Ein Stück vom Almglück: Kochen mit Kräutern und Blumen

Bergbäuerin Sandra Hörterer (li.) und Spitzenkoch Florian Lechner vom Wirtshaus am Münchner Nockherberg beim Waschen der Kräuter auf der Alm. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land)

Was Kühen schmeckt, macht sich auch auf dem Teller gut: Spitzenkoch Florian Lechner hat sich von Bergbäuerin Sandra Hörterer inspirieren lassen und bereichert seine Gerichte mit duftenden Kräutern und Blumen.

Zwischen den gesägten Blatträndern der Brennnesseln lugt der Sauerampfer mit seinen pfeilförmigen Blättern hervor. Rötliche Sprenkel des dreiblättrigen Klees gesellen sich dazu. Zarte bis kräftige Blautöne schimmern in einer Wanne vor mir, gespickt mit roten und gelben Blüten. Selbst saftiges Karottengrün hat sich unter die Menge gemischt. Doch was ist das? Der Duft von Schweinebraten zieht mir in die Nase und holt mich aus der Kräuter-Idylle.
Ich befinde mich in der Großküche am Münchner Nockherberg. Spitzenkoch Florian Lechner betreibt hier ein Wirtshaus mit Biergarten und hat allerlei bunte Kräuter vor sich ausgebreitet. Heute trifft naturverbundene Kräuterküche auf bayerische Kulinarik: Lechner bereitet einen Karotten-Topfen-Aufstrich zu. In einem Topf mit Öl brutzeln schon gelbe und orangefarbene Möhren. Sie wurden vorher geschält und in kleine, längliche Stücke geschnitten. Lechner gibt Sesam hinzu. Beim stetigen Umrühren mischen sich unter die Süße leichte Röstaromen. Jeweils eine Prise Curry und Würzsalz mit Bergblüten verfeinern den Geschmack.

Kochen mit der Brennnessel

 

Der Koch greift zu einem Bündel fein gerupfter Brennnesselblätter. Er gibt sie zum Blanchieren in heißes Wasser. „Damit brennt es nicht mehr so stark und die grüne Farbe bleibt erhalten“, sagt er. Nach dem Abschrecken im Sieb unter kaltem Wasser packt Lechner die laschen Blätter, presst sie mit beiden Händen zusammen und wringt sie kräftig aus. In dieser kompakten Form lassen sie sich mit einem großen Messer gut klein schneiden. Zu fein hacken sollte man die Kräuter aber nicht – „sonst gehen die ätherischen Öle verloren“.

Spitzenkoch Florian Lechner in seiner Küche im Wirtshaus am Nockherberg. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land)

Die Alm als natürliche Speisekammer

 

Ein Sammelsurium an Blumen und Kräutern eröffnet sich einem auf der Steinbergalm in den Chiemgauer Alpen. Sandra Hörterer betreibt dort als Bergbäuerin der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land einen Milchviehbetrieb. Bei einem Besuch Lechners auf der Alm im vergangenen Jahr waren sich Koch und Bäuerin einig: Die Vielfalt an natürlichen Aromen überzeugt. Deshalb versorgt Hörterer ihre Tiere auch mit reichlich Kräuterkost und verarbeitet sie selber, etwa verräuchert. Diesmal hat sich die Natur aber etwas mehr Zeit mit der Blütenpracht gelassen. Bis Ende Mai hielten sich in schattigen Ecken die letzten Schneereste. „Sobald es die ersten warmen Tage gibt, explodiert die Natur“, sagt die Bäuerin.

Dann geht alles ganz schnell: Die Gräser sprießen in saftigem Grün, ehe Blumen und Kräuter den Almwiesen und Hängen ihren Farbstempel aufdrücken. Vögel pfeifen, Käfer schwirren durch die Lüfte, Bienen summen. Das Jungvieh aus Hörterers Betrieb ist auch schon da und macht mit lautem Glockenläuten auf sich aufmerksam. Willkommenes Begrüßungsgeschenk für die Tiere: eine Portion Salz, die sie ihnen zum Fressen gibt. Wichtige Mineralstoffe nehmen die Kälber und Jungtiere so auf, die sie sonst von Steinen lecken müssten. Dass bunte Wiesen mit großer Artenvielfalt das Landschaftsbild auf der Steinbergalm prägen, ist der Viehhaltung zu verdanken. Die Tiere weiden als eine Art natürlicher Rasenmäher die Fläche ab und hindern Sträucher und Bäume daran, sich auszubreiten.
Währenddessen bedienen sich im Tal knapp 40 Kühe an ihrem Freiluft-Buffet. Klee, Spitzwegerich, Löwenzahn und das Weidegras stehen auf dem Speiseplan und geben der Milch ihren besonderen Geschmack. Die Rohmilch schätzt Hörterer ungekocht mit ihrem hohen Fettgehalt. Kräuter, Licht, Luft, Bewegung – „für das Wohlbefinden der Kühe ist das entscheidend“, sagt die Bergbäuerin.

Weg vom Image der „Schweinebraten-Hochburg“

 

In München hat Lechner kurzen Prozess mit Brennnesseln, Karotten und Sesam gemacht:
Den gehäckselten Farbenmix rührt der Koch unter zwei Portionen cremigen Topfen. Etwas nachwürzen mit Salz und Curry und der Aufstrich ist bereit zum Servieren. Zum Kunstwerk wird er auf einer Scheibe Brot mit den gesammelten Kräutern on top. Knuspriges Extra: frittiertes Karottengrün. Weitere Sesamkörner und eine kleine Möhre geben dem Topfen-Aufstrich den letzten Pfiff. Mit geschlossenen Augen schmecke ich, wie das frische Grün zwischen dem eingestreuten Sesam herzhaft knackt. Ein Hauch von würziger Almluft umweht mich.

Für Lechner steht fest: „Wir nehmen Kräuter viel zu wenig her.“ In den selbstgemachten Brennnessel-Knödeln auf der Speisekarte stecken sogar die Kräuter aus seinem heimischen Garten. Den Schweinebraten jedenfalls hat der Wirt der politischen Prominenz am Nockherberg ausgetrieben. Heute wird zum alljährlichen „Derblecken“ ein Brotzeitbrett zum Bier gereicht, gefolgt von gesunden Häppchen in mehreren Gängen. Der Zuspruch gibt ihm recht: Man kann auch ohne Bewährtes aufblühen.
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Matthias Jell

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