Rote Energiebomben: Was alles in der Hagebutte steckt

Hagebutten
Hagebutten stärken das Immunsystem. Foto: Ulrike Kühne

Mit dem Juckpulver aus Hagebutten lassen sich tolle Streiche spielen. Ihr Mark steckt in jedem echten fränkischen Faschingskrapfen. Doch die kleinen Sammelnussfrüchte können noch viel mehr: Sie liefern Energie, stärken das Immunsystem und pflegen die Haut.

In Hagebutten steckt rund 25mal mehr Vitamin C als in Zitronen und Orangen. Schon die alten Syrer und Römer haben die Heilkraft der roten Früchte der Hundsrose (Rosa canina) genutzt. “Hildegard von Bingen hat im Mittelalter die entzündungshemmende Wirkung der Hagebutte gekannt”, sagt Diplombiologe Klaus Hammelbacher, Geschäftsführer der bayerischen Konfitürenmanufaktur Maintal, die seit 1886 im unterfränkischen Haßfurt Mark aus Hagebutten herstellt. Dennoch sei die “Hiffe”, wie man im Fränkischen sagt, keine Heilpflanze im strengen Sinne – aber sie “hat eine gesundheitsfördernde Wirkung”. 

 

Lycopin schützt die Zellen und stärkt die Abwehrkräfte 

 

Hiffen sind nicht nur reich an Vitamin C, das unser Immunsystem stärkt und den Energiestoffwechsel ankurbelt. Sie enthalten auch Vitamin E und besonders viele pflanzliche Farb-, Duft- und Aromastoffe. Dazu zählt das Carotinoid Lycopin, das unsere Zellen schützt, die Abwehrkräfte stärkt und laut Studien das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf Erkrankungen senken kann.

Warum findet sich die rote Frucht, die fast überall wächst und sich selbst im Winter noch ernten lässt, dann nicht in jedem Obstkorb? Die Sache hat nicht nur einen Haken – sondern viele. Im Inneren der Hagebutte stecken kleine Kerne: die Nüsschen der Sammelnussfrüchte. Diese sind mit winzigen Härchen besetzt, die Widerhaken tragen. Freche Kinder trocknen die Kerne und verwenden sie als natürliches Juckpulver. Köche dagegen begegnen ihnen mit Respekt – und manchmal auch mit Handschuhen.

Hagebutten sind ab Ende September reif

 

Juckende Hände sind unangenehm, ein Jucken im Hals möchte man sich lieber gar nicht vorstellen. Hinzu kommt: Während das Sammeln der ab Ende September reifen Früchte recht einfach ist, gestaltet sich die Verarbeitung der Hagebutte eher schwierig. Wer sie vor dem ersten Frost erntet, sollte die Früchte mindestens eine Woche einfrieren, empfiehlt Hammelbacher. “Durch die Frostkristalle werden die Zellwände beschädigt, so werden die Schalen samt der dünnen Schicht Fruchtfleisch daran weicher.” Roh sei die Hiffe sauer und eigentlich nicht zu verzehren. Also schneiden viele Hobby-Sammler sie für die Herstellung des Marks auf, entfernen die Kerne mit einem Löffelstiel und kochen die Schalen “möglichst schonend”.

 

Später muss das Mus in der Privatküche zur Entfernung der Härchen durch ein feines Sieb gestrichen und durch ein Tuch gedrückt werden. Bei Maintal Konfitüren dagegen werden die Hagebutten in Vakuumkochkesseln bei 60 Grad Celsius gekocht, damit möglichst viel Vitamin C und andere wertvolle Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Nur ganz kurz wird die Konfitüre auf 90 Grad erhitzt, um sie haltbar zu machen. Heiß fließt die Konfitüre in die Gläser, die in einem acht Meter langen Kühltunnel
sofort wieder heruntergekühlt werden.

"Die sind noch nicht ganz reif": Klaus Hammelbacher am Heckengürtel rund ums Firmengelände. (Foto: Ulrike Kühne)

Vitamreich und lecker

 

Auch nach dem Erhitzen bleibt noch einiges an Vitamin C übrig. “Mit einem gut bestrichenen Konfitürenbrot morgens hat man die Hälfte des Tagesbedarfs abgedeckt”, schätzt der Diplombiologe. Eine Untersuchung der Friedrich-Schiller-Universität Jena konkretisiert: “50 Gramm Hagebuttenkonfitüre liefern bereits 47,5 Prozent der täglichen Zufuhrempfehlung für Vitamin C.” Das entspricht der Menge von zwei kleinen Konfitüreschälchen, wie man sie vom Frühstück aus Hotels kennt.

Das Erhitzen senkt zwar den Vitamingehalt, macht aber gleichzeitig das ebenfalls enthaltene Lycopin für den menschlichen Körper besser verwertbar – besonders, wenn das reine Hagebuttenmark oder die Konfitüre mit etwas Fett gemeinsam gegessen werden. Das Prinzip kennen viele gesundheitsbewusste Esser von Tomaten, die ebenfalls Lycopin enthalten. Die Butter auf dem Frühstücksbrot ist bei Hagebuttenkonfitüre also zu empfehlen.

Es geht auch ohne Zucker

 

Wer sich am Zucker in der Konfitüre stört, kann auch auf reines Hagebuttenmark zurückgreifen und es zum Beispiel mit Olivenöl zu einer Pastasauce verarbeiten. Über Hiffen auf Nudeln kann Hammelbacher allerdings nur lachen. “Aus Hagebutten kann man eigentlich nur Marmelade machen”, findet er. Und damit teilt er wohl die Meinung vieler Franken. Die Hagebuttenkonfitüre, die sie “Hiffenmark” nennen, gehört traditionell vor allem in den Faschingskrapfen. “In ganz Franken werden die Krapfen mit unserer Hagebuttenkonfitüre gefüllt”, sagt Hammelbacher stolz.

In der Hecke rund ums Firmengelände leuchten die Hiffen rot in der Herbstsonne, aber geerntet werden sie nicht. Während bis vor einigen Jahren noch einige Sammler aus den Haßbergen, dem Steigerwald und dem Maintal ihre Körbe bei der Konfitürenmanufaktur ablieferten, werden die Sammelnussfrüchte heute ausschließlich in zertifizierter Bio-Qualität aus Rumänien bezogen. Und um möglichst nachhaltig zu wirtschaften, werden jetzt auch die Kerne verwendet: Noch vom Trocknen warm und nussig duftend kommen sie in eine Presse. Heraus tropft rötliches Wildrosenöl, das noch viele sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamin E enthält. Es kann zum Beispiel zur Pflege von trockener Haut genutzt werden und soll die Zellregeneration bei Narben unterstützen. So wird das ganze gesundheitsfördernde Potenzial der roten Energiebomben genutzt – egal ob auf der Haut oder im Krapfen.

Die hagebutte

Die Hagebutten aller hiesigen Wildrosensorten sind essbar, sagt Hammelbacher: “Da ist nichts Giftiges dabei.” Zu 95 Prozent finde man die Sorte “Rosa canina”, die auch Maintal Konfitüren verarbeitet. Nur an den Küsten oder in Gärten wächst auch “Rosa rugosa”, die Kartoffelrose. Mitte September bis November ist Haupterntezeit – für einen hohen Vitamin C-Gehalt möglichst bei trockenem, sonnigem Wetter. “Je roter und dunkler, desto ausgereifter
ist die Frucht und desto mehr Inhaltsstoffe hat sie”, sagt der Biologe. Wer sich die Arme und Hände beim Pflücken nicht zerkratzen möchte, sollte Rosenhandschuhe tragen.

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Matthias Jell

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