geht, wie verhält man sich solidarisch. Ich bin Vater von zwei Kindern. Wenn ich jetzt ein Gewehr hole, nach Kiew fahre, mitkämpfe, werde ich vielleicht verwundet oder erschossen und hinterlasse Halbwaisen. Das wäre übertriebenes solidarisches Handeln, dabei gäbe ich mein Leben auf. Aber indem man Institutionen unterstützt, indem man wählt, wie man konsumiert oder Gespräche führt, kann man seinem Gerechtigkeitsempfinden schon viel Ausdruck verleihen. Man kann spenden, Lebenshilfe geben, Kleidung und Wohnraum und Wärme. Man sollte das tun, was Immanuel Kant mit seinem Denken versucht hat zu zeigen: den inneren Abstand zur Welt verringern.
„Dafür sollten wir alle eintreten“
Die wissenschaftliche Arbeit „Tatort Migration“ zeigt zwar auf, dass das Thema, etwa im Münchner Tatort, vielseitig dargestellt wird. Auch im Tatort Franken wird Migration thematisiert. Aber die deutschen Figuren dominieren Erzählperspektive und Hauptrollen. Wie sehen Sie das?
Hinrichs: Es ist bestimmt noch ein Weg zu gehen. Ich bin kein Hegelianer, der sagt, alles wird besser. Es gibt auch Rückschläge, Ungerechtigkeiten, Fehlentwicklungen. Überhaupt in die Berufe zu kommen, Lebenschancen zu erhalten, dass nicht die Herkunft das Leben vorzeichnet – dafür sollten wir alle eintreten.
Manzel: Da passiert auch schon einiges in der Film- und Fernsehlandschaft. Bei uns in der Komischen Oper in Berlin gibt es ein Programm mit türkischen Künstlern. Die Oper war voll mit Deutsch-Türken, vor uns war ein drei Monate altes Baby dabei. Es war so schön im Haus, als alle die Moorsoldaten gesungen haben, war ich sehr bewegt. Der Tenor war: Wir leben alle zusammen auf dieser Welt, in Frieden, Akzeptanz und Respekt miteinander.
Feedback zum öffentlich-rechtlichen Abendkrimi kann man auf der Website Tatort-Fans nachlesen. Manche kritisieren Längen, oder dass es sehr laut wird. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Manzel: Ganz ehrlich, ich lese die nicht. Es bringt mir gar nichts, ob es dem einen zu laut oder zu langsam ist. Ich muss ja etwas machen, was ich vertreten kann, die einen wollen Action, die anderen eben eher das.
Hinrichs: Ich halte das mit Nietzsche, der sagt, nur, wer mich liebt, darf mich kritisieren. Wer einen sowieso nicht mag, will einen nicht sehen. Allen muss man nicht gefallen. Und manchmal sind auch gute Bewertungen ein Missverständnis. Wir sind ohnehin einer Flut von Bewertungen ausgesetzt.
Was sind kommende Projekte und was machen Sie, wenn Sie nicht gerade arbeiten?
Hinrichs: Ich studiere nebenbei im Hobby, schreibe das Buch „Die neuen goldenen Zwanziger“ über den Wert der Kunst. Dann inszeniere ich nächstes Jahr das Stück „Sardanapal“ von Lord Byron, das bereite ich gerade vor und werde ein bis drei Filme drehen in den nächsten Monaten. Ansonsten bin ich das, was man einen „Familienmenschen“ nennt.
Manzel: Mein Hauptschwerpunkt ist das Musiktheater, das ist mein Zentrum. Ich mache auch weiter Theater, gerne Hörspiele und drehe. Aber mehr als ein bis zwei Filme gehen nicht, weil wir so viele Vorstellungen haben. Dieses Jahr inszeniere ich Pippi Langstrumpf, das ist neues Terrain und total spannend. Ansonsten verbringe ich meine freie Zeit mit meiner Familie, bin im Garten. Ich habe einen schönen Garten, das ist ein wunderbarer Ausgleich. Das will ich nicht mehr missen.
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