Wilde Fahrt durch den Eiskanal: Als Co-Pilotin im Rennbob

Mit Bob-Weltmeister Manuel Machata mit über 100 km/h durch den Eiskanal! Redakteurin Daniela Feldmeier hat sich mit auf die wilde Fahrt begeben. (Foto: Daniela Feldmeier)

Mit Vollkaracho durch den Eiskanal von Königssee! In einem Bob mit Weltmeister Manuel Machata. Mit an Bord: Unsere Redakteurin Daniela Feldmeier.

Hinweis: Die Fahrt fand bereits im Winter 2020 statt. Bei der Hochwasserkatastrophe 2021 in Berchtesgaden wurde leider auch die Eisarena am Königssee stark beschädigt. Voraussichtlich im Oktober 2022 soll sie nach den Reparaturarbeiten wieder eröffnet werden.

Mein Kopf spielt Ping-Pong. Mit aller Kraft versuche ich ihn gerade zu halten. „Schlag nicht mit deinem Helm an meinen“, hat mich Bob-Weltmeister Manuel Machata vor dem Start gewarnt. Da habe ich noch gelächelt und genickt. Jetzt sitzt der Bob-Pilot dicht vor mir und steuert den Rennbob mit mehr als 100 Sachen durch den Eiskanal. Konzentriert fixiere ich seinen Helm und versuche, meinen Kopf aufrecht zu halten. Es gelingt mir nicht. Kurve um Kurve schlägt er links oder rechts gegen den Bob. Immerhin dauert die Fahrt nur 60 Sekunden.

Aber von vorne: Anfang März besuche ich Manuel Machata und seinen Bruder Sebastian an der Kunsteisbahn direkt am Königssee. Manuel Machata war jahrelang in den Eiskanälen der Welt zuhause. 2015 beendete er seine Profisportkarriere und trainiert seither Bobmannschaften in China und Italien. Und jetzt ist er auch noch Taxifahrer. Seit 2019 können sich Gäste hinter dem Viererbob-
Welt- und Europameister in den Rennbob setzen. Die Machata-Brüder nennen ihr Baby „Rennbob-Taxi“. Verortet ist es auf Bayerns einziger Kunsteisbahn. In Deutschland gibt es insgesamt vier, weltweit sogar nur 14 Bahnen.

Die Frage nach dem Sicherheitsgurt

 

Zu zweit marschieren wir die rund 1,6 Kilometer lange Bahn hinauf. “ So oft wie in diesem Winter bin ich noch nie eine Bahn hinaufgegangen“, scherzt er. Unterwegs zeigt er auf die 16 Kurven. Alle sind nummeriert und tragen ihre eigenen Namen: Teufelsmühle, Labyrinth, Echowandkurve. „Jede Kurve hat ihre Tücken. Als Pilot musst du die Druckpunkte kennen und den Bob entsprechend lenken.“ Im unteren Drittel der Bahn läuft der Eiskanal durch einen Kreisel. Ohne ihn wäre das Gefälle zu steil und man könnte die Bahn nicht befahren. Die Sportler kennen den Kreisel unter dem Namen „Turbodrom“. „Da drinnen gibt es drei Druckpunkte, an denen der Bob ausbrechen möchte und das alles innerhalb von sechs Sekunden. Länger braucht man für die 360-Grad-Drehung nicht.“ Als er mir an der Echowandkurve – der schnellsten Kurve der Bahn – erzählt, dass der Bob aufgrund der Fliehkräfte nicht mehr in der Mitte fährt, sondern komplett an der rechten
Eiskanalwand hängt, frage ich mich, ob ich als Mitfahrer festgegurtet werde.

Am Startpunkt werfe ich einen Blick in das orange Rennbob-Taxi. Die Gäste nehmen in Sitzschalen Platz, der Pilot auf dem blanken
Bobboden. An beiden Seiten führen Drahtseile entlang, hier soll ich mich festhalten. Nachdem wir einen Helm für mich ausgesucht und ich die Teilnahmebedingungen gelesen und unterschrieben habe, soll ich auch schon einsteigen. Für den Pilot ist es leichter, den Bob mit drei anstelle von zwei Personen zu steuern. Deshalb bekomme ich noch einen Mitfahrer. Ich darf in die Mitte. Obwohl ich nur 1,57 Meter groß bin, muss ich mich ganz schön verbiegen, um Arme und Beine in den nur etwa 60 Zentimeter breiten Innenraum zu quetschen.

Die Profisportler schieben den Bob selbst an und einer nach dem anderen hüpft in Sekundenschnelle hinein. Bei mir sieht es eher nach minutenlangen Yogaübungen aus.

Für den Profi-Rennsport braucht es starke Nerven

 

Manuel Machata kniet sich neben den Bob und erklärt uns den Ablauf. Er beschreibt auch, wie wir uns bei einem möglichen Sturz verhalten sollen. Ich bin nahe daran, wieder auszusteigen – wären da nicht die Yogaposen in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst kein Sicherheitsgurt und jetzt auch noch die Gefahr eines Sturzes? Irgendwie habe ich mir das Abenteuer Rennbob-Taxi wie eine Achterbahnfahrt vorgestellt. Inklusive aller Sicherheitsstandards. Jetzt erkenne ich, dass ich mich mitten im Profi-Rennsport befinde. In der Formel Eins des Wintersports.

Kneifen gilt nicht. Zu dritt in dem engen Bob geht's jetzt los in den Eiskanal. (Foto: Daniela Feldmeier)

„Daniela, du kennst dich aus? Dann können wir ja starten“, sagt der Mann, der sich schon Tausende Male den Eiskanal hinuntergestürzt hat. Der Platz vor mir im Bob ist noch frei. Hektisch möchte ich mich umdrehen und schauen, ob da nicht schon einer anschiebt. Aber der Bob ist zu eng, umdrehen klappt nicht. Als ich wieder nach vorne schaue, schiebt mir Manuel Machata auch schon seinen Hintern ins Gesicht. Er sitzt, reckt den Daumen nach oben, der Bob wird von einem Mitarbeiter ein Stück die Eisbahn hinuntergeschoben. Machata fragt, ob ich an seinen Schultern vorbeisehe und schon steigt dieses undefinierbare Kribbeln in meinem Bauch auf. Meine Vorfreude kehrt zurück.

Keine Kontrolle, aber ein offenes Visier

 

Der Bob wird schneller. Sehr schnell. Es ist laut. Alles rattert. Meine Knie werden an die harte Bobwand gepresst. Mein Mitfahrer hinter mir jubelt. Oder war es ein Angstschrei? Darauf kann ich mich jetzt nicht konzentrieren. Außerhalb des Bobs nehme ich nichts mehr wahr. Nur weiße und schwarze Schemen fliegen an mir vorbei. Vor der Fahrt wollte ich die Kurven mitzählen. Keine Chance! Sind wir schon senkrecht an der Wand gestanden und haben damit die schnellste Kurve schon passiert? Ich verliere jegliche Orientierung. Mein Helmvisier klappt ein Stück nach oben. Manuel Machata meinte, ich solle es nicht ganz zu machen, sonst beschlägt es.

Drei Personen haben insgesamt im Rennbob-Taxi Platz. (Foto: Alexander Emmert)
Na toll, sehen kann ich sowieso nichts, da alles verschwimmt. Dafür zieht es, meine Augen beginnen zu tränen. Die Klappe muss wieder zu. Mit der rechten Hand lasse ich das Drahtseil los und schiebe das Visier nach unten. Sofort verliere ich die Balance, mein Körper ruckelt unkontrolliert von rechts nach links. Jetzt verstehe ich die Bedeutung dieses fünffachen Drucks des eigenen Körpergewichts, der im Eiskanal auf einen einwirkt. Und dann beginnt mein Kopf mit seinem Ping-Pong-Spiel. Zum Glück führt der sein Eigenleben erst ab dem 360-Grad-Kreisel und damit im letzten Drittel der Bahn. Noch wenige Kurven und Manuel Machata zieht die Bremse. Der Bob läuft langsam aus. Noch während wir dahingleiten, klettert er flink aus dem Bob und starrt auf die Zeittafel. Ich bleibe sitzen. Die Fahrt dauerte nur etwa 60 Sekunden und trotzdem braucht es Minuten, bis mein Adrenalinpegel wieder sinkt.

„Wir hatten nur 105 km/h drauf“

 

„Leider ist es ziemlich warm und die Bahn dadurch nicht mehr so griffig. Wir hatten nur 105 km/h drauf“, sagt der Profisportler fast entschuldigend. „Im Wettkampf wären das dann schon mal 130 Sachen. Da tut’s dann aber auch weh.“ Er warnt mich vor Rücken- oder Nackenschmerzen in den nächsten Tagen. Symptome, die sich bei seinen Taxigästen oft einstellen. Eine trainierte Rumpfmuskulatur, wie sie Profisportler haben, fehlt. Und damit sollte er recht behalten: Noch am selben Abend bekomme ich Kopf-, Rücken- und Nackenschmerzen, die einige Tage andauern.

Im Ziel drückt mir Manuel Machata eine Urkunde in die Hand und hängt mir eine Goldmedaille um den Hals. Als Co-Pilotin hätte ich mich gut geschlagen. Ich grinse und erzähle ihm nichts von meinem Kontrollverlust. Mit immer noch wackligen Beinen verabschiede ich mich und freue mich schon auf einen ruhigen nächsten Tag am Schreibtisch. Heute erinnert mich die Medaille dort jeden Tag an die abenteuerliche Bobfahrt.

Teilnahmebedingungen

 

Mindestalter 16 Jahre. Die Teilnehmer dürfen keine Vorschädigungen an der Wirbelsäule und keine Rückenbeschwerden haben. Organische Erkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Beschwerden müssen
ausgeschlossen sein. Schwangere dürfen nicht mitfahren. Ein Helm, der vor Ort ausgeliehen werden kann, sowie warme Kleidung sind erforderlich. Eine körperliche Grundfitness ist Voraussetzung. Das Rennbob-Taxi fährt von Oktober bis März. Eine Fahrt kostet 95 Euro. Die Flotte besteht aus acht Bobs und neun Piloten.

 

Kontakt:
Machata GbR
Tel.: 08657 / 983 99 04
info@rennbob-taxi.de
www.rennbob-taxi.com

Das Winterparadies am Königssee aus der Vogelperspektive. Darin eingebettet, die Eisarena. (Foto: BSD/ Viesturs Lacis)
Manuel Machata. (Foto: Axel Watter)

Manuel Machata

Verortet: geboren in Berchtesgaden, aufgewachsen in Ramsau,
startete seit 2005 regelmäßig im Bob-Europacup, seit 2010 im
Bob-Weltcup

 

Fakten: Profisportler, 36 Jahre, ledig, ein Sohn

 

Karriere: Bob-Pilot, Viererbob Weltmeister am Königssee 2011 und Europameister in Winterberg 2011, WM-Silbermedaille im Zweierbob und Bronzemedaille im Vierer bei Weltmeisterschaften in Lake Placid 2012, beendete 2015 seine Karriere, leitet heute zusammen mit seinem Bruder das Rennbob-Taxi am Königssee

 

Hobbys: Gokart und Motorrad fahren

Weitere interessante Themen rund um Bayern finden Sie in der Ausgabe 05/2020.

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Matthias Jell

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