Ohne Hunger: Heilfasten im Selbstversuch im Landkreis Bad Kissingen

Heilfasten Bad Brückenau
Autorin Gertraud Wittmann berichtet über ihre Fasten-Erfahrung in Bad Brückenau, die Methode und die Wirkung auf die Gesundheit. (Symbolfoto: imago / Panthermedia)

Freiwillig fast nichts essen, dabei fit sein und gut gelaunt? In der Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau hat Heilfasten Methode. Vorbeugend und zum Lindern chronischer Krankheiten unterstützen Ärzte und Therapeuten die Fastenden auf ganzer Linie. Ein Erfahrungsbericht

Leise ächzt eine Frau. “Uuh”, stöhnt es von links. Ich keuche. Eine Faszienrolle liegt unter meinen Oberschenkeln. “Am Schmerzpunkt halten, bis es nachlässt”, erinnert Sporttherapeutin Laura Spindler. Ich bin im Kurs “Faszien-Regeneration”. Heute Morgen war ich schon stretchen, tautreten und 20 Minuten auf dem Ergometer. Was das mit Heilfasten zu tun hat? Es ist Teil eines Konzeptes. Denn so wie der Mensch nicht nur aus Knochen und Organen besteht, ist Heilfasten mehr als eine Diät – intensiver.

Die klassische Naturheilkunde definiert Heilfasten als freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Genussmittel für begrenzte Zeit, aber nicht als Nulldiät: Gemüsebrühe, Gemüsesaft, Kräutertee und Wasser sind erlaubt. Für mein erstes Heilfasten lasse ich mich fachkundig unterstützen. Im fränkischen Bad Brückenau bietet die Malteser Klinik von Weckbecker Fastenkuren an: klassisch, als “Reset”, “in Stille” bis hin zum Intervallfasten. Weil der Darm das wichtigste Immunorgan des Körpers ist, entscheide ich mich für eine Woche “Darm-Leber-Detox”.

Schon vor der Ankunft habe ich Gesundheitsfragen beantwortet und einige Entlastungstage eingelegt. Die Umstellung soll leichter fallen, wenn man schrittweise Alkohol, Nikotin, Süßes, Kaffee, tierische Produkte und schwer Verdauliches reduziert, sich mit Gemüse und leicht Verträglichem satt isst. Ich bin motiviert – also kein Problem.

Tomatenbrühe, Roibuschtee und Bitterwasser

 

Richtig los geht es am Sonntagabend in der Klinik: mit Tomatenbrühe, die viele Schwebstoffe enthält. Ist es die Bioqualität, Kochkunst oder das bewusste Essen? Sie schmeckt sehr gut und macht satt. Mit Roibuschtee und einem Becher Bitterwasser gehe ich zufrieden auf mein Zimmer. Das war ja eine richtige Mahlzeit.

Ich habe keinen Hunger. Andererseits bin ich beschäftigt. In der Hauskapelle habe ich einen Meditationszettel gezogen: “Ich freue mich, dass ich mich freue.” Mein Motto der Woche. Außerdem blättere ich durch Infomaterial, lande auf dem Klinik-Infokanal im Fernseher und will es gleich hinter mich bringen, die tägliche Darmreinigung mit warmem Bitterwasser. Pünktlich 30 Minuten später gurgelt es im Bauch. Ab auf die Toilette. Ich halte mich an den empfohlenen Zapfenstreich um 22 Uhr und schlafe lange und gut.

Montag: Der erste Fastentag

 

Mein Frühstück besteht in dieser Woche je aus einem Glas Saft, einer Spalte Zitrone und einem Glas warmem Ingwer-Kurkuma-Wasser, wahlweise Tee. Weil ich auf den frisch gepressten Möhrensaft allergisch reagiere, trinke ich im Wechsel Tomaten- und Rote-Bete-Saft.

Nach der Aufnahmevisite steht das erste Darmbad an, ein professioneller Einlauf mit warmem Wasser. Der Dickdarm wird ab heute täglich 10 Minuten sanft gespült, damit Nahrungsreste und Stoffwechsel-Endprodukte nicht gären oder zurück in den Körper gelangen. Das könnte Kopfweh verursachen. Schließlich liegt mangels Nachschub die Verdauung lahm. Positiver Nebeneffekt: Ein leerer Darm hat keinen Hunger. Das kann ich bestätigen. Andere Fastenphilosophien setzen auf Glaubersalz, Einläufe oder Sauerkrautsaft. Die Methode Weckbecker mit wenig Bitterwasser und Darmbad sei schonend und schwemme Kochsalz nicht so abrupt aus, erklärt der leitende Arzt der Klinik, Dr. Rainer Matejka (63). Es klingt eigenartig, fühlt sich aber befreiend an.

Mittags und abends Zucchinibrühe

 

Mittags gibt es Zucchinibrühe mit Sprossen von rotem Rettich, zwischendurch Tee und Wasser, abends wieder Zucchinibrühe. Einen Teelöffel Cremehonig darf ich über jeden Tag verteilt in meinen Tee einrühren. Ich dürfte, aber habe höchstens fünfmal in dieser Woche ein wenig Honig in den Tee gerührt. Darauf bin ich stolz, zuhause wäre ich sicher öfter in Versuchung. Rund 350 Kilokalorien haben meine Mahlzeiten täglich. Sie unterstützen wichtige Stoffwechselprozesse und führen Vitamine und Mineralien in kleiner Menge zu, auch Salz.

Auf dem Vortrag für Erstfastende lerne ich meine persönliche Menge Bittersalz einzuschätzen. Erfahre, dass drei Liter Flüssigkeit täglich meinem Körper ein Signal zur Reinigung geben und warum mittags zwischen 13 und 14 Uhr Siesta angesagt ist. Zu dieser Zeit steht mein Highlight des Tages an: der Leberwickel. Heiß dampfende Pellkartoffeln, in Moltontücher gewickelt und rechts auf den unteren Brustkorb gelegt, wärmen die Leber intensiv durch und regen die Entgiftung an. Zum Vergleich: Die feuchte Wärme dringt bis zu 12 Zentimeter tief ins Gewebe ein, eine Wärmflasche schafft nur rund drei Zentimeter. Mit dem Wickel schlafe ich tief und sorglos wie ein Baby. Hinterher erschrecke ich beim Blick in den Spiegel: Meine Augen schimmern gelb. Auch mein Tischnachbar hat das bei sich beobachtet: “Das muss die Badezimmerleuchte sein.” Doch abends sind sie beim gleichen Licht wieder weiß.

Fastenkrise – Halb so schlimm

 

Am Dienstagmorgen quält mich schlechte Laune. Dabei sind alle hier – Personal, Therapeuten, Ärzte und Mitfastende – nett, gut gelaunt. Die Stimmung ist auffallend positiv: aufmerksam, unaufdringlich fürsorglich. Viele kommen zu zweit. Paare oder Freundinnen, die jedes Jahr kommen, über 40-Jährige, denen der Beruf zu viel abverlangt oder chronisch Kranke. Ohne große Gruppendynamik sind Kurse individuell gemischt. Unter Gleichgesinnten komme ich leicht ins Gespräch: übers Fasten, persönliche Gründe, Lieblingsgerichte, Kultur oder Hobbys.

Um 7 Uhr, beim “Start in den Tag”, hample ich unlustig mit, nach dem Tautreten lächle ich schon. Doch wirklich interessant ist meine Reaktion auf die Infusion. Je nach Indikation erhalten Fastende am zweiten Tag beispielsweise homöopathische Mittel zur Milderung einer Fastenkrise. Noch bevor der Tropf durchgelaufen ist, geht es mir schlagartig besser. Zum Frühstück habe ich neue Energie.

Der Stoffwechsel stellt sich um

 

Am Mittwoch wache ich erschöpft auf, fühle mich wackelig und kraftlos. Zur ersten Tasse Tee falle ich über die esslöffelgroße Portion Cremehonig her, die da seit Sonntag steht. Nun bin ich dankbar für den Energieschub. Beim Darmbad erzähle ich davon und werde umsorgt. Ein Wechselarmguss und Kreislauf-Tropfen bringen mich wieder ins Lot. Allein zuhause hätte ich nicht weitergewusst. Das war also meine “Fastenkrise”, die am zweiten, dritten Tag normal ist. Heute fällt mir die Gelbfärbung der Augen besonders auf. Der Stoffwechsel stellt sich um. Auch Kopfweh (Kaffeeentzug!), Blähungen, Seh- oder Schlafstörungen können diesen “Metabolic Switch” in den Fastenmodus begleiten. Nun geht es richtig los mit der Ketose, der Energiegewinnung aus Fetten, und der Autophagie, der körpereigenen Zellreinigung.

Die Fastenwoche ist geprägt von Bewegung, Physiotherapie und Kneippanwendungen sowie psychisch-spirituellem Ausgleich. Ich muss achtgeben, dass ich mir neben Vorträgen, Waldbaden, Qi Gong, Yoga und Lehrküche genug Ruhe gönne. Schließlich locken außerdem ein kleines Hallenbad und ein Wellnessbereich. Wobei Sauna die Abwehrkräfte sehr entspannend trainiert. So viel für meine Gesundheit habe ich in einer Woche noch nie getan. Da ist es kein Wunder, dass ich die Stufen in den vierten Stock geschmeidiger und leichter steige. Geistig schlüpfe ich aus dem Korsett des Alltags. Ich werde ruhiger, bekomme neuen Schwung und halte Nabelschau: Was macht mich aus, was will ich?

Das 6-Gänge-Fastenmenü

 

Habe ich Saft und Brühe in den ersten Tagen schluckweise genossen, fange ich am Donnerstag an, mir Menüs zu basteln. Ein Schluck pur, ein Biss in die Zitrone, ein Schluck mit der Säure auf der Zunge, ein Schluck mit Zitronensaft, einer mit Pfeffer, einer mit Pfeffer und Zitrone: Sechs Gänge mal anders. Mittags das gleiche Spiel mit Suppe, Sprossen und Pfeffer. Langsam, dem Genuss nachspürend, intensiv schmeckend. Eine zweite Spalte Zitrone fühlt sich wie Luxus an.

Am Samstagmittag beginnt das Abfasten. Feierlich wird ein Teelicht entzündet. Zur sämigen Kartoffelsuppe erhalte ich einen Teelöffel. Die abendliche Karottensuppe wird schon mit Esslöffel serviert. Langsam essen und leichte Kost sind das Mantra der folgenden Tage. Der Magen signalisiert deutlich: Stopp, es reicht.
Sieben Tage Heilfasten markieren einen Neustart und geben neue Energie. Sie genügen, damit Gesunde das Fasten professionell kennenlernen können. Chronisch Kranke brauchen länger. Sie fasten besser unter Anleitung bis zu drei Wochen und führen Nahrung in der vierten Woche langsam ein. Dann ist nach vielen Jahren Krankheit ein langfristiger Effekt zu erwarten.

Mein Fazit

 

Heilfasten bereichert, gibt Impulse und wirkt in Körper und Geist nach. Der Blutdruck sinkt, die Haut strahlt. Vier Wochen später fehlen immer noch rund zwei Kilogramm Gewicht, die Lust auf Bewegung ist geblieben. Ich genieße immer noch gründlich, ersetze manche Mahlzeit durch mein Saft-Menü und kneippe morgens. Warum bringt mir zuhause keiner einen Leberwickel?

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Matthias Jell

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