Wenn man an Pralinen denkt, dann fallen einem sofort Belgien oder die Schweiz ein. Doch auch in Bayern hat die süße Sünde Tradition. In der Chocolat Manufaktur im niederbayerischen Landshut werden die Pralinen handgemacht.
Es ist 8 Uhr morgens. Chocolatier Olaf Minet und mehrere Konditorinnen arbeiten seit gut zwei Stunden in der Chocolat Manufaktur in Landshut. Schokoladentafeln, Eclairs, Kuchen, Eis, Bruchschokolade und Pralinen stehen heute auf dem Tagesplan. Letztere sind besonders aufwendig – sie gelten als Krönung der Chocolatierskunst.
Konditorin Julia Höpfl kümmert sich gerade um die Füllung für die Erdbeer-Champagner- Pralinen, die sogenannte Ganache – eine Creme aus Rahm und Kuvertüre. In eine Schüssel auf einer Waage gibt sie zwei Löffel Glukosesirup. “Dieser ist wichtig, damit der Fruchtzucker nicht auskristallisiert und die Pralinen ihren zarten Schmelz behalten”, sagt die 22-Jährige. Hinzu fügt sie einige Tropfen Weinsäure. Vor allem bei fruchtigen Pralinen ist die Säure geschmacklich wichtig. Es folgen gefrostetes Erdbeerpüree und reichlich Sahne. Nun wird alles mit einem Schneebesen vermengt. Die Mischung landet in einem Topf auf dem Herd und wird zum Kochen gebracht. Jetzt bin ich dran: Mit Schürze und Haube geschützt, rühre ich die Püree-Mischung. Der Duft von Erdbeeren breitet sich aus. Köstlich.
Beim Blick auf die andere Seite der Küche fallen sofort vier Becken aus Edelstahl mit flüssiger Kuvertüre auf. Zwei davon sind voll mit flüssiger Vollmilch Kuvertüre (42 Prozent Kakao) und herber Kuvertüre (72 Prozent Kakao). Beides sind Kreationen aus Frankreich, die eigens fürs Chocolat hergestellt wurden. In den anderen sind herbe (60 Prozent Kakao) und weiße Kuvertüre.
“Wir verarbeiten jährlich sieben bis acht Tonnen Schokolade”, sagt Olaf Minet, der die Manufaktur gemeinsam mit seiner Frau Inge seit 15 Jahren führt. Der Edelkakao stammt aus Südamerika und Afrika. Zukünftig wollen sie Kakao von einer Plantage aus Brasilien beziehen, die der Chocolatier im vergangenen Jahr besucht hat. Von der Qualität der Kakaobohnen schwärmt er noch immer.
Auf dem Weg zur fertigen Ganache
Die Kuvertüre fließt aus Hähnen in das jeweilige Becken. Dem Fluss aus Schokolade zuzuschauen, hat etwas Beruhigendes. Während ich weiter die Masse mit Erdbeerpüree rühre, kippt Höpfl Butterwürfel und einige Handvoll frische, weiße Kuvertüre in eine Schüssel auf der Waage. Als die Masse mit dem Erdbeerpüree flüssig und homogen ist, geben wir sie in die Schüssel mit Kuvertüre und Butter. Jeder Tropfen wird aufgefangen. Und wieder wird alles verrührt. Zum Schluss kommt der Alkohol dazu, dafür werden einige Milliliter Marc de Champagne abgewogen und der Ganache untergerührt. “Der Alkohol dient als geschmackliche Unterstützung”, sagt Höpfl. Jetzt ist die Ganache fertig und darf sich im kühlen Wasserbad ausruhen.
Eine Station weiter befüllt Konditorin Jojo Maier gerade Orangen-Rosmarin-Pralinen. In dem Pralinenblister vor uns sind die Hohlkörper aus weißer Schokolade platziert. Mit einem Trichter, in dem sich die Orangen Rosmarin-Füllung befindet, spritzt die 25-Jährige die Füllung in jede Praline einzeln. Keine leichte Aufgabe. Hier ist ein gutes Augenmaß gefragt: Die Praline darf weder zu leer sein noch überlaufen. “Immer bis zum Rand”, sagt Maier. Ich brauche einige Anläufe und muss häufiger nachkorrigieren. Das habe ich mir nicht so schwierig vorgestellt. Nach dem Befüllen ruhen die Pralinen über Nacht und werden am nächsten Tag weiterverarbeitet.”
Kleiner Stöpsel mit großer Wirkung
Währenddessen kümmert sich Höpfl um das sogenannte Stöpseln, das Verschließen der Pralinen. Die Kaffee Baileys-Pralinen wurden bereits am Vortag vorbereitet, die Füllung im runden Vollmilch-Hohlkörper ist fest. In einen Spritzbeutel füllt sie Vollmilch-Kuvertüre und schneidet ein Stück an der Spitze ab. Danach spritzt sie die Kuvertüre auf die Öffnung der Praline, die damit dicht und rund ist. Eine filigrane Arbeit, der Stöpsel darf nicht zu klein sein. Höpfl: “Ein zu kleiner Verschluss macht die Praline weniger lange haltbar.” Praline für Praline wird so verschlossen.
“Zwischen 120 und 130 Pralinensorten werden in der gläsernen Manufaktur hergestellt”, sagt Minet. Die beliebteste Praline? “Burgfräuleinspitze” – eine Pyramide aus weißer Schokolade mit Erdbeerjoghurt und Vanille. Den Namen haben sich seine Mitarbeiter überlegt, sagt er lächelnd. Das Pendant dazu ist die Burgherrenspitze aus dunkler Schokolade, Kaffee und Marzipan. Nach dem Trocknen im Kühlschrank und dem Abziehen der Kakaobutterfolie geht es für die Passionsfruchtherzen, wie für alle anderen Pralinen, schließlich in die Theke im vorderen Bereich der Manufaktur, wo sie schick verpackt auf Reise gehen – einige davon auch zu mir.
Beruf: gelernter Koch, arbeitet heute als Chocolatier
Alter: 58
Lieblingspraline: alles mit Marzipan und Lakritz
Eröffnung der Chocolat Manufaktur: 2005.
Seit etwa 13 Jahren gibt Minet regelmäßig auch in Pralinenkursen sein Wissen weiter.
Website: www.chocolat-manufaktur.de