Der “Zwergenkönig” ist eines von neun Wald- und Naturmärchen des Amberger Volkskundlers Franz Xaver von Schönwerth (1810 – 1886), von denen man sich auf dem Schönwerth-Märchenpfad in Sinzing bei Regensburg verzaubern lassen kann. Etwa 500 Erzählungen umfasst seine Sammlung insgesamt: Sagen, Natur-, Wasser-, Liebes-, Tier- und Schauermärchen von einfachen Leuten, Bauersknechten und Großmüttern überliefert, allesamt aus der Oberpfalz. Erika Eichenseer hat sie durch eine Kette von Zufällen gefunden. Eine Sensation, die weltweit für Aufsehen sorgte.
Der Wert von Märchen
Was ist das? Ein sonderbarer Klang mischt sich in das Vogelgezwitscher, ganz leise. Ein Windspiel, nur auf einen einzigen Ton gestimmt. “Und das hat ein Handwerksbursche gehört, ein Schneider, der durch den Wald gegangen ist”, sagt Erika Eichenseer. “Der Schneider dachte sich: ‚Da singt irgendwas. Ein Baum? Ja der interessiert mich jetzt.‘ Und dann zieht er seine Schneidernadel, bohrt damit in die Rinde.” Schon ist man im nächsten Märchen drin, dem vom “Singenden Baum”. Hier rächt sich die Natur bitter an einem Schneider für die erlittene Qual. Nie wieder wird er einem Baum etwas zuleide tun.
Video: Mystischer Märchenpfad
Die Bedeutung von Märchen für Kinder
Was die Macht der Märchen alles bewirken kann, erlebt Erika Eichenseer immer wieder bei ihren Führungen. Kinder werden zu Laiendarstellern und spielen nach, wie “Das dumme Weib” von ihrem Mann geschimpft wird, weil sie ihr letztes Geld der “Großen Not” geschenkt hat. Wie die “Holzfräulein” suchen sie Baumstümpfe mit einem drei-fachen Kreuz, um vor der “Wilden Jagd” in Sicherheit zu sein, während Erika Eichen-seer das Ungetüm in den Bäumen mit einem Stock zum Scheppern bringt. Und sie merkt, wie die Kinder Mitleid mit dem blauen Prin-zen entwickeln, weil er in einen “Roßzwifl” (Mistkäfer) verwandelt wurde, nachdem er einen ebensolchen zertreten hatte. Sie erzählt das Märchen so mitreißend, dass man unweigerlich den Kopf wendet und nach dem blauen Prinzen sucht, wenn sie sagt: “Da ist der blaue Prinz. Schau her, da kommt er herauf!”
Ein Schatz, der in der Oberpfalz verwurzelt ist
Für Erika Eichenseer sind Schönwerths Märchen ein Schatz, der in der Oberpfalz verwurzelt ist. Die Texte seien noch ursprünglich und rein, sagt sie, nicht so verfälscht wie die Märchen der Gebrüder Grimm. Videokünstlern aus Amerika hat sie dennoch einige für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt. Hollywood dagegen hat sie abblitzen lassen. Zum Abschied geht Erika Eichenseer noch einmal zum
Zwergenpalast. “Servus, Zwergenkönig. Lass dir’s gutgehen”, sagt sie. Noch immer streckt er ihr sehnsüchtig die Krone entgegen. Dann verlässt sie die Märchenwelt für heute.
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